Hate Speech in sozialen Netzwerken: Auffangbecken für Facebook-Hetzer

Facebook geht mittlerweile strenger mit rechten Inhalten um. Deshalb ist das russische soziale Netzwerk VK für Hetzer eine Ausweichmöglichkeit.

Zwei Laptops, auf dem Bildschirm des einen ist Putin zu sehen, auf dem anderen ist ein soziales Netzwerk geöffnet

Q&A-Session mit Putin via VK im April 2016 Foto: imago/Itar-Tass

Angenommen, der selbst ernannte „besorgte Bürger“ Max Mustermann will seinen Hass auf Flüchtlinge in sozialen Netzwerken verbreiten – ohne dass seine Beiträge gelöscht und er für ein paar Tage gesperrt wird, wie es ihm auf Face­book passiert ist. Dann wird er vielleicht zum russischen Face­book-Konkurrenten VK.com wechseln. Denn dort können Nutzer mit rechts­ex­tre­mer Gesinnung hetzen, ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen.

Ausweichbewegungen wie diese sind keine Fiktion, sie finden tatsächlich statt. Auf dem russischen sozialen Netzwerk wimmelt es von deutschsprachigen Seiten mit Namen wie „Gegen Asyl/Flüchtlinge“ oder „Schluss mit dem Asylwahn“. Vereinzelt kann man dort Sätze lesen wie: „Wenn zwei sich streiten freut sich der Jude“, oder: „TATSÄCHLICH werden die illegalen Einwanderer TÄGLICH ZU TAUSENDEN direkt vor der libyschen Küste vom ‚Nato-Shuttle-Service‘ aufgesammelt.“ Flüchtlinge werden als „Invasoren“ bezeichnet. Und das sind keine Einzelfälle, so gut wie jeder deutschsprachige Beitrag zur Flüchtlingsthematik auf VK geht in eine ähnliche Richtung.

Auch in Reaktion auf öffentlichen Druck reagiert Facebook hierzulande inzwischen etwas besser auf Hate Speech und fremdenfeindliche Hetze. Inzwischen arbeitet eine Abteilung in Berlin daran, entsprechende Beiträge zu löschen – orientiert an „geltendem deutschen Recht“, aber auch an internen Richtlinien, wie Facebook selbst sagt.

Bei VK bleiben derartige Posts stehen. Und das, obwohl die Richtlinien des sozialen Netzwerks aus Russland ebenfalls fremdenfeindliche Hetze eigentlich verbieten. Warum unternimmt VK nichts gegen diese Posts?

Russlands Zuckerberg

Auf die Nachfragen der taz reagiert die PR-Abteilung des Netzwerks nicht: warum VK zum Beispiel zwar Accounts des „Islamischen Staats“ (IS) löschte, nicht aber die von bekennenden Neonazis und Hitler-Fans. Auch die Frage, ob man bei VK plant, in naher Zukunft gegen rechte Hassbeiträge vorzugehen, bleibt unbeantwortet.

VK, ehemals Vkontakte.ru, ist vor allem in Osteuropa die Alternative zu Facebook. 90 Mil­lio­nen monatliche Nutzer hat VK nach eigenen Angaben. Das soziale Netzwerk wurde 2006 von Pawel Durow und seinem Bruder Nikolai gegründet. Als VK-Chef sorgte Pawel Durow, der oft mit Facebook-Gründer Marc Zuckerberg verglichen wurde, immer wieder für Schlagzeilen: 2013 bot er Edward Snowden auf dem Höhepunkt der NSA-Affäre einen Job bei seinem sozialen Netzwerk an.

Warum löscht VK Accounts des IS, nicht aber die von bekennenden Nazis?

Durow widersetzte sich wiederholt dem Kreml: Er weigerte sich, VK-Seiten von Kremlkritikern zu sperren. Und stellte sich quer, als er aufgefordert wurde, Daten von ukrainischen Oppositionellen herauszugeben, die die Maidan-Proteste organisiert hatten.

Wegen Letzterem, so Durow, habe der russische Geheimdienst FSB massiven Druck auf ihn ausgeübt. So massiven, dass er sich im April 2014 entschied, VK zu verlassen. Durow floh aus Russland und baute den Messengerdienst Telegram auf.

Rechte können dort hetzen und sich vernetzen

Wenige Monate nach seinem Ausscheiden gab die russische Investmentfirma Mail.ru bekannt, auch die restlichen Anteile an VK.com vom bisherigen Anteilseigner gekauft zu haben. Damit gehört VK nun komplett Mail.ru – bis heute.

Mail.ru-Mehrheitseigner ­Alischer Usmanow gilt als kremlnah. Seit der Übernahme durch Mail.ru ist es stiller geworden um das soziale Netzwerk als unter Durow. VK stößt dem Kreml nicht mehr vor den Kopf.

Zurück zum Beispiel des rechten Hetzers Max Mustermann: Auf VK trifft er auf die Kreise, die wie er von Facebook abgewandert sind. So ist die rechte Seite Anonymous.Kollektiv, die Ende Mai von Facebook ausgesperrt wurde, schon seit 2015 auf VK.com vertreten. Auch das rechte Magazin Compact und der rechte Kopp Verlag erstellten dort Anfang 2016 eigene Seiten. Die Reichweite für deutschsprachige Seiten ist bei VK zwar noch gering.

Bis auf rechte und rechts­ex­tre­me Nutzer, die ihre Hassbotschaften ungefiltert verbreiten wollen, verirren sich kaum deutsch­sprachige User auf die Seite. Doch VK bietet Raum für eine gefährliche Gegenöffentlichkeit: Rechte können dort gegen Flüchtlinge hetzen und sich – vergleichsweise unbeobachtet – vernetzen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.