Hass auf Sport: Du musst gar nichts
Unsere Autorin hat schon alle möglichen Sportarten gemacht, aber mittlerweile hasst sie Sport. Jetzt will sie wieder wollen statt müssen.
S chade, wieder nicht zum Sport geschafft, könnte ich jeden Monat aufs Neue schreiben. Dabei hab ich schon alles gemacht, elf Jahre Dressurreiten, eine kurze, aber schöne HipHop-Karriere bei den Aerobic-Mäusen hingelegt, Klettern, Bouldern, Parkour, Eisdisco, zweimal Handballtraining, aber das war schrecklich. Momentan erzähle ich allen, die fragen, dass ich kickboxe. Eigentlich auch Leuten, die nicht fragen, weil Kickboxen ist cool und wer will nicht gerne cool sein.
Beim Techniktraining war ich aber schon lang nicht mehr, weil ich festgestellt habe, dass ich mein Bein zum Kick nicht einmal in einem 90 Grad-Winkel zur Seite strecken kann und somit ein „Rippen-Kick“ bei der Gegnerin ein lascher Oberschenkelklatscher wird. Das ist mega entblößend und wer will schon entblößt werden.
Und überhaupt, mittlerweile hasse ich Sport. Ich hasse Schwitzen und dass ich so knallrot werde. Ich hasse, dass man seine stinkigen Sportklamotten im schlimmsten Fall den ganzen Tag mit sich herumtragen muss. Believe me, ich habe jahrelang in einer Kletterhalle gearbeitet und nichts ist schlimmer als Kletterschuhe, die außen an den Rucksack angebracht sind und leicht bis mittel nach Verwesung stinken.
Ich hasse das Warten in der Schlange, ich hasse, vom Schwimmnachbarn leicht mit den Zehennägeln am Bauch gekratzt zu werden, wenn man versucht, auszuweichen. Ich hasse, dass ich jeden Monat 30 Euro an den Kickbox-Verein überweise. Aber am allermeisten hasse ich das Commitment.
Ich bin keine Studentin mehr, ich habe einen Job, ich muss dort viel. Wenn mir dann noch Sportbegeisterte sagen, wie toll Sport ist und dass sie ja die Lösung für mich Sportmuffel hätten (die Top zwei Ratschläge sind „Probier’s mal mit Fitnessstudio“ oder „Probier’s doch mal mit Mannschaftssport“), dann höre ich laut Die Sterne in meinem Kopf: „Du musst gar nichts“.
Ich will wieder wollen
Das Ding ist: Ich will nicht zum Sport müssen, aber ich will wieder wollen. Nur wofür eigentlich? Um das herauszufinden, ist diese Kolumne die perfekte Ausrede für mich. Ich will jeden Monat eine neue Sportart ausprobieren, je komischer, desto besser. Wofür wohne ich denn sonst in Berlin? Hier gibt es „Sober Raven“ morgens vor der Arbeit, Padel, Twerk-Workshops, Hobby-Horsing, Stricken auf dem Trampolin (okay, das weiß ich nicht, aber irgendwie kann ich mir das ganz gut vorstellen).
Manchmal würde ich auch gerne darüber schreiben, wenn ich es nur geschafft habe, mir eine Sportart anzuschauen. Letztens zum Beispiel war ich beim ersten Fußballspiel meines Lebens von Chemie Leipzig gegen Viktoria Berlin. Und was soll ich sagen, plötzlich lagen wir uns alle in den Armen, grölten Songs. Meine feministische Wut auf Fußball-Macker war für einen Moment vergessen und ich hab Lust auf Bratwurst mit zehn Bier bekommen.
Schreiben will ich über das Miteinander, darüber, wie die Leute ticken, die so viel in diese Sportarten geben und wie sie über unsere Gesellschaft denken. Dabei will ich herausfinden, ob aus mir doch noch eine Sportsfreundin wird.
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