Hans Söllner über die CSU nach der Wahl: „Das Wort Heimat ist wertlos“
Der Liedermacher Hans Söllner über das Ende der CSU-Alleinherrschaft in Bayern, Migranten als Feindbilder und ehrliches Lachen.
taz: Hans Söllner, Sie sind gerade in Österreich auf Tour. Wie haben Sie vom Wahlergebnis in Bayern erfahren.
Hans Söllner: Ich hab’s gestern früh nachgelesen. Und ich muss sagen, es ist schon okay, so wie es ist. Ich bedanke mich schon mal bei meinen Leuten in Bayern, dass sie diese Alleinherrschaft der CSU ein bisschen gekippt haben. Des find’ich schon mal gar nicht schlecht.
Das rechte Lager ist aber nicht kleiner geworden. Ist das etwas, wovor Sie Angst haben?
Also wenn der Söder so weitermacht wie zuletzt, wird er es nicht mehr lange machen. Der Söder und der Seehofer, die haben im Grunde nichts anderes gemacht, als Wähler, die vorher die CSU gewählt haben, auf die Seite der AfD zu treiben. Dass die das nicht erkennen, finde ich ziemlich schrecklich. Und der Söder? Darf ich das so sagen? Der Söder ist so ein dummer, so ein einfacher, so ein primitiv denkender Mensch, dass ich mir da keine Sorgen mache, dass das noch lange so weitergeht.
Wenn man sich das gute Wahlergebnis der Grünen anschaut, hat man den Eindruck, dass sich Bayern doch etwas verändert hat. Merken Sie das im Alltag?
Ich merk halt, dass die Leute wieder auf Demos gehen, dass etwas von unten kommt. Dass die Leute wieder auf die Straße gehen, dass die zeigen, dass es ihnen reicht. Es reicht ihnen einfach, dass sich diese großen Parteien ein Feindbild geschaffen haben, nennen wir es Migranten oder Flüchtlinge, mit dem die Leute nichts anfangen können. Die AfD ist dabei nur Symptom der Krankheit, die seit 30 Jahren grassiert. Sie haben sich nicht um die Rentner gekümmert, nicht um die Kranken, nicht um die alleinerziehenden Mütter, nicht um die Schüler. Sie haben halt immer weitergemacht, jetzt kriegen sie halt einfach ihr Fett dafür.
Das heißt, Sie schauen schon auch hoffnungsvoll in die Zukunft.
Irgendwie tue ich das. Trotzdem glaube ich, dass wir einen Zenit überschritten haben, und dass wir Sachen, die wir in den letzten 20 Jahren verbrochen haben, wiedergutmachen können. Wir müssten die Ozeane sauber machen, wir müssten die Überfischung beenden, wir müssten Massentierhaltung beenden, wir bräuchten ein anderes Schulsystem, ein anderes medizinisches System. Das heißt aber nicht, dass ich jetzt die Zeit, die ich auf dieser Welt bin mit meinen Kindern und meiner Family, nicht genießen kann. Uns geht’s gut. Gott sei Dank bin ich in einem Land geboren, wo ich mir keine großartigen Sorgen machen muss, was den Hunger betrifft. Trotz all dem, was schiefläuft, kann ich das Leben genießen.
In Ihrem neuen Album geht es genau darum, aber auf eine ernste und beinahe schon ruhige Art. Sie sind nicht mehr so laut wie früher.
Wir haben ja gesehen, wohin es führt, wenn man nur Hass verbreitet. Im Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass Wut nicht schlecht ist. Aber Hass ist extrem schlecht. Wütend bin ich schon. Ich lasse meiner Wut dann freien Lauf, kann dabei auch mal laut werden. Aber das, was ich mache, das ist kein Hass. Hass ist eine schlechte Voraussetzung für das Zusammenleben, egal ob mit der Frau, mit seinen Kindern, mit seinen Freunden.
Worauf sind Sie wütend?
Ich bin wütend, weil es zu langsam geht für alles, was auf dieser Welt passiert – in der Natur, in der Landwirtschaft, im Schulsystem. Das heißt aber nicht, dass ich jemanden hasse. Ich hasse den Seehofer nicht dafür, dass er macht, was er macht, dass er Menschen diskriminiert, dass er Hass verbreitet. Ich bin halt wütend, weil er nicht erkennt, dass man so nicht weitermachen kann. Dass ein Staat nicht lebenswert ist, der so voller Hass ist, dass man Grenzen dicht macht, dass man Leute im Meer oder in ihren Ländern einfach sterben lässt.
Bei aller Ernsthaftigkeit, die Leute kommen auch zu Ihren Konzerten, weil sie lachen wollen, weil sie auf Ihren Witz stehen.
Es gibt Witze, wie den vom Seehofer mit den 69 ausgeflogenen Flüchtlingen an seinem 69. Geburtstag. Das ist kein Witz, das ist Sarkasmus. Die Leute brauchen Unterhaltung. Und ich merke halt, dass du mit Witz und einem ehrlichen Lachen weiterkommst als mit Hass und Diskriminierung.
Geboren 1955 im oberbayerischen Bad Reichenhall. Seit 1979 tritt er als Liedermacher auf und pflegt sein Image als Rebell. Seine kritischen Texte und sein Einsatz für die Legalisierung von Marihuana haben ihn zu einer Art Staatsfeind in Bayern werden lassen. Regelmäßig musste er sich vor Gericht rechtfertigen. Er hat bis jetzt 20 Alben veröffentlicht. Sein aktuelles Album „Genug!“ ist gerade bei Trikont erschienen und im Vertrieb von Indigo.
So sind Sie zu einer Symbolfigur geworden für das, was man gerne „das andere Bayern“ nennt. Spüren Sie eine Verantwortung, die das mit sich bringt?
Wenn es mir Mühe bereiten würde, anders zu sein, dann würde ich vielleicht eine Verantwortung spüren. Aber das ist doch das Einzige, was ich wirklich kann: mich selber leben, mich selber anerkennen mit meinen Ängsten, meinen Sorgen, auch mit meinem Grant, mit meiner Wut. Ich sehe halt, dass die Leute darauf anspringen und froh sind, dass da ein Gegenpol da ist. Das ehrt mich schon sehr.
Wie wichtig ist Bayern für Sie als Heimat?
In den letzten zwei, drei Jahren ist das Wort Heimat für mich entehrt und wertlos geworden. Der Seehofer und der Söder sind daran schuld. Wenn Heimat nur bedeutet, dass ich es mit niemandem teilen kann. Wenn Leistung nur bedeutet, dass es meine Leistung ist. Wenn Glück nur bedeutet, dass es mein Glück ist und dass dieses Glück keinen anderen was angeht, dann hat das keinen Wert und keine Bedeutung für mich. Heimat hat für mich nur dann eine Bedeutung, wenn ich auch zulasse, dass in meiner Heimat ein anderer auch eine Heimat findet.
Im ersten Lied auf Ihrem neuen Album singen Sie „Du Scheißrassist, schau, dass di schleichst, des is mei Heimat und ned dei Reich“.
Das singe ich ja genau deshalb, weil Seehofer und Söder aus meiner Heimat ein Reich gemacht haben. Gott sei Dank ist jetzt das Wahlergebnis so ausgefallen, dass sie ja jetzt nicht großartig weitermachen können. Ich bin überzeugt, dass jetzt ganz viele Leute das Denken anfangen und das beruhigt mich schon sehr.
Jetzt sind Sie gerade in Österreich unterwegs. Wie kommt Ihre Botschaft eigentlich dort an?
Ich erzähl viel von Bayern, von Söder und Seehofer. Die sind sehr interessiert, auch wenn sie da schon noch einen Schritt weiter sind. Und da sehe ich, dass da eine Generation ranwächst, die sich das nicht mehr gefallen lassen wird, weil sie merken, dass es nicht um Migranten geht, dass es nicht um irgendwelche Feindbilder aus dem Ausland geht, sondern dass es um sie selber geht.
Und die Bayern haben jetzt auch angefangen, sich nicht mehr alles gefallen zu lassen?
Ja, das seh’ich doch an diesen Demos, wo in München 40.000 Leute auf die Straße gehen. Und da sind ja alle dabei, das ist ja keine Parteiveranstaltung. Da sind Freie Wähler dabei, da sind auch CSUler dabei, da sind ja alle dabei. Und das macht mir schon Hoffnung.
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