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Hanf-Legalisierung in DeutschlandGibt der Bundestag das Gras frei?

Das Parlament debattiert über die Legalisierung von Cannabis. Viele sind für eine Entkriminalisierung der „Droge“ – auch die Polizei.

Am Morgen ein Joint … könnte bald legal werden Foto: dpa

Berlin taz | In der nächsten Sitzungswoche wird sie im Bundestag debattiert: die Hanf-Legalisierung. „Cannabis muss entkriminalisiert werden“, sagt der FDP-Abgeordnete Wieland Schinnenburg. „Die repressive Drogenpolitik ist in diesem Punkt gescheitert.“ In einem Antrag fordert seine Fraktion, Modellprojekte zu ermöglichen, in denen Cannabis kontrolliert ausgegeben wird. Damit könne die Suchtprävention verbessert werden und sich die Polizei auf echte Kriminalität konzentrieren.

Linke und Grüne unterstützen das Ansinnen. „Alles ist richtig, was dieses absurde Verbot beendet“, sagt der Linken-Abgeordnete Niema Movassat. Es sei nicht zu erklären, warum Alkohol erlaubt sei, das keineswegs gefährlichere Cannabis aber nicht. Die Grüne Kirsten Kappert-Gonther bekräftigt: „Wir müssen endlich aufhören mit dieser auf ganzer Linie gescheiterten Prohibition.“

Beide Fraktionen gehen noch weiter als die FDP. So fordert die Linke, eine Cannabis-Besitzmenge von bis zu 15 Gramm straffrei zu stellen. Die Grünen wollen im Bundestag einen Antrag auf ein neues Cannabiskontrollgesetz einbringen. Das Hanf soll aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen, ein kontrollierter legaler Markt für Cannabis eröffnet werden. „Der Staat könnte so die gesamte Handelskette regulieren, statt alles dem Schwarzmarkt zu überlassen“, so Kappert-Gonther. So wäre der Schutz vor Missbrauch viel wirksamer.

Schützenhilfe kommt inzwischen auch von der Polizei. „Das derzeitige Cannabis-Verbot ist nicht zielführend“, sagte am Montag André Schulz, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der taz. Sein Verband fordere deshalb die komplette Entkriminalisierung der Konsumenten.

Hilfsangebote sind sinnvoller als das Strafrecht

„Bei Cannabis-Missbrauch spricht einiges dafür, dass Hilfsangebote sinnvoller sind als das Strafrecht“, sagte Schulz. Durch Ermittlungen gegen Konsumenten würden bei der Polizei viele Ressourcen gebunden und Betroffene oft erst zu kriminellen Karrieren gedrängt. Auch sei das Cannabis-Verbot „historisch willkürlich“. „Wir sollten da ideologiefrei neue Wege diskutieren.“

In einer Petition erklärten bereits vor Jahren mehr als 130 StrafrechtsprofessorInnen die Drogenprohibition für „gescheitert, sozialschädlich und unökonomisch“. Die repressive Politik verhindere keinen Missbrauch, sondern fördere die organisierte Kriminalität und den Schwarzmarkt. Es brauche eine Neuüberprüfung der Gesetzeslage.

Laut Bundesregierung konsumieren rund 1,2 Millionen Deutschen Cannabis „monatlich oder häufiger“. Die Polizei beschäftigte sich laut Kriminalstatistik 2016 in 183.000 Fällen mit Cannabis-Delikten, 14.000 mehr als im Vorjahr. Die Regierung lehnt die Legalisierung ab: Gerade bei Jugendlichen bestünden Gesundheitsgefahren, Dauerkonsum könne zu „ernsthaften psychischen Beeinträchtigungen“ führen.

Zuletzt hatten die Stadt Münster und der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg Modellversuche für eine Cannabis-Abgabe beantragt. Beide wurden vom zuständigen Bundesinstitut abgelehnt: Zur Verhinderung von Missbrauch seien sie ungeeignet.

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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Es wäre wirklich schön, aber auch ein Wunder, wenn bei dieser Debatte wenigstens ein heller Funken Hoffnung herauskommt.

     

    Mit der CDU an der Spitze und Mortler als Drogenbeauftragte, ist aber kaum an deutliche Veränderungen in der deutschen Drogenpolitik zu glauben.

     

    Am Ende wird wieder gesagt, dass es in unserem Land wichtigeres gibt ... und bzgl. all dem Wichtigerem, wird sich innerhalb der Legislaturperjode dann wieder einmal auch nichts tun.

     

    P.S.: Ohne Joint am Morgen, bereitet Pessimismus die Sorgen.

  • KÖSTLICH...

    ausgerechnet jene gruppe von verfolgern, die jahrelang ihre personalplanung an der kriminalisierung der droge abarbeiteten, entdecken nach 50 jahren, dass die gesellschaft doch - ohne kriminalisierung - mit der droge leben kann. 30 % weniger knastbrüder, verluste der pharmaindustrie, ganze ärzteschaften melden konkurs an, preisverfall am drogenmarkt - na, kokser, merkt ihr was: der kapitalismus braucht die kriminalisierung, um den markt zu wahren, und die gesellschaft die droge, um ihre abschätzigkeit der konsumenten leben zu können...nichts als heisse luft.

  • Unter dem Aspekt, das Dauerkonsum von Alkohol zu schweren seelischen und körperlichen Schäden für, muss Alkohol sofort verboten werden!

    Alles Andere würde diese Argumetation in Bezug auf Cannabis als zweckbezogene Lüge entlarven!

  • Der Neoliberale Ellenbogenkrieger zum Thema:

     

    Besitz, Konsum, Produktion, Handel und Verherrlichung von Hanfdrogen müssen viel härter als jemals zuvor bestraft werden (wie überhaupt »Härte« in jeder Hinsicht das Schlüsselwort zur Sicherung des STANDORTES DEUTSCHLAND ist!). Hanf, das weiß doch mittlerweile wirklich jeder, ist eine linksgrüne Gutmenschendroge, die nicht nur debil und psychotisch, sondern außerdem arbeitsscheu, linksradikal, langhaarig, bärtig und vor allem aus letzterem Grund außerdem anfällig für Islamisierung macht! Im immer härter werdenden internationalen Wettbewerb, in dem jeder einzelne Mensch in diesem Lande von der Wiege bis zur Bahre steht, können wir uns derartige Dekadenz nicht leisten - in chinesischen Laogai-Fabriken wird schließlich auch nicht gekifft!

     

    Sehr wohl nachgedacht sollte dagegen über eine umfassende Legalisierung leistungssteigernder Drogen wie etwa Amphetamin (vulgo »Speed«), Methamphetamin und vor allem Kokain - längst nicht mehr nur im Silicon Valley hat sich herumgesprochen, dass nur regelmäßige Aufnahme von Kokain gleichbleibend hohe Performanz bei geistig fordernden Tätigkeiten garantiert! Es ist ein Verbrechen am STANDORT DEUTSCHLAND, unseren Leistungsträgern aus gutmenschlicher Gesundheitshysterie heraus diese einzigartige Ressource weiterhin vorzuenthalten!

     

    Es gibt nichts Großartigeres, als nach einer üppigen Linie kolumbianischen Hochleistungspulvers zu Wagners Walkürenritt in der Stereoanlage im Bugatti Veyron mit 450 km/h deutsche Autobahnen entlangzudonnern - ohne sich um die Hypermoralneurosen linksgrüngutmenschlicher Bedenkenträger Gedanken machen zu müssen!

     

    KRAFT DURCH KOKS - ALLES FÜR DEN STANDORT DEUTSCHLAND!

    • @Yadgar:

      Endlich ein vernünftiger Kommentar !

      Mit solchen Leuten wie Ihnen (und mir) wird Deutschland endlich wieder an die Spitze zurückkehren.

      Ich freu mich.

      Und das ist erst der Anfang

      • 4G
        42711 (Profil gelöscht)
        @down:

        YADGAR FOR PRESIDENT!!!

  • vielleicht sollte man den konservativen mittenextremisten mal verklickern, dass cannabis revolutionäre tendenzen schwächt, dann ziehen die bestimmt sofort mit...

    • 4G
      42711 (Profil gelöscht)
      @Gnarv:

      Dem Gedanken kann ich zustimmen, nur sehe ich dem gegenüber stehen, dass der Geldfluss aus der Pharma-Industrie dann etwas bescheidener ausfallen könnte.

      Also müsste das evtl. der/die eine oder andere PolitikerIn mal durchrechnen. Dass das auch wirtschaftskonform bleibt. Über die Drogenbeauftragte der CSU, M. Mortler, war zu lesen, dass sie, obwohl ganz offensichtlich absolut ahnungslos bzgl. der Materie, sich vehement gegen die Legalisierung aufbäumt. Aber damit, dass sie laut demselben Artikel eine Hopfenfarm unterhält, hat das ja bestimmt nichts zu tun. Sowieso hat das ganz sicher nichts damit zu tun, dass speziell die Alkohollobby mächtig im Reichstag interveniert. Gegen die Legalisierung, versteht sich.

      Ich wundere mich über Cannabis-Obergrenzendabatten, so etwa 10 gr.? 20 gr? Darf es etwas mehr sein? Was soll das? Wenn Legalisierung, dann richtig, und nicht wieder deutschtypisch mit vielem Wenn & Aber. Ich darf auch ein Fass Schnaps zuhause lagern, oder?

    • @Gnarv:

      Das wird schwer funktionieren, weil Leute die passiv und glücklich rumsitzen ja nicht konsumieren. Alleine die Verluste in der Pharmaindustrie durch teurere Medikamente...

       

      Das kann man als Neocon nicht akzeptieren!