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Hans Eichel will aufräumen„Alle Steuer-CDs aufkaufen“

Lug und Betrug: Der einstige Bundesfinanzminister Eichel glaubt, dass es noch viel mehr Steuerhinterzieher gibt als gerade bekannt wird.

Sowas gefällt dem ehemaligen Finanzminister gar nicht. Bild: getty images
Kai Schöneberg
Interview von Kai Schöneberg

taz: Herr Eichel, überrascht Sie das Ausmaß der Enthüllungen?

Hans Eichel: Nein, überhaupt nicht. Kenner wissen, dass die Welt beim Steuern zahlen eine Zweiklassengesellschaft ist. Einmal die Arbeitnehmer, bei denen die Lohnsteuer automatisch abgeführt wird und die Steuerehrlichen, für die die Finanzämter da sind. Dann die unehrlichen: Vermögende, Reiche und Superreiche, die ihr Kapital auf der gesamten Welt in schwer zugänglichen Steueroasen verteilen. Vermutlich gibt es ja noch viel mehr Steuerhinterzieher, als die Recherchen jetzt nahelegen.

Wer hat Sie gehindert, in Ihrer Amtszeit etwas gegen dieses globale System des Steuerbetrugs zu unternehmen?

Ich alles vieles dagegen versucht. So haben die G 20 im Jahr 2004 auf mein Betreiben hin beschlossen, dass wenigstens die OECD-Standards beim Informationsaustausch durchgesetzt werden sollen. Dann ist allerdings nicht viel geschehen. 2008 haben die 20 wichtigsten Entwicklungs- und Industrienationen beschlossen, dass alle Marktteilnehmer, alle Orte und alle Instrumente reguliert werden sollen - bei den Offshore-Finanzzentren und Steueroasen ist fast nichts geschehen.

Und in Deutschland?

Gab es auch viele Widerstände: Ich habe 2002 die Kontrollmitteilungen ins Steuergesetz geschrieben – also, dass die Banken Kapitalerträge automatisch den Finanzämtern melden. Das wurde mir von Union und FDP im Bundesrat kaputt gemacht. So ist es fast unmöglich, von zu Hause aus den Kampf gegen global agierende Steuerhinterzieher zu führen.

dpa
Im Interview: Hans Eichel

71, von 1999 bis 2005 war er Bundesfinanzminister. Anders als sein Amtsnachfolger Peer Steinbrück wollte der Sozialdemokrat nie die Kavallerie irgendwohin schicken.

Aber das meiste der Gelder wird ja nicht per Koffer auf die Cayman-Inseln geschafft, sondern per Knopfdruck über Finanzzentren wie Frankfurt dorthin transferiert. Hätten Sie da nicht ansetzen und diese Finanzströme abklemmen können?

Ich habe Ihnen doch gerade gesagt, dass Union und FDP mir die Kontrollmitteilungen kaputt gemacht haben. Das Problem: Ein Großteil der globalen Banken ist in den Betrug involviert - ein kriminelles System. Das haben die amerikanischen Steuerbehörden gerade bei den Schweizer Banken offen gelegt. Warum hocken die denn alle mit Niederlassungen in den Steueroasen?

Auch deshalb, weil Regulierer in der Gestalt von Politikern wie Ihnen zu wenig dagegen unternehmen.

Unsinn, die Bekämpfung von Steuerhinterziehung war ein Schwerpunkt meiner Amtszeit. Ich habe die Zinssteuerrichtlinie durchgesetzt in Europa. Ich habe intensiv gegen die Schwarzarbeit gekämpft. Da ist der überwiegende Teil der deutschen Medien über mich hergefallen.

Trotz Ihrer Bemühungen scheint es in der Gesellschaft immer noch akzeptiert, den Staat zu betrügen. Wie kommt das?

Auch mich hat der Fall des einstigen Postchefs Zumwinkel schockiert. Er war einer führenden Repräsentanten der deutschen Wirtschaft – und dann plötzlich Steuerhinterzieher. Durch Steuerhinterziehung geht unendlich viel Geld verloren. Bei voller Steuerehrlichkeit hätten wir wahrscheinlich keine Schulden. Aber es sind doch nicht die kleinen Leute, die auf den Cayman-Inseln oder auf den Jungferninseln einen Trust gründen.

Was würden Sie als erstes tun, wenn Sie jetzt noch Finanzminister wären?

Ich würde sofort alle verfügbaren Steuer-CDs aufkaufen. Zudem würde ich erneut einen Anlauf bei den G20 unternehmen, endlich alle Geldgeschäfte zu regulieren. Nicht gegenüber der Bevölkerung, den Steuerbehörden muss offengelegt werden, was man mit seinem Geld macht.

Die Geschichte Zyperns als Steueroase scheint vor dem Ende zu stehen. Doch es gibt ja vor unserer Haustür noch weitere Schlupflöcher – Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem nannte jüngst Luxemburg und Malta.

Wir haben in Europa - leider nur bei den Zinserträgen - das Prinzip des automatischen Informationsaustauschs – das muss generelles Prinzip für alle Finanztransaktionen werden. Wenn die Banken automatisch den Finanzämtern Mitteilungen machen, ist das Thema erledigt. Das ist technisch ganz einfach. Aber man muss es auch durchsetzen. Mit Hinweis auf die Schweiz haben damals andere gesagt, da machen wir nicht mit. Luxemburg, Österreich, zunächst auch Belgien. Aber die aktuelle Finanzkrise hat viel mit Spekulationen zu tun. Es kann doch überhaupt nicht sein, dass die, die mit ihren Zockereien das große Geld machen, sich in die Steueroasen absetzen - und die anderen zahlen den Schaden!

Wo sitzen denn die größten Widerständler?

Ein einfacher Test würde das deutlich machen: Im Bundestag oder im Bundesrat ein Gesetz einbringen, wie es der niedersächsische Ministerpräsident angekündigt hat, mit dem allen Banken die Lizenz entzogen wird, die nicht voll kooperieren. Die dürften dann bei uns keine Geschäfte machen.

Bei welcher Bank müsste Ihrer Meinung dann als nächstes die Kavallerie anrücken?

Fragen Sie doch bei den Banken nach. Da würden Sie schnell fündig werden. Vor Tagen ging eine Meldung durch die Presse über dubiose Firmen oder Scheinfirmen in Panama. In der Geschichte wurden auch die Namen sehr angesehener deutscher Industriellenfamilien genannt.

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8 Kommentare

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  • O
    Ott-one

    Leider wird immer soviel vergessen.

    Hat der Herr Finanzminister Eichel nicht damals mal eine Steuerfluchtamnesty ins Auge gefaßt? Gelder sollten wieder nach Deutschland zurückgeholt werden. Wurde nicht Jedem Straffreiheit bescheinigt, bei einem Outing? Aber das ist schon lange her. Leider wurde das kein großer Wurf. Es ging weiter, wie gehabt.

    Die Ergebnisse sind beschämend.

  • X
    xbergklauer

    sowie die polizei eine belohnung für die erfassung von tätern ausloben kann,könnte dies auch im hinblick auf steuerstraftäter geschehen.

     

    noch bessre erfolge lasssen sich wie in amerika erzielen,wenn der staat die hinweisgeber an den beitreibbaren hinterzogenen steuer beteiligt.

     

    den schwadroneur hans eichel,der ursachen noch nie bei sich selbst und seinem handeln gesehen hat, zum fachmann auszurufen ,ist wie man liest mutig.er kann auch nür dähhhmlich rumkampetern

     

    im übrigen kann ich als deutscher steuerbürger gesetzestreu jederzeit in jeder steueroase unternehmen begrunden und gewinne solange im einklang mit den dortigen nationalen gesetzen gering oder nicht versteuern,wenn ich diese im unternehmen belasse.dies gilt auch,wenn diese gewinne durch provisions-,lizenz- oder zinzzahlungen meiner bundesdeutschen unternehmen zustrande kommen.

     

    ein erster schritt ,die ernsthaftigkeit eines gerechten steuervollzugs in die wege zu leiten,wäre eine steuerpficht für alle deutschen für ihr welteinkommen unabhängig vom wohnsitz hier im land,angelehnt an die amerikaniscghe praxis

  • BB
    Berthold Böse

    @Ernst von Lehmann:

    Datenschutz ist nur dann eine heilige Kuh wenn es denn richtigen nützt !!

     

    Beispiel:

    Wenn der Vermögende alle seine Einkommen, Konten und Beitz etc. offen legen müsste, hätte er ja keine Möglichkeit mehr Millionenbeträge der Gesellschaft "vorzuenthaltem" (netter Ausdruck für Diebstahl, gell ?) ==> also geht der Datenschutz über Gemeinwohl

     

    Wenn der Hartzer von der Gesellschaft Unterstützung zum Leben benötigt muss er seine gesamten Vermögensverhälnisse offen legen, jedes Konto, jeden Besitz, jeden Spargroschen ... sogar den seiner Kinder. Es kann ja nicht sein dass jemand zu Unrecht einige hundert Euro von der Gesellschaft erschleicht ==> also muss der Datenschutz dem Gemeinwohl weichen

     

    Is doch klar, oder ?

     

    ==> sehr traurig ... 8((

  • JK
    Jörg Krauß

    "Bei voller Steuerehrlichkeit hätten wir wahrscheinlich keine Schulden". Diesen Satz soll sich Hans Eichel auf seinen Grabstein meiseln lassen. Mir erscheint es unerträglich, von jemandem, der an der "großen Deregulierung" incl. Agenda 2010 mitgewirkt hat, solch einen verquirrlten Mist lesen zu dürfen.

    Hoffentlich gehen im September 2013 nur wenig Kreuze den Weg zu dieser für mich unsozialen Partei.

  • S
    Sire

    Ja-ja, die Sozen. Immer für das Gute-Schöne-Gerechte, außer wenn sie selber regieren.

  • ZC
    zusteller chris

    Kommt ganz gut rüber, der Herr Eichel in diesem Interview!

  • EL
    Ernst Lehmann

    In D ist der Datenschutz eine heilige Kuh und völlig überbewertet. Dass es dieser jetzt über das Thema Steuer-CD Stück für Stück an den Kragen geht, finde ich gut. Danke taz für die Mithilfe...

  • VB
    Volker Birk

    “Ich kann nix dafür, ich hab nur den Finanzmarkt dereguliert”, meint Eichel. “Das ist die Schuld der anderen, die da von Union und FDP!”

     

    Unvergessen, wie die Finanzinstitute jubelten, als Lafontaine weg war und Eichel kam.

     

    Als erstes schaffte Hans Eichel die Steuern auf den Verkauf von Aktien und Tochterunternehmen ab und senkte die Unternehmenssteuern. Prompt brach die Körperschaftssteuer zusammen, der Staat musste zurück bezahlen.

     

    Sein nächster Zug war die Deregulierung der Eigenkapitalvorschriften für Kredite. Diese Massnahme hat die Finanzkrise erst möglich gemacht.

     

    Ausser die Seuern für Reiche zu senken und die Regeln für Finanzgeschäfte zu lockern hat Eichel dann noch einen, wenn auch letztlich vergeblichen Versuch gemacht:

     

    Er klagte auf Erhöhung seiner eigenen Pension.