Hamburg erschwert Studienzugang durch Klage: Fegebank will Löcher schließen
Neues Gesetz soll Studienplatzklagen wieder erschweren. Hochschulen dürfen Betreuungsdichte verändern.
Fegebanks Vorgängerin Dorothee Stapelfeldt (SPD) war vor einem Jahr mit einem ähnlichen Gesetz gescheitert. 2012 hatten es knapp 1.000 Studienbewerber geschafft, mit Hilfe einer Klage doch noch einen Platz zu ergattern. Stapelfeldts „Ausbildungskapazitätsgesetz“ (AKapG) sollte dem einen Riegel vorschieben, indem die sechs staatlichen Hochschulen und die Behörde feste Platzzahlen pro Studiengang vereinbarten.
Wieder klagten Studierenbewerber, 747 mit Erfolg. Die Gerichte sahen in dem Gesetz einen Verstoß gegen die Verfassung. Denn das Grundrecht auf freie Ausbildungsstättenwahl zwingt die Hochschulen, mit öffentlichem Geld geschaffene Kapazität „erschöpfend zu nutzen“. Da in Stapelfeldts Gesetz nur von Studienplätzen die Rede ist und die Richer nicht mehr prüfen konnten, wie viel Lehrkapazität dahinter steckt, verdonnerten sie zum Beispiel die Hafen-City-Universität in Stadtplanung statt 71 gleich 100 Anfänger aufzunehmen.
Weitere solcher Urteile waren zu befürchten, die die Hochschulen gezwungen hätten, bis an die Grenze der „Funktionsfähigkeit“ Bewerber aufzunehmen. Deshalb setzte Fegebank im April das Stapelfeldtsche Gesetz für zwei Semester außer Kraft. Das ungeliebte Gesetz wird nun modifiziert. „Wir haben eine Zwischenlösung gewählt“, sagt Fegebank. So gibt es weiterhin Vereinbarungen mit allen Hochschulen über ihre Platzzahl. Diese sollen aber „reines Binnenrecht der öffentlichen Hand“ und „ohne Außenwirkung“ sein. Damit habe die Begrenzung der Plätze „keine grundrechtsverletzende Funktion mehr“, heißt es in der Gesetzesbegründung.
Für die Festssetzung der Studienplaltz-Kapazität ist der Curricularnormwert (CN) wichtig.
Rechenbeispiel: Vier Professoren, sechs Wissenschaftliche Mitarbeiter und Lehrbeauftragte erbringen 63 Stunden Lehre pro Woche. Beim CN-Wert 3 ergibt das 21 Studienplätze.
Jura hat derzeit einen niedrigen CN von 2,2, BWL 2,5, Architektur 4,3, Sinologie 6,6, Klavier 19,6.
Eingeklagt haben sich in Hamburg 2012 rund 970, 2013 rund 750, 2014 rund 750 Studierwillige.
2015 hatte Hamburg 11.306 Anfänger an staatlichen und 4.921 an privaten und kirchlichen Hochschulen und 828 an internen Verwaltungs-Hochschulen. Die vorliegenden Zielvereinbarungen sehen für die meisten staatlichen Hochschulen einen Abbau vor.
Wichtige Details wie Höchstzahl pro Studiengang sollen die Unis selber festlegen. Dazu gehört auch der Lehraufwand pro Student, der im so genannten „Curricularnormwert“ (CN) erfasst wird. Innerhalb einer gewissen Bandbreite sollen die Hochschulen diesen Aufwand künftig selbst festlegen können. Entsprechende Modelle hätten sich in acht anderen Bundesländern bewährt.
Und schließlich schließt Fegebanks Gesetz eine Reihe von Schlupflöchern, durch die Studierwillige sich einklagten. So musste die Hochschule für Angewandte Wissensschaften (HAW) kürzlich 100 Bewerber für den Studiengang Soziale Arbeit zusätzlich aufnehmen, weil es dort vier unbesetzte Professuren gab, die im HAW-Präsidium geparkt waren. Künftig sollen solche Stellen bei der Kapazität „unberücksichtigt“ bleiben. Forschungsstellen soll generell unterstellt werden, dass keine Lehre erbracht wird. Auch Elitestudiengänge werden möglich.
Für einen der schärfsten Kritiker des AKapG, den Hamburger Anwalt Joachim Schaller, der viele Kläger vertreten hat, ist er neue Enturf nicht mehr „eindeutung verfassungswidrig“, gleichwohl aber „streitanfällig“. Denn es werde teilweise wieder das Kapazitätserschöpfungsgebot außer Kraft gesetzt. Es sei richtig, zum alten Recht zurück zu kehren. Aber den Hochschulen so viel zusätzlichen Freiraum zu geben, finde er problematisch, sagt Schaller.
„Die Hochschulen erhalten Befügnis, per Satzung die Lehre auszudünnen"“, sagt Till Petersen, Referent der Uni-Fachschafträtekonferenz. Dahinter stehe das politische Ziel, trotz Schuldenbremse und sinkender Mittel die Studienplatzzahl hoch zu halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste