Hamburgs Polizeichef entschuldigt sich: Am Ende doch noch Buße
Beim G20-Gipfel wurde dem Journalisten Adil Yiğit die Akkreditierung entzogen. Drei Jahre später räumt Hamburgs Polizeipräsident Fehler ein.
Yiğit war einer von mindestens zehn Journalist*innen, denen zunächst der Zutritt zum „Internationalen Mediencenter“ in den Hamburger Messehallen gewährt, dann aber wieder entzogen worden war. Ende 2017 hatte sich bereits das Bundeskriminalamt (BKA) bei Yiğit in knappen Worten entschuldigt, die Schuld für den Vorfall aber der Hamburger Polizei zugeschoben.
Diese habe zwei Listen mit Personen, gegen die das BKA Sicherheitsbedenken hatte, vertauscht. Denn auf der sogenannten „Negativ-Liste“ mit den Namen von 32 Journalist*innen, tauchte Yiğits Name gar nicht auf. Bei diesen Medienvertreter*innen waren dem Bundespresseamt während des Gipfels plötzlich Sicherheitsbedenken gekommen, sodass nach Absprache mit dem BKA ihre Akkreditierungen wieder kassiert werden sollten – was nicht in allen Fällen gelang.
Diese Verwechslung soll dann dazu geführt habe, dass Yiğit, der unter anderem für die taz schreibt und die regierungskritische türkische Website „Arupa Postasi“ verantwortet, seine Akkreditierung verlor und nicht vom Gipfelgeschehen berichten konnte.
„Fehlerhafte Umsetzung vermeintlicher Entscheidungen“
„Diese Einziehung Ihres ‚Ausweises‘ war unberechtigt“, stellt Meyer jetzt klar. Weiter heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt: „Es handelte sich dabei um eine fehlerhafte Umsetzung von vermeintlichen Entscheidungen des Bundespresseamtes.“
Da diese „fehlerhafte Umsetzung“ auf Seiten der „unter Leitung der Polizei Hamburg tätigen Einsatzkräfte“ passiert sei, habe „die Polizei Hamburg somit den unberechtigten Entzug ihrer Akkreditierungskarte mitverursacht“, schreibt Meyer umständlich und fügt hinzu: „Da (...) ich in der Verantwortung für das Handeln der Polizei Hamburg stehe, bitte ich Sie um Entschuldigung für das unbeabsichtigte Fehlverhalten der eingesetzten Polizeibediensteten.“
Da ihm klar sei, schreibt Meyer weiter, dass „Ihre berufliche Tätigkeit in einer Weise eingeschränkt wurde, die bei einem Journalisten zu Verdienstausfällen führt“, bietet Meyer zudem einen finanziellen Ausgleich in nicht bezifferter Höhe an. Die förmliche Entschuldigung, die Übernahme des Verdienstverlustes und der entstandenen Verfahrenskosten sind die Eckpfeiler eines außergerichtlichen Vergleichs, den die Hansestadt Hamburg mit dem türkischstämmigen Journalisten anstrebt.
Yiğit hatte – da nicht klar war, wer den Entzug der Akkreditierung zu verantworten hatte – vor dem Berliner Verwaltungsgericht zunächst gegen die Bundesrepublik Deutschland geklagt. Während des Verfahrens hatte die Hamburger Innenbehörde, der auch die Polizei untersteht, deutlich gemacht, dass sie einen Prozess gern vermeiden und sich außergerichtlich mit Yiğit einigen will.
Die Entschuldigung kommt spät
Insgesamt hatten neben Yiğit acht weitere Journalist*innen vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen den Entzug ihrer bereits erteilten Gipfel-Akkreditierungen geklagt. Sie alle waren, anders als Yiğit, auf der Negativ-Liste der 32 Unerwünschten gelandet. Im November war das erste Urteil ergangen: Das Gericht erklärte den Entzug der Akkreditierungen für den Hannoveraner Fotojournalisten Rafael Heygster und den freien Autoren Sebastian Friedrich für rechtswidrig. Die Gewerkschaft Verdi sprach in diesem Zusammenhang von einem „wichtigen Erfolg für die Pressefreiheit“.
Für Yiğit ist die offizielle Entschuldigung des Hamburger Polizeipräsidenten, die er von diesem verlangt hatte, „okay, auch wenn sie erst sehr spät, nach über drei Jahren erfolgt ist“. Wichtiger sei ihm aber, was die Polizei und das Bundespresseamt unternehme, „damit sich so ein Vorfall nicht wiederholen kann“.
Der offiziellen Version, er sei das Opfer einer Verwechslung zweier Listen geworden, mag der Erdoğan-Gegner bis heute nicht glauben. Er mutmaßt, dass der türkische Geheimdienst seine Finger im Spiel hatte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Scholz bezeichnet russischen Raketeneinsatz als „furchtbare Eskalation“