Hamburger Verkehrspolitik: Streit um den rechten Radweg
Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) präsentiert eine Rekordbilanz beim Radwegeausbau. Die CDU kritisiert das als Mogelpackung.
Der Radverkehr spielt eine große Rolle bei den Plänen der rot-grünen Koalition für die Verkehrswende und damit auch für den Klimaschutz. Bis 2030 sollen die Hamburger 80 Prozent im sogenannten Umweltverbund zurücklegen, also entweder zu Fuß, mit dem Rad oder mit Bus und Bahn.
Der Anteil des Fahrradverkehrs soll dafür von 15 auf 30 Prozent gesteigert werden. Im vergangenen Jahr hat Hamburg dabei einen großen Sprung gemacht: An den 38 Fahrradpegeln sind ein Drittel mehr Radler als im Vorjahr gezählt worden.
Das mag auch daran liegen, dass die Infrastruktur kräftig ausgebaut wurde. 62 Kilometer Radwege hat die Stadt 2020 neu gebaut oder saniert – 63 Prozent mehr als im Vorjahr. Die bisherige Höchstmarke lag bei 43 Kilometern und stammte aus dem Jahr 2016. 60 bis 80 Kilometer hat sich der rot-grüne Senat zum Ziel gesetzt.
CDU kritisiert Provisorien
Der CDUler Seelmaecker wirft Verkehrssenator Anjes Tjarks (Die Grünen) vor, um schöner Schlagzeilen willen mit „durchschaubaren Statistik-Tricks“ zu arbeiten. Denn rund die Hälfte der Baumaßnahmen bezog sich auf Radfahrstreifen und nur ein Viertel auf Radwege im klassischen Sinn. „Es spricht Bände, dass ausgerechnet diese Provisorien den Löwenanteil des knapp erreichten Koalitionsziels bilden“, sagt Seelmaecker. Richtige Radverkehrsförderung sehe anders aus.
Unter „richtigen Radwegen“ versteht die CDU hochbordige auf dem Bürgersteig – und hat darin einen klaren Dissens mit dem ADFC. Der Radlerklub spricht sich schon seit Jahren dafür aus, Fahrradspuren von der Fahrbahn abzutrennen, möglichst gesichert, etwa durch Poller. „Wir wollen den Platz von den Autos haben“, sagt Lau.
Der ADFC-Sprecher freut sich, „dass unter der neuen Behördenleitung endlich mehr Schwung in den Umbau Hamburgs hin zu einer fahrrad- und fußgängerfreundlichen Stadt kommt“. Um den Rückstand zu Städten wie Kopenhagen aufzuholen, müsse Hamburg jetzt klotzen. Gekleckert hätten Tjarks’ Vorgänger schon viel zu lange.
Dabei spricht sich der ADFC gerade auch für die von der CDU so geschmähten Provisorien aus. „Hamburg könnte mehr Mut bei Verkehrsversuchen zeigen und auch schnellere Lösungsansätze auf die Straße bringen“, findet Lau. Neben schnell und vorläufig eingerichteten Pop-up-Radwegen könnten das Maßnahmen wie mehr Tempo-30-Zonen, autoarme Wohnquartiere oder die Umwidmung von Kfz-Abstellplätzen zu Fahrradparkplätzen in Wohnstraßen sein.
Erst im Oktober hat der ADFC dem Verkehrssenator eine Online-Petition mit 13.000 Unterschriften für mehr Pop-up-Radwege übergeben. Beigelegt war eine Liste mit 144 Vorschlägen.
Eine Frage der Qualität
Lau stört, dass unklar ist, wie viele der vom Senat ausgewiesenen Kilometer nur saniert statt neu gebaut worden sind. „Es hilft wenig, wenn an der Hoheluftchausee 500 Meter alter Radweg saniert werden“, kritisiert er. Qualität beim Radwegebau sei wichtiger als einen Streckenrekord aufzustellen. Dazu gehöre auch, dass sich alle Radler sicher fühlten.
Zu den Erfolgsmeldungen des Senats gehört auch, dass der Ausbau des Veloroutennetzes, also der 14 Hauptrouten für den Alltagsverkehr, besser vorangekommen sei als in den Vorjahren. Das Netz mit einer Gesamtlänge von 280 Kilometern sei inzwischen zu zwei Dritteln fertig. „Erst zu zwei Dritteln“, sagt Seelmaecker. Schließlich sei die Fertigstellung 2011 spätestens für Ende 2019 versprochen worden. CDU und Grüne hatten das 2008 sogar für 2015 angepeilt.
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