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Harburger Traditionsblatt wird eingestelltZeitungssterben ganz lokal

Im Süden Hamburgs ist sind die „Harburger Anzeigen und Nachrichten“ eine Traditionszeitung. Doch die Leserzahlen sinken stetig. Im September erscheint die letzte Ausgabe.

Bald erscheint hier eine Zeitung weniger: Verlagshaus der <em>HAN</em> in Hamburg. Bild:

HAMBURG dpa | Die Lokalzeitung Harburger Anzeigen und Nachrichten (HAN) wird Ende September zum letzten Mal erscheinen. „Mit der Ausgabe des 30. September wird die Zeitung eingestellt“, sagte der Geschäftsführer der Verlags, Thorsten Römer, am Freitag. Der bedauerliche Schritt sei unter betriebswirtschaftlichen Aspekten unumgänglich und alternativlos, sagte Römer.

„Wir haben in Harburg eine stark rückläufige Auflage, deutlich stärker als im Branchenschnitt, und auch im Anzeigengeschäft haben wir eine überproportionale negative Entwicklung schon über die letzten Jahre gehabt“, sagte Römer. Von der Einstellung des Blattes sind 27 festangestellte Mitarbeiter und mehrere freie Mitarbeiter sowie fünf Auszubildende betroffen. Sie sollen nach Möglichkeit ihre Ausbildung bei anderen Unternehmen zu Ende führen.

Die tägliche Auflage der Lokalzeitung für die südlichen Hamburger Stadtteile sowie den niedersächsischen Landkreis Harburg lag zuletzt bei weniger als 13.000 Exemplaren. Nach den offiziellen ivw-Zahlen hat die HAN damit innerhalb von zehn Jahren fast 8.600 Exemplare Auflage verloren. In einem Zeitraum von 15 Jahren hat sich die verkaufte Auflage ungefähr halbiert. Bereits 2004 hatte der Verlag seine Mantelredaktion aufgelöst.

Die HAN gehört nach Römers Angaben mehrheitlich der Hanseatischen Verlags-Beteiligungs AG (HVB), die wiederum zu mehr als 50 Prozent im Besitz der Mediengruppe Madsack ist. Die Verlagsgruppe Axel Springer hält eine Minderheitsbeteiligung von knapp 25 Prozent an der HAN.

Hamburg wird eintöniger

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) forderte den Verlag auf, seiner sozialen Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern gerecht zu werden und den Verlust der Arbeitsplätze finanziell gut abzufedern. „Mit der HAN stirbt ein Traditionsblatt, wieder wird die Hamburger Presselandschaft eintöniger“, sagte die Hamburger DJV-Vorsitzende Marina Friedt. Die Zeitung erscheint seit fast 170 Jahren.

Überregional einen Namen machte sich das Blatt durch prominente Kolumnisten und Interviews. So hatte der SPD-Politiker Herbert Wehner über lange Jahre seinen Wahlkreis in Hamburg-Harburg und gab dem Blatt immer wieder exklusive Interviews und schrieb Gastbeiträge. Ähnlich hielt es sein Nachfolger Hans-Ulrich Klose. Auch der frühere CDU-Politiker Volker Rühe war als Harburger Abgeordneter dem Blatt verbunden.

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2 Kommentare

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  • SS
    stückweit schröder

    Ein strukturkonservatives Springerblatt waren die HAN schon immer. Und wer den reaktionären Landkreis Harburg kennt, weiß was ich meine. Ich habe vor den Mantellohnschreibern, die diese widerliche antisoziale geldbürgerliche Propaganda mitformuliert haben, keinen Respekt und finde daher den Appell des Journalistenverbandes gruppenegoistisch und peinlich. Dass Springers Medienhamburg dadurch zeitungsmässig ein Stück ärmer wird, kann ich nicht erkennen und der rüde Volker Rühe fehlt mir schon gar nicht.

    Es ist so ähnlich wie mit den Kieler Nachrichten, denn die sind nach Springers Ausstieg um keinen Deut weniger menschlichenfeindlich geworden. Da kannst du als Polizeifunktionär (!) unkorrigiert die fiesesten Verdächtigungen gegen Minderheiten direkt in die Welt setzen, das redigiert kein Mensch. Der Staat hat immer recht, seine Funktionäre sowieso, an Krisen sind immer die anderen schuld.

    Wer solche Zeitungen noch kauft und liest, muß schon ganz schön dumm sein.

  • MP
    Monika Pauls

    Ich bin zutiefst erschrocken über diese Entwicklung. Seit Februar 1974 bin ich Abonnentin - kein Tag ohne meine HAN. Ich habe verschiedentlich andere Zeitungen parallel gelesen, mich aber nur mit der HAN in meinem Lebensumfeld besonders gut informiert gefühlt - in allen Bereichen.

    Eine Tageszeitung seit so vielen Jahren, das ist wie ein gemütliches Sofa! Und das soll nun entsorgt werden? Monika Pauls, Buchholz