Hannovers Straßenplanung ohne Fahrräder: Autos über alles
In der niedersächsischen Landeshauptstadt soll der viel befahrene Südschnellweg neu gebaut werden. Das wird noch mehr Autoverkehr ermöglichen.
Der Südschnellweg zieht sich über knapp vier Kilometer vom Stadtteil Ricklingen im Westen durch das Landschaftsschutzgebiet Leinemasch bis in den Stadtteil Döhren, wo er mit dem Messeschnellweg kreuzt. Laut der zuständigen niedersächsischen Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr muss der knapp vier Kilometer lange Abschnitt erneuert werden.
Vor allem, weil vier Brücken marode seien. Dabei dränge die Zeit: Aufgrund ihres baulichen Zustandes dürften sie nur noch bis etwa 2023 genutzt werden. Die Kosten werden bislang auf 360 Millionen Euro geschätzt.
„Wir bestreiten nicht, dass am Südschnellweg etwas gemacht werden muss“, sagt auch Ralf Strobach von der hannoverschen Bürgerinitiative Umweltschutz. Allerdings: „Uns stört, dass er in den Dimensionen einer Autobahn ausgebaut werden soll“, sagt Strobach. Bislang ist die Straße rund 14 Meter breit, künftig wären es dann stolze 25 Meter.
„Straßenbaugeist der 50er“
Weil der Abschnitt überregionale Bedeutung habe, solle er „autobahnähnlich“ ausgebaut werden. Das bedeutet: Die Spuren werden breiter, der Mittelstreifen ebenso. Hinzu kommt nun auch noch ein Standstreifen auf beiden Seiten. „Hier weht der Straßenbaugeist der 50er-Jahre“, sagt Strobach.
Mehr als 515.000 private PKW sind in der Region Hannover aktuell zugelassen. Insgesamt gibt es 762.000 Fahrzeuge. Während die Zahl im Umland stark steigt, ist sie in Hannover leicht rückgängig.
Umweltschleuder Fahrzeug: Der Verkehr in der Region verursacht, nach der Wirtschaft und den Privathaushalten, am meisten Treibhausgase. 85 Prozent davon werden auf der Straße verursacht, acht Prozent durch den Bahnverkehr.
Autofrei bis 2030 soll nach Plänen der Grünen Hannovers Innenstadt werden.
Die Bürgerini kritisiert nicht nur, dass deshalb einige Hundert Bäume gefällt werden müssen. „Warum muss der Straßenverkehr ausgerechnet in einem Landschaftsschutzgebiet erheblich verbreitert werden?“, fragt sich Strobach. Die Ini hat deshalb diverse Einwendungen in das Planfeststellungsverfahren eingebracht, die diese Woche diskutiert werden sollen.
Auch Verkehrsforscher*innen kritisieren das Vorhaben, weil es zu mehr Verkehr führen werde. Das sei angesichts der geforderten Verkehrswende nicht nachvollziehbar. Der geplante Umbau beruht auf der Prognose, dass das Verkehrsaufkommen künftig steigen wird. Diese Prognose stammt aus dem Jahr 2016 und zählte für das damalige Vorjahr knapp 44.000 Fahrzeuge, die pro Tag die Straße befuhren. 2030 sollen es 55.000 Fahrzeuge sein – ein Anstieg um mehr als 20 Prozent.
Gerade diesem Anstieg müsse entgegengewirkt werden, sagt der Berliner Mobilitätsforscher Andreas Knie: „Es gilt noch immer der Satz: ‚Wer Straßen sät, erntet Verkehr.‘“ Empirisch habe sich bislang immer bestätigt, dass sich dort, wo die Kapazitäten vergrößert werden, das tatsächliche Aufkommen erhöhe. „Straßen ziehen Verkehr an“, sagt Knie.
Stadtverwaltung: Kein Widerspruch zu Verkehrswende
Laut der Straßenverkehrsbehörde hat der Ausbau den Vorteil, dass die Staugefahr sinkt – was wiederum für Anwohner*innen von Vorteil wäre: „Der Verkehr verlagert sich dadurch auch weniger auf städtische Ausweichrouten.“ Knie hält von dem Argument wenig: „Für die Verkehrswende muss der Straßenverkehr in der Summe verringert werden“, sagt Knie.
Dies gelte besonders für eine Stadt wie Hannover. Das Vorhaben sei hier bemerkenswert, weil die Region eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Autos pro Einwohner*innen hat.
Zudem ist Hannover eine der wenigen Städte, die von einem grünen Bürgermeister regiert wird. Zwar ist die Stadt nicht für die Planung zuständig, dennoch ist es erstaunlich, dass eine von einem Grünen geführte Verwaltung sich nicht am wachsenden Verkehr stört.
Sie sieht überhaupt gar keinen Widerspruch zur Verringerung des Fahrzeugverkehrs: „Die mit dem Ausbau verbundene Erweiterung der möglichen Leistungsfähigkeit hat aus Sicht der Stadt zunächst nichts mit der tatsächlichen Verkehrsbelastung und einer möglichen Verkehrswende vor dem Hintergrund der Klimakrise zu tun“, teilt die Stadtverwaltung auf Nachfrage mit.
Hannover bleibt autogerecht
Aus Sicht der Stadt ist besonders erfreulich, dass auf einer Länge von rund 800 Metern für den Südschnellweg ein Tunnel gebaut wird. Bislang führte er an dieser Stelle auf einer zehn Meter hohen Brücke durch ein viel bewohntes Gebiet.
Wie die Umweltini kritisiert auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) das Projekt. Denn ein begleitender Fahrradweg ist beim Neubau nicht geplant. „Nutzen und Attraktivität eines straßenbegleitenden Radwegs entlang einer viel befahrenen vierstreifigen Bundesstraße ist grundsätzlich zu hinterfragen“, sagt die Straßenbehörde zur Begründung. Das sei mit der Stadt Hannover in Abstimmung entschieden worden.
Zwar mag die Attraktivität tatsächlich gering sein. „Es ist dennoch völlig unzeitgemäß“, sagt auch Mobilitätsforscher Knie. Und dass die Stadt nicht auf die Einbeziehung des Radverkehrs pocht, hält Strobach für mutlos.
Denn der Südschnellweg zieht eine Schneise von einigen Stadtteilen zur Innenstadt. „Wenn die Straße neu gebaut ist, können notwendige Fahrradrouten, die aus den äußeren Stadtteilen in die Stadt führen, gar nicht mehr ausgebaut werden“, sagt Strobach. Der Ausbau des Fahrradverkehrs wäre erschwert. Autogerecht wäre Hannover damit weiterhin.
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