Hamburger Rapper Ansu: Er versteht was von Spannung
Ansu liebt 50 Cent und findet es „selbstverständlich“, sich gegen sexuelle Übergriffe zu engagieren. Ein Treffen unter grauem Himmel.
Er trägt eine beige Wildlederjacke mit Schafsfell im Nacken, ein kariertes Basecap in derselben Farbe, dazu eine schwarze Anzughose und Lackschuhe im 90er-Jahre-Look. Vintage, lässig, aber stilsicher. Das schlechte Wetter beirrt ihn nicht: „Ich mag das, man braucht nur die richtige Kleidung“.
Dinge, die Hamburger nun mal sagen. Der junge Mann ist Rapper und nennt sich Ansu, Jahrgang 1997 und aufgewachsen hier in St. Georg. Er steht kurz vor der Veröffentlichung seines ersten Albums „Soul über Ego“: ein Konzept-Album mit einer „Soul“- und einer „Ego“-Seite.
Für beide Begriffe hat der 25-Jährige seine ganz eigenen Definitionen: „Ego ist für mich die Seite in einem, die rausgeht, um anderen zu gefallen“, erzählt Ansu. „Da frage ich mich, wie ich immer cool und stabil wirke. Mein Soul-Ich, ist mein echtes Ich, mit Seiten, die andere Leute vielleicht auch komisch finden.“ Diese Ambivalenz zieht sich auch durch die Musik: Ruhiger und nachdenklicher ist die auf der „Soul“-Seite, clubtaugliche und tanzbare Tracks auf „Ego“.
Janusköpfiger Stadtteil
Wer das verstehen will, muss sich auch anschauen, wo Ansu herkommt. St. Georg liegt zwischen der Alster und dem Hauptbahnhof. Auf der einen Seite ist das Viertel ein Brennglas für die sozialen Probleme der Stadt, mit offener Drogenszene und Straßenprostitution rund um den Hansaplatz.
Auch steht St. Georg seit rund 20 Jahren unter großem Gentrifizierungsdruck: Viele der gründerzeitlichen Altbauwohnungen sind von Miet- in Eigentumswohnungen umgewandelt worden. Im Supermarkt um die Ecke gibt es nun auch japanisches Wagyu-Steak zu kaufen – 100 Euro das Kilo.
Ansu kennt beide St. Georgs, den sozialen Brennpunkt und das neureiche Viertel. Er ist bei seiner deutschen Mutter im Kiez rund um die Lange Reihe aufgewachsen, die schicke Einkaufsstraße parallel zum Alsterufer. Sein Vater, der aus Gambia kommt, lebte in der Nähe des Steindamms, der eher schmuddeligen anderen Haupt- und Einkaufsstraße im Stadtteil.
Auch Ansus Beziehung zu seinen beiden Elternteilen könnte nicht unterschiedlicher sein – ein wiederkehrendes Thema auf dem Album: „Meine Ma hat mein Soul immer gepusht“, heißt es im Stück „Ego“ – „von mei’m Dad gab’s kein 'Sorry’ wegen Ego“.
Ansu über Hamburg-St. Georg, wo er aufgewachsen ist und – noch – lebt
Dass Ansu den Lohmühlen-Park als Treffpunkt vorschlägt, ist schon fast sinnbildlich für seine Vita: Der schmale Grünstreifen verbindet die beiden Teile, die beiden Gesichter des Viertels. Ansu fühlt sich wohl hier, auch bei diesem trüben Wetter. „Dieser Park ist mein Lieblingsort in St. Georg, hier kann man alles machen. Basketball spielen, chillen oder einen Kaffee trinken“, sagt er mit auffällig tiefer Stimme – sein Markenzeichen. Sie verleiht ihm Eindringlichkeit und Gehör, ohne laut werden zu müssen.
Als er im Jugendalter mit dem Rappen anfing, war ihm die Wirkung seiner Stimme noch nicht bewusst: „Am Anfang habe ich sogar versucht, mit höherer Stimme zu rappen, bis Cato zu mir meinte, dass ich doch voll die tiefe Stimme habe.“ Cato, das ist Ansus Jugendfreund und Produzent. Die meisten Beats auf „Soul über Ego“ tragen seine Handschrift. Aber nicht zuletzt war er der entscheidende Tippgeber für Ansus Karrierestart: „In meiner Gegend“ war 2020 Ansus erster Song – und ein Volltreffer.
Er rappt darin über die Gegensätze in seinem Stadtteil: „In einem Loft werden Zigarren angemacht/Währenddessen wird am Hansaplatz angeschafft“. Der Vortrag ist dabei so langsam, dass gar nicht klar ist: Spricht Ansu noch oder rappt er schon? In Kombination mit dem Sonoren seiner Stimme verleiht das Ansus Aussagen noch mehr Gewicht. Das Video zu dem Song wurde 1,5 Millionen Mal angeschaut.
Mittlerweile haben wieder Regenschauer eingesetzt. Ansu schlägt vor, sich in ein Café auf der Langen Reihe zu setzen, in welches weiß er aber nicht so genau. Er selbst wohnt in der Nähe, in einer Seitenstraße, spricht aber davon, wegziehen zu wollen: „Irgendwie ist mir das hier alles zu posh geworden“, sagt Ansu nachdenklich. „Man kriegt von den Leuten hier den Vibe, als wäre man ein Fremder.“
Anzug unter der Jacke
An diesem Freitagvormittag bleibt er die meiste Zeit in seinem „Soul“-Ich: Er lässt sich Zeit, wenn er antwortet. Er gibt sich bescheiden. Aber das „Ego“ blitzt immer mal wieder auf: Begeistert spricht er über seinen Lieblingskollegen, den US-Rapper 50 Cent. Und bekommt große Augen, wenn er von James-Brown-Auftritten erzählt, auch wenn er sich die nur im Internet ansehen kann.
„Der Typ war einfach ein Tier auf der Bühne, mit seiner Energie und wie er seine ganze Band live eingezählt hat.“ Bei seinem eigenen Konzert, Anfang Februar in Hamburg, standen Ansu und seine Entourage in Anzügen auf der Bühne – ein wenig James Brown, der „Godfather of Soul“, und seine Band.
Im Café angekommen, zieht Ansu seine weite, dicke Jacke aus – darunter trägt er wieder einen Anzug. Das Performative ist ihm wichtig, der Auftritt, wie er wahrgenommen wird – das also, was er „Ego“ nennt. Es sei ja „nichts Schlechtes und gehört zu Menschen dazu. Aber es sollte nicht die Oberhand nehmen und immer hinter 'Soul’ stehen“.
Vielleicht deswegen ist „Soul“ die A- und „Ego“ die B-Seite des Albums. Die Songs auf dieser zweiten Seite fußen überwiegend auf düsteren Beats mit dichten 808-Drums und schleppenden Rhythmen. Im zeitgenössischen Trap-Sound gibt Ansu da den Draufgänger.
Drang, was zu verändern
„Yeah, sag’ zum Türsteher ungerne 'Hallo’“, heißt es im Track „Sandmann“, denn all seine – es folgt ein heute als höchst problematisch angesehenes N-Wort – seien da früher nicht reingekommen. „Komm’ aus’m Club mit Mittelfinger, wünsch’ ’n schön’n Abend, warum bist du gereizt?“
Ansu will nach dem Café noch schnell bei seinem Stammkiosk vorbeischauen. Auf dem Weg spricht er über die Kampagne „irgendwasmussichveraendern“, die er mit Freunden ins Leben gerufen hat: Ein Vorstoß, sexuelle Übergriffe bei Hip-Hop-Events zu verhindern, sichere Räume einzurichten. „Ich verstehe nicht, wieso ich so oft darauf angesprochen werde. Es sollte selbstverständlich sein, dass man was dagegen tut.“
Sein Drang, etwas zu verändern, ist groß. „Soul über Ego“ ist ein ambitioniertes Projekt, das vor allem thematisch viel will: Da geht es um Liebe, Familie, Trauer, Frust, Verlustangst, Geld, und das bei einer auffallend kurzen Spielzeit von nur rund 30 Minuten. Man kann nur hoffen, dass er sich bei seinem Debütalbum nicht übernimmt.
Wieder raus aus dem Kiosk, der Regen ist stärker geworden. Ansu hat es jetzt eilig: „Ich muss noch zu einem Termin“, sagt er. Und steigt in den nächsten Bus – raus aus St. Georg.
„Soul über Ego“ erscheint am 3. März. Infos: www.instagram.com/ansu.097
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