: Hamburgs Grüne ticken. Anders?
Nach dem Bundesparteitag: Jetzt soll wenigstens die GAL die Doppelspitze sowie die Trennung von Amt und Mandat abschaffen ■ Von Sven-Michael Veit
Peter Schaar ist frohgemut: „Ich gehe davon aus, dass es in der GAL eine Zwei-Drittel-Mehrheit für eine Strukturreform geben wird“, verkündete gestern der Landesvorstandssprecher der Hamburger Grünen. Der Abschied von Essentials aus der Frühzeit der Partei mit der Sonnenblume – Doppelspitze in der Parteiführung und Trennung von Amt und Mandat – werde auf der Mitgliederversammlung (MV) am 9. April von der Basis beschlossen werden. hofft der Realo.
Die Niederlage der Strukturreformer auf dem Bundesparteitag in Karlsruhe am Wochenende deutet Schaar zwar als „Enttäuschung“. Dennoch sei sie ein weiterer „Ansporn für noch mehr Bewegung in Hamburg“. Denn die GAL, so meint er, „tickt anders“ als die Grünen im Bund, da die meisten Linken vor einem Dreivierteljahr zum Regenbogen gingen.
Ein Linker, der noch in der GAL ist und zudem als Schatzmeister im Landesvorstand sitzt, sieht das völlig anders: „Die Gewaltenteilung als Grundprinzip“ der Gesellschaft wie der grünen Partei, findet Carsten Kuhlmann, dürfe „nicht an Effizienzfragen gemessen werden“. Die Argumentation derer, die sich um Schaar scharen, hält er „für technokratisch“. Es sei „bislang zu keiner Debatte über inhaltliche Fragen gekommen“, moniert Kuhlmann, sondern nur darüber, „wie was auch immer besser funktionieren könnte“. Das zeige sich vor allem in dem Vorschlag, den eine vierköpfige Strukturkommission des Landesvorstandes für die MV vorgelegt hat.
Darin wird empfohlen, den Vorstand von elf auf sieben Mitglieder zu verkleinern, statt zweier gleichberechtigter ParteisprecherInnen künftig ChefIn und StellvertreterIn zu wählen sowie die Trennung zwischen Parteiamt und Mandat in Parlament oder Regierung aufzuheben. Das alles solle, so die Hoffnung der Kommission, für mehr Effektivität und Professionalität in der Parteiführung sorgen.
Schön und gut, meint die linke Fraktionschefin in der Bürgerschaft, Antje Möller. Wichtiger findet sie aber, „das Gewicht des Parteivorstandes zu stärken“ gegenüber grünen Abgeordneten und SenatorInnen. „Parteisprecher sind unabhängiger als Mandatsträger in einer Regierungskoalition“, begründet Möller ihr Festhalten an der Trennung von Amt und Mandat. Diesen Vorteil sollte die GAL nicht aus der Hand geben.
Kuhlmann kann sich vorstellen, dass auf der Landesvorstandsitzung heute abend „neue Signale“ kommen. Denn die Realos, so seine Einschätzung, „sind in Karlsruhe ja alles andere als gestärkt worden“. Schaar hingegen sieht „keine Möglichkeit für Kompromisse“. Diese Chance hätten „die Gegner jeglicher Aufweichung der alten Strukturen“ durch ihre harte Haltung vertan. Womit er, der keine Namen nennen möchte, in erster Linie seine urlaubende Co-Chefin Kordula Leites sowie Möller und Kuhlmann meinen dürfte.
Was letzteren nicht aus der Ruhe bringt: „Die Kungeleien“, so seine Prognose im Hinblick auf die MV, „beginnen doch jetzt erst richtig.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen