Hartz-IV-Berater über Regelsätze: "Die meisten füllen den Kühlschrank"
Wenn Eltern in die Hartz-IV-Beratung gehen, nehmen sie selten ihre Kinder mit. Sie schämen sich, sagt Detlef Zöllner von der Beratungsstelle Rudi in Berlin-Friedrichshain.
taz: Herr Zöllner, Sie beraten in Berlin Hartz-IV-Familien. Wie kommen die Leute mit den derzeitigen Regelsätzen über die Runden?
Detlef Zöllner: Das Geld reicht eindeutig nicht aus. Was für die Kinder zur Verfügung steht - da müssen die meisten Eltern sehr knapsen. Die Sätze reichen vorn und hinten nicht.
Wo fehlt es am meisten?
Es fängt schon beim Essen und der Kleidung an. Die Eltern kommen ja gar nicht und klagen über zu wenig Geld für Hobbys oder Kino - darüber hat in meiner Beratung noch keiner ein Wort verloren.
Essen und Kleidung sollten doch aber abgedeckt sein?
Um seine Kinder vollwertig zu ernähren, dafür reicht es auf keinen Fall. Bei mehreren Geschwistern können Kinder nur nacheinander neue Kleidung bekommen. In der Schule und im Hort sind andauernd Beiträge zu zahlen. Und am Ende des Monats gibt es bei vielen einfach Nudeln.
Fühlen sich die Eltern ausgegrenzt?
Auf jeden Fall. Die Familien können sich ja nichts leisten. Viele, die sich hier beraten lassen, schämen sich, auch wenn sie es nicht zeigen wollen. Sie fühlen sich wie Menschen zweiter Klasse, man spürt die Resignation. Die meisten kommen ja erst, wenn beim Jobcenter ihre Anträge für Zuschüsse abgelehnt wurden - und kaum einer blickt durch die Berechnungstabellen durch.
Spüren die Kinder die Not?
Die bekomme ich selten zu Gesicht. Die Eltern kommen in der Regel allein in meine Beratung. Sie versuchen, die Kinder fernzuhalten, sie sollen die Armut nicht spüren. Aber sie kriegen das natürlich mit - jeden Tag sehen sie in der Schule die Unterschiede. Markenkleidung ist ausgeschlossen.
Wenn die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder erhöht werden, wer garantiert, dass das den Kindern zugutekommt?
Es gibt ja immer Ausnahmen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Masse der Hartz-IV-Empfänger gleich DVDs und MP3-Player kauft. Die meisten füllen erst mal den Kühlschrank. Ohnehin sind die Menschen sehr bemüht - sie wollen ihren Kindern das Beste bieten und für ihre Kinder ein besseres Leben erreichen. Aber sie können nur bezahlen, was im Portemonee ist.
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