Hamburger Wohnungsbau tief in der Krise: Ziele in weiter Ferne
Angesichts der hohen Nachfrage werden viel zu wenige Wohnungen in Hamburg gebaut. Die Politik versucht auf verschiedenen Wegen gegenzusteuern.
Nach den neuesten Zahlen des Statistikamtes Nord sind 2023 in Hamburg 35 Prozent weniger Wohnungen fertiggebaut worden als noch im Jahr davor – so wenige wie seit 2012 nicht mehr. Der Rückgang zeigt die Grenzen eines Erfolgsmodells – des 2011 zwischen den Behörden und den einschlägigen Verbänden geschlossenen Bündnisses für das Wohnen.
10.000 Wohnungen pro Jahr sollten in der Hansestadt gebaut werden, um des Zuzuges Herr zu werden. Die Zahlen sind nach Abschluss des Bündnisses fast kontinuierlich gestiegen; erreicht oder übertroffen wurde das Ziel nur in den Jahren 2018 bis 2020. Inzwischen ist jedoch auch die Zahl der Baugenehmigungen zurückgegangen.
Der Bundesverband der Freien Wohnungsunternehmen (BFW) Nord präsentierte am Donnerstag Zahlen seiner Mitgliedsunternehmen. Diese haben 2023 drastisch weniger Bauten begonnen als 2022 und die Zahlen gehen weiter zurück. Ähnliches gilt für die geplanten Baubeginne. „Was heute geplant wird, ist erst in zwei bis drei Jahren fertig“, sagte der Vorstandsvorsitzende des BFW Nord, Kay Brahmst. „Das ist eine Katastrophe für Hamburg und andere Ballungsräume.“
Ähnlich verhalten ist die Stimmung bei den gemeinwohlorientierten Wohnungsunternehmen, also den Genossenschaften und kommunalen Unternehmen. Keine 30 Prozent von ihnen planen in diesem Jahr, mit dem Bau von Wohnungen zu beginnen, knapp 60 Prozent werden es sicher nicht tun.
Als drängendstes Problem schildern die Unternehmen die hohen Baupreise – ein Problem, das die Bauwirtschaft selbst mit verursacht hat, indem sie die Baustandards immer weiter in die Höhe schraubte. Um davon wieder herunterzukommen, hat der Senat gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft einen „Hamburg-Standard“ vereinbart. Ein in die gleiche Richtung gehender Vorstoß der Ampel-Koalition auf Bundesebene war am vorzeitigen Ende der Legislaturperiode gescheitert.
Der Hamburg-Standard soll die Baukosten um ein Drittel senken: zum Ersten durch Verzicht auf unnötigen Komfort wie Trittschalldämmung auf Balkonen, zum Zweiten durch optimierte Planung, zum Dritten durch schnellere Genehmigungs- und Planungsverfahren der öffentlichen Hand. In diesem Zusammenhang hat der Senat auch eine Novellierung der Hamburgischen Bauordnung angeschoben.
Brahmst bezeichnete den Hamburg-Standard als einen „guten Weg“. Auch würde er das Bündnis für den Wohnungsbau gern fortsetzen, allerdings „nicht um jeden Preis“. Dazu gehöre die Forderung der Grünen, bei Neubauprojekten 50 statt 30 Prozent geförderten Wohnungsbau vorzuschreiben.
Das Bündnis für das Wohnen bewertet auf Nachfrage des BFW nur die Linke kritisch, weil dabei zu wenig günstige Wohnungen gebaut worden seien. Mit Blick auf den Wohnungsbestand wollen die drei großen Hamburger Parteien – SPD, Grüne, CDU – die Mietpreisbremse verlängern, die Mieterhöhungen bei Neuvermietungen begrenzt.
Die FDP setzt dagegen auf eine Ausweitung des Angebots, die Linke auf einen fixen Mietendeckel, den die andern Parteien ablehnen. Während die großen Parteien das Wohneigentum von Familien fördern wollen, verbietet sich für die Linke die Ausweisung neuer Eigenheimgebiete. Sie fordert, den Überschuss der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Saga zur Senkung der Mieten zu verwenden.
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