Hamburg gedenkt NS-Deserteurs: Grünfläche wird Ludwig-Baumann-Park

Ludwig Baumann desertierte 1941 von einem Marinestützpunkt in Frankreich. Nun wird in der Jenfelder Au eine Grünfläche nach ihm benannt.

Ludwig Baumann steht 2015 an dem Deserteurdenkmal am Stephansplatz in Hamburg.

Posthum geehrt: Ludwig Baumann, hier 2015 am Deserteurdenkmal am Stephansplatz in Hamburg Foto: dpa / Daniel Bockwoldt

BREMEN taz | Im Jahr 2023 will das Bezirksamt Wandsbek im Wohngebiet Jenfelder Au eine Grünfläche nach dem Nazi-Deserteur Ludwig Baumann benennen – ganz in der Nähe der Kurt-Oldenburg-Straße. Die beiden Männer waren 1941 als 20- bzw. 22-jährige Soldaten in einem Marinestützpunkt im besetzten Frankreich und desertierten. Das Hamburger Kriegsgericht unter Marinegerichtsrat Dr. Lüder verurteilte sie daraufhin zum Tode.

Der Vater Baumanns war ein einflussreicher Tabakhändler – und ließ seine Kontakte spielen: Das Todesurteil wurde in eine 12-jährige Zuchthausstrafe umgewandelt. Oldenburg kam in einem „Bewährungsbataillon“ in Weißrussland 1945 ums Leben, Baumann wurde mit Schulterschuss ins Lazarett verlegt und überlebte.

2018 ist Baumann im Alter von 96 Jahren gestorben. Der bescheidene Mann hätte sich sicher über die späte Ehrung gefreut. Das Bundesverdienstkreuz hat er nicht angenommen – weil er keinen Orden haben wollte, „den auch ehemalige Nazis tragen“. Sein Vater hatte den Sohn nicht mehr in den Arm genommen, weil er dessen Desertion als Familienschande verstand.

Baumann hat Jahrzehnte gebraucht, um mit seinem Wunsch nach Rehabilitierung an die Öffentlichkeit zu gehen. Als 70-Jähriger hat er 1990 schließlich einen „Verband der Opfer der NS-Justiz“ gegründet – gemeinsam mit 37 weiteren Überlebenden. Er war der Einzige, der ein Todesurteil überlebt hatte und wurde zum Gesicht der Bewegung. Nach zwölf Jahren, im Jahr 2002, wurden pauschal alle Urteile der Wehrgerichte gegen Deserteure aufgehoben.

Beispiel für Zivilcourage

Die Haltung der westdeutschen Eliten kennzeichnet eine Bemerkung der sozialdemokratischen Justizministerin Brigitte Zypries in einem Brief an Baumann: Die abschreckenden Urteile gegen die Deserteure hätten den Sinn gehabt, die „Lebensgefährdung für eine Vielzahl deutscher Soldaten“ zu vermeiden.

Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, der ehemalige NS-Richter Hans Filbinger, hatte dasselbe mit anderen Worten erklärt: „Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein!“ Filbinger-Nachfolger Erwin Teufel rief zu Filbingers 90. Geburtstag aus: „Herr Filbinger, ich bewundere Ihr klares juristisches Denken.“ Und Nachfolger Günter Oettinger erklärte noch 2007: „Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes.“

In Baumanns späterer Heimatstadt Bremen war Karl Bode, 1933 in die NSDAP eingetreten, an 350 Todesurteilen beteiligt – nach dem Krieg wurde er 1955 zum Senatspräsidenten beim Staatsgerichtshof der Freien Hansestadt.

Während die Eliten sich so in der Geschichte der Bundesrepublik reingewaschen haben und ihre Mitwirkung an der Nazi-Herrschaft mit dem Druck, unter dem sie gestanden hätten, entschuldigen wollten, ist das Beispiel der kleinen Gefreiten Baumann und Oldenburg ein leuchtendes Beispiel dafür, dass in dieser Zeit auch Zivilcourage möglich war.

Die beiden sind 1941 übrigens vom Zoll erwischt worden. Sie hatten Pistolen dabei und hätten die Zollbeamten erschießen können. „Aber wir konnten einfach nicht. Ich habe nicht die Möglichkeit, einen Menschen zu erschießen“, erklärte Baumann später.

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