Hannover 96 holt zuhause nur Remis: Hinter den eigenen Idealen

Hannover 96 will mit jungem Team zurück in die Erste Liga. Die sportliche Realität legt das nicht zwingend nahe, etwa beim 0:0 gegen Erzgebirge Aue.

Hendrik Weydandt im roten Trikot streckt das Linke Bein in die Luft, um einen Ball zu erwischen

Viel Anstrengung, zu geringe Resultate: Hendrik Weydandt Foto: Peter Steffen/dpa

HANNOVER taz | Wie hätte sich dieses magere 0:0 wohl vor Tausenden, zum Teil pfeifenden Zuschauern angefühlt? Angesichts der Pandemie-Auflagen musste Hannover 96 am Samstag sein Heimspiel gegen Erzgebirge Aue ohne einen einzigen Zuschauer auf der Tribüne austragen. Entsprechend gespenstisch war die Atmosphäre in der riesigen Arena am Maschsee, die möglichst schnell wieder zur Bühne für Erstklassiges werden soll.

„Wir sind mit unseren Torchancen kläglich umgegangen. Aber man darf auch nicht vergessen: Wir sind eine junge Mannschaft“, sagte Hannovers Cheftrainer Kenan Kocak. Er ist bei 96 für die Quadratur des Kreises zuständig – nämlich für das Vorhaben, mit einer stark veränderten Mannschaft die Rückkehr in die 1. Fußball-Bundesliga zu schaffen.

Viele gewohnte und bekannte Namen waren in Hannover nicht mehr erwünscht. Von Torhüter Ron-Robert Zieler und Innenverteidiger Waldemar Anton über Mittelfeldspieler Edgar Prib bis hin zu Kapitän Marvin Bakalorz: Es war schon überraschend, wie grundlegend der Spielerkader eines chronisch unruhigen Vereins zuletzt verändert worden ist und wie viele etablierte Profis gehen mussten.

Dabei war es eigentlich keine schlechte Idee, sich nach turbulenten Jahren und zwei Abstiegen grundlegend neu zu sortieren. Kocak ist seit mittlerweile einem Jahr im Amt. Er überzeugt als fleißiger und penibler Vordenker. Sein bisher größter Verdienst dürfte sein, dass er es lange Zeit geschafft hat, für Ruhe zu sorgen – in seinem Team, in den Medien und bei Martin Kind, dem in Hannover alles entscheidenden Mäzen und mehrfachen Geschäftsführer.

Kein zwangsläufiger Aufstieg

Der Blick auf die Tabelle lässt jedoch erahnen, dass es nicht mehr lange so ruhig bleiben kann. Zwar gehört Hannover 96 zu den heimstärksten Mannschaften der Liga. Daran kann auch das enttäuschende Remis gegen Aue nichts ändern. Dennoch stehen die Niedersachsen in der Gesamtabrechnung bisher nicht wie ein Verein da, der zwangsläufig für den Aufstieg infrage kommt.

Kind hatte sich zuletzt nach längerem Schweigen mit der Forderung zurückgemeldet, dass die Partien gegen Aue und bei den Würzburger Kickers am 22. November unbedingt gewonnen werden müssen. Der ungeduldigen Mathematik des Martin Kind steht aber wie so häufig die sportliche Realität im Weg.

„Es tut uns leid, dass wir der Forderung nicht gerecht geworden sind“, sagte Kocak am Samstag. Er sah sehr unglücklich aus, weil ihm klar sein dürfte, dass Kind mit ihm noch einmal genau nachrechnen möchte, wo Hannover 96 eigentlich gerade steht.

Im Grunde ist es fürchterlich ungerecht, von einer komplett umgekrempelten Mannschaft zu erwarten, dass sie nach dem Abstieg 2019 innerhalb kürzester Zeit für neue Heldentaten taugt. Kocak und Sportdirektor Gerhard Zuber haben sich für viele neue Spieler entschieden, die entweder mit überschaubaren Kosten verbunden sind oder die ein hohes Entwicklungspotenzial mit nach Hannover gebracht haben.

Einen Routinier wie Mike Frantz (SC Freiburg), einen smarten Verteidiger wie den Schweden Niklas Hult (AEK Athen) oder den schnellen Außenspieler Kingsley Schindler (1. FC Köln) verpflichtet zu haben, war schlau. Hannover 96 hat nicht, wie es Kocak formuliert, eine junge, sondern eine vor Kurzem neu zusammengestellte Mannschaft. Dass die sich erst finden und zusammenwachsen muss, ist normal. Ob Kind und das Umfeld die dafür nötige Geduld aufbringen, bleibt fraglich.

Begrenzte Torgefahr

Auffällig ist, dass im neuen 96-Team sehr viel Potenzial und begrenzte Torgefahr stecken. Gegen Aue durfte sich der vom heimischen Amateurspieler zum Profi aufgestiegene Hendrik Weydandt mit Marvin Ducksch als Sturmduo versuchen. Um es vorsichtig zu formulieren: Einer von beiden wird sich noch ein paar Tage lang vorhalten, das Unternehmen Wiederaufstieg torpediert zu haben.

„Wir sind mit unseren Torchancen fahrlässig umgegangen“, sagte Kocak. Im Fall von Ducksch, der alleine vier bis fünf Tore hätte erzielen können, fiel die Vokabel „versemmelt“. Der Spieler hat unfreiwillig dazu beigetragen, dass sein Trainer gegenüber Kind in Erklärungsnot gerät. Im Grunde ist bei der Fußballfirma Hannover 96, deren Ego und Finanzen einen Wiederaufstieg unbedingt erforderlich machen, also doch alles wie immer.

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