Hamburgs CO2-Bilanz 2019: Rückgang dank Strommix
Hamburg hat seinen CO2-Ausstoß 2019 gegenüber 2018 reduziert. Die Industrie feiert sich als „Klimaschutz-Macher“, hat aber kaum etwas beigetragen.
![Abluft steigt aus den Schornsteinen des Kohlekraftwerks Moorburg hinter einem Windrad in den Himmel. Abluft steigt aus den Schornsteinen des Kohlekraftwerks Moorburg hinter einem Windrad in den Himmel.](https://taz.de/picture/5246719/14/228850284-1.jpeg)
Der Umweltverband BUND bewertet die Bilanz als relativ schwach. In wesentlichen Bereichen liege Hamburg deutlich hinter den Einsparzielen. Die Emissionsminderung gehe weitgehend auf Verbesserungen im bundesdeutschen Strommix zurück. „Insgesamt sehen wir einen tatsächlichen CO2-Rückgang von ein bis zwei Prozent“, sagt Pressesprecher Paul Schmid. Das sei zu wenig, gerade da die ersten Einsparungen am leichtesten zu erreichen seien, während die späteren mit systemischen Veränderungen verbunden seien.
Ähnlich schätzt auch der Hamburger Klimabeirat, der den Senat als unabhängiges wissenschaftliches Gremium berät, die Daten ein. „Hamburg muss seine Anstrengungen beim Klimaschutz deutlich verstärken, die bisherigen CO2-Einsparungen reichen nicht aus“, erklärt die Vorsitzende Daniela Jacob.
Fakt ist: Hamburg hat die Emissionen gegenüber 1990 um rund 27 Prozent reduziert. Damit wird die Stadt das ursprüngliche Ziel von 2013, die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu reduzieren, voraussichtlich verfehlt haben. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Bilanz um Daten von 2019 handelt. Erst am Ende des Jahres verabschiedete die Bürgerschaft damals den Klimaplan und das Klimaschutzgesetz. Wo Hamburg in Bezug auf das aktuelle Zwischenziel steht, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, soll alle zwei Jahre beurteilt werden – erstmals im kommenden Jahr.
Matthias Boxberger, Industrieverband Hamburg
Die Ziele und Maßnahmen werden dabei derzeit überarbeitet, nachdem sich SPD und Grüne nach koalitionsinternem Streit auf stärkere Anstrengungen im Klimaschutz geeinigt hatten. Daher betont Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) in Bezug auf die Erkenntnisse aus der Bilanz: „Wir haben uns im Senat auf mindestens 65 Prozent CO2-Einsparung bis 2030 geeinigt und setzen alles daran, dies zu erreichen beziehungsweise zu übertreffen.“ Alles in allem zeige sich, dass viele Maßnahmen ineinandergreifen müssten, um diese Ziele zu erreichen.
Das Statistikamt unterscheidet in der CO2-Bilanz verschiedene Sektoren. Wie unterschiedlich die Daten dabei interpretiert werden, verdeutlicht die Diskussion um die Emissionen der Hamburger Industrie. Sie hat ihre Emissionen innerhalb des einen Jahres um 10,5 Prozent reduziert.
Der Vorstandsvorsitzende des Industrieverbandes Hamburg, Matthias Boxberger, zeigt sich stolz angesichts des „signifikanten Beitrags“ der Industriebetriebe zum Erreichen der Klimaschutzziele: „Jetzt haben wir es schwarz auf weiß: Während andere noch demonstrieren und fordern, macht die Industrie ihren Teil der Hausaufgaben in Sachen Klimaschutz.“
Ganz anders sieht es naturgemäß der BUND: „Dieser Rückgang beruht zum allergrößten Teil auf dem wachsenden Anteil von Solarenergie und Windstrom im deutschen Strommix.“ Die Hamburger Industrie habe dazu keinen nennenswerten Beitrag geleistet und ihren Primärenergieverbrauch lediglich um etwa 1,3 Prozent reduziert.
Auf taz-Nachfrage bestätigt die zuständige Behörde für Innovation und Wirtschaft die Kritik des Umweltverbandes: Es sei „richtig, dass der Rückgang der CO2-Zahlen zu einem guten Teil auch auf den veränderten Bundesstrommix zurückzuführen ist“.
Der Strommix soll in Hamburg aber tatsächlich einen wichtigen Beitrag leisten, wie ein Blick auf die Hamburger Klimaziele zeigt. Im Dezember 2019 hat die Stadt Hamburg mit dem neuen Klimaplan und dem neuen Klimaschutzgesetz neben Klimaschutzzielen für Hamburg allgemein auch für die einzelnen Sektoren konkrete Ziele zur Reduktion von Emissionen festgelegt. Dabei wurde berücksichtigt, wie viel CO2 durch den Energiemix eingespart werden könnte.
Die Industrie muss demnach bis 2030 lediglich gut ein Drittel der Einsparungen durch spezifische Maßnahmen erreichen, der Rest soll über Einsparungen durch den Energiemix geschehen. Dennoch wirkt es unpassend, dass sich der Industrieverband nun bei einer Reduktion um lediglich 1,3 Prozent als „Klimaschutz-Macher“ feiert.
Während der Bilanz zufolge auch die Emissionen im zweiten Sektor rund um Haushalte, Handel, Dienstleistungen und Kleingewerbe um 10,7 Prozent zurückgingen, bleibt – ähnlich wie auf Bundesebene – der Verkehr das Sorgenkind: Als einziger Bereich stiegen die Emissionen dort sogar leicht an.
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