Hamburger SV schafft Aufstieg nicht: Schöner Scheitern
Der Zweitliga-Dino Hamburger SV will seit 2019 aufsteigen und vermasselt es stets. Diese Saison in der Relegation gegen den VfB Stuttgart.
Fünfter Anlauf 2022/23
Seit fünf Jahren richtet der Hamburger SV all seine Kräfte darauf aus, endlich wieder einmal in der ersten Bundesliga mitzuspielen. Und nachdem am Montagabend dieses Vorhaben zum fünften Mal kläglich scheiterte, war in den Katakomben der Hamburger Arena erstaunlich viel von erwünschter Kontinuität die Rede. „Grundsätzlich ist uns sehr daran gelegen, genau so weiterzumachen und den Kader noch zu verstärken“, sagte HSV-Trainer Tim Walter. Er machte zudem auf die Bedeutung der Fans aufmerksam und betonte: „Wir haben hier etwas aufgebaut.“
In Summe hatte der HSV die beiden Relegationsspiele gegen den VfB Stuttgart mit 1:6 verloren und nicht gerade das Gefühl vermittelt, es fehlt dem Team nicht viel zur Erstklassigkeit. Beim HSV trauert man dagegen vor allem dem letzten Zweitligaspieltag nach. Bevor Heidenheim sich mit zwei Treffern in der Nachspielzeit auf einen Aufstiegsplatz katapultierte, wähnten sich die Norddeutschen schon erstklassig. Die Fans stürmten in Sandhausen den Platz und feierten bereits ausgelassen, bis die schlechte Kunde aus Heidenheim sich verbreitete. „Leider haben am Ende ein Punkt oder drei Minuten gefehlt“, bilanzierte HSV-Sportvorstand Jonas Boldt nach der gescheiterten Relegation.
Über das, was gegen den VfB gefehlt hatte, wollte er offenbar lieber nicht reden. So kann der HSV immerhin mit dem Gefühl aus der Saison gehen, so schön in den letzten fünf Jahren noch nie gescheitert zu sein. 66 Punkte hat der HSV in der abgelaufenen Saison geholt – so viele, wie in keiner anderen Zweitligasaison. Angesichts der hohen Fluktuation der Vereine in dieser Spielklasse kann man den HSV mittlerweile als Dino der Zweiten Liga bezeichnen.
Vierter Anlauf 2021/22
Verdammt gut sah es für den HSV am 19. Mai 2022 aus. 1:0 hatte man das Relegationshinspiel bei der konfusen Hertha aus Berlin gewonnen. Mit den eigenen Zuschauern im Rücken sollte es doch nicht mehr weit bis zur ersehnten Erstklassigkeit sein. Doch die Hamburger kamen mit der Situation überhaupt nicht zurecht und verloren 0:2. Trotz aller Enttäuschung war damals viel von Kontinuität die Rede. Sebastian Schonlau sagte damals: „Ich glaube schon, dass wirklich was zusammenwächst hier bei uns in der Truppe, im gesamten Verein, mit den Fans, wo wir gut drauf aufbauen können.“ Und Trainer Tim Walter erklärte: „Was wir hier abgeliefert haben mithilfe unserer Zuschauer, mit dem Verein – ich glaube, dass wir es geschafft haben, über die Saison etwas entstehen zu lassen.“
Dritter Anlauf 2020/21
Bereits am vorletzten Spieltag war die Enttäuschung beim HSV groß. Der spätere Absteiger VfL Osnabrück erwies sich als zu hohe Hürde. Die Hamburger verloren die Auswärtspartie 2:3 und Sportvorstand Jonas Boldt kündigte an: „Wir werden definitiv Luft holen und einen neuen Anlauf nehmen.“ Er spüre enorme Rückendeckung, sowohl im Aufsichtsrat als auch im Verein und in der Stadt. Aushilfstrainer Horst Hrubesch tat sich schwer mit Erklärungen. Er sagte: „Das ist mir im Moment noch ein Rätsel.“
Zweiter Anlauf 2019/20
Sogar Lothar Matthäus zeigte Mitleid: „Ohne Worte. Ich erspare mir und den HSV-Fans eine gnadenlose Abrechnung. Es ist alles schon Strafe genug.“ Im eigenen Stadion verloren die Hamburger am letzten Spieltag gegen den SV Sandhausen und zwar mit 1:5. Spott gab es dafür und für den vierten Tabellenplatz jede Menge. Was Trainer Dieter Hecking zu sagen hatten, klang schon auch etwas ratlos: „Jetzt muss man gucken, ob wir dieses große Ganze wieder so aufstellen können, dass alle das Gefühl haben: Es kann im nächsten Jahr klappen.“
Erster Anlauf 2018/19
So fest hatte sich der Hamburger SV den direkten Wiederaufstieg vorgenommen und kam dann doch in seiner ersten Zweitligasaison nicht an Vereinen wie dem Aufsteiger SC Paderborn oder Union Berlin vorbei, belegte den undankbaren vierten Platz. Just in Paderborn musste der HSV seine letzten Hoffnungen begraben. Nach der 1:4-Niederlage meldete sich sofort der damals schon betagte Investor Klaus-Michael Kühne und erklärte, der Vereinsführung schon im Februar die Entlassung von Trainer Hannes Wolf empfohlen zu haben. Er forderte einen Umbruch, Aufbruchstimmung und eine neue Moral.
„Die letzten zwei Monate waren eine einzige Katastrophe“, gestand Sportvorstand Ralf Becker. Nach einer souveränen Hinrunde schmolz der Vorsprung Woche für Woche. Lediglich 16 Punkte holte der selbst ernannte Aufstiegskandidat in der Rückserie. Davon ließ sich Becker nicht entmutigen: „Das Ziel ist ganz klar, im nächsten Jahr aufzusteigen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid