Hamburgs Linke fordert Taubensteuer: Plustern ist nicht Fliegen
Hamburgs Tauben geht es schlecht. Der Senat wäre verpflichtet, etwas zu tun. Statt ihn dazu aufzufordern, lenkt Die Linke davon per Quatschantrag ab.
W as ist schlechter als einfach nur schlechte Politik? Schlechte Politik, die gute, also relevante Themen in die Grütze reitet, also beispielsweise indem man eine Maßnahme als Lösung für ein Problem fordert, die nicht nur auf die Falschen zielt, sondern die obendrein auch das Legalitätsprinzip verletzt. Eine Lösung also, die keine Aussicht auf Realisierung hätte, weil es sie nicht geben darf. Die aber auch das eigentliche Thema komplett verfehlt. Wie das geht, führt mustergültig die Hamburger Linksfraktion in Sachen Stadttauben vor.
Denn ja, Hamburgs Tauben haben ein ernstes Problem mit ihrer Stadt. Wahrscheinlich geht es nirgends in Deutschland den verwilderten Nachkommen der geflüchteten Haustauben – Rassetauben, Sporttauben, Brieftauben und was es sonst noch so gibt – schlechter als dort. Eigentlich verzichtet ja keine Stadt, die etwas auf sich hält und Tierschutz als Staatsziel ernst nimmt, auf eine angemessene Menge an Taubenschlägen.
Die sind nicht nur sinnvoll, um die Verunreinigungen einzudämmen – die nerven, wie alle wissen, bei denen schon mal Tauben auf Balkon oder Fensterbank genistet haben. Sie sind zudem die einzige Möglichkeit, tierschutzgerecht die Population einzudämmen sowie den Ernährungs- und Gesundheitszustand der Vögel im Blick zu behalten.
Der Tierschutzverein Hamburg hat diese Pflichtverletzung seitens der Verwaltung dokumentiert und moniert. Auch hat er ein juristisches Gutachten aus Berlin in die Hamburger Debatte eingebracht, das sehr schlüssig belegt, dass Hamburgs Unterlassen rechtswidrig ist. Mahnwachen und Ähnliches veranstaltet er auch.
Warum klagt der Tierschutzverein nicht?
Warum der Verein trotzdem, als einzig klageberechtigte Körperschaft, darauf verzichtet, die durch Unterlassen Schuldige an der Misere, also Justiz- und Tierschutzsenatorin Anna Gallina (Grüne) vor den Kadi zu zitieren – wir wissen es nicht. Hat man das Tierschutz-Verbandsklagerecht denn vor zehn Jahren nur erkämpft, um es zu haben, nicht um es endlich auch einmal zu nutzen?
Aber wirklich blöde und kontraproduktiv ist, wie gesagt, aufs reale Problem mit Quatschvorschlägen zu reagieren. Und das genau tut die Linksfraktion. Einerseits, indem sie auf die Halter*innen zielt, statt auf die Verwaltung, also auf die Regierten statt auf die Regierung. Und andererseits, indem sie von der nur verlangt, „auf Landesebene zu prüfen, eine Steuer auf das Haltung und Züchten von Tauben zu erheben“. Um, wie es im Antrag weiter heißt, „die Einnahmen dieser Tauben-Steuer zweckgebunden dem Taubenschutz zukommen zu lassen“.
Für den Bericht zur Prüfung lässt die Linke dem Senat Zeit bis 31. Dezember. Die taz kann die Kernaussage jetzt schon liefern: Da nach Paragraf 3 Absatz 1 der Abgabenordnung in Deutschland Steuern nicht zweckgebunden sind, ist das Ergebnis der Prüfung negativ ausgefallen. Klappe zu. Und Tauben verenden weiter elendiglich.
Aber selbst wenn man eine große Taubenhaltungsbürokratie hätte einführen und eine Taubenhaltungsgebühr erheben können – was möglicherweise die Aussetzung von Tieren durch zahlungsunwillige Halter*innen nach sich gezogen hätte – wäre das Projekt an der Sache vorbeigegangen. Die Einnahmen zu steigern ist nämlich eine Antwort auf Geldmangel, der ja gar nicht vorliegt. Es ist aber keine Antwort aufs bräsige und offenkundig rechtswidrige Nichtstun, das Hamburgs Verwaltung sich im Hinblick auf die geplagten Tauben leistet.
Das Land ist nicht zu arm, die notwendigen baulichen und tierschützerischen Maßnahmen zu ergreifen, die Bezirke dazu zu ermutigen, oder die Einrichtung von Taubenschlägen durch Private zu fördern. Hamburg könnte aus dem Haushalt heraus locker ein professionelles Taubenmonitoring und Taubenmanagement bestreiten. Das wäre ihre Pflicht. An die würde eine politikfähige Opposition die versagende Landesregierung erinnern. Stattdessen hilft die Linke dem Senat, sie zu vergessen. Zum Ärger vieler Bürger*innen. Und zum Leidwesen der Tauben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“