: Haltung statt Gemeinnützigkeit
Der Bundesfinanzhof verlangt von der Petitionsplattform innn.it Neutralität. Kampagnen wie für ein AfD-Verbot wären damit nicht mehr möglich. Deshalb gibt die Plattform lieber ihre Steuerbegünstigung auf
Von Christian Rath
Nach fünfjährigem Rechtsstreit gibt die Plattform innn.it auf und verzichtet auf die Gemeinnützigkeit. Sie reagiert damit auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom Dezember, das von ihr Neutralität einforderte. Innn.it will aber lieber Haltung zeigen, als neutral zu sein.
„Petitionen mit Wirkung“ verspricht die Plattform. Erfolgversprechende Petitionen werden von einem Team um Gründer und Vorstand Gregor Hackmack betreut und in Kampagnen umgesetzt. Auch direkt-demokratische Bürgerbegehren sollen daraus entstehen. Bis 2022 gehörte innn.it zum globalen Netzwerk change.org.
Im Jahr 2023 wurden 246 Petitionen unterstützt, am bekanntesten ist die Petition „Prüft ein AfD-Verbot“, die über 1,1 Millionen Mal unterzeichnet wurde. Doch schon seit 2021 gibt es Streit um die Gemeinnützigkeit der Plattform. Weil sie auch Petitionen gegen private Unternehmen unterstützte, sah das Finanzamt Berlin den Gemeinnützigkeitszweck „Förderung des demokratischen Staatswesens“ nicht mehr erfüllt.
Dagegen klagte der Petitionsverein und hatte beim Finanzgericht Cottbus im November 2023 zunächst auch Erfolg. Die Plattform fördere „demokratische Teilhabe“, so die Richter:innen. Der Begriff des „demokratischen Staatswesens“ dürfe nicht zu eng ausgelegt werden. Allerdings ging das Finanzamt mit Erfolg in Revision: Der Bundesfinanzhof (BFH) in München, das höchste deutsche Finanzgericht, hob im Dezember das Cottbusser Urteil auf und verlangte eine neue Entscheidung der ersten Instanz. Die Begründung hierfür wurde erst im Mai nachgereicht.
So will der BFH Petitionen zu nicht-staatlichen Sachverhalten nur akzeptieren, wenn sie auch Gegenstand einer parlamentarischen Befassung sein könnten. Damit hätte innn.it wohl leben können, auch wenn Boykottaufrufe gegen private Unternehmen dann nicht mehr möglich gewesen wären. Viel problematischer findet Vorstand Hackmack jedoch, dass der BFH von innn.it auch strenge Neutralität verlangt. Praktisch würde dies bedeuten, dass auf innn.it nicht nur Unterschriften für ein AfD-Verbot gesammelt werden könnten, sondern auch dagegen. Diese vom BFH verlangte „geistige Offenheit“ ging innn.it aber zu weit.
Vor wenigen Tagen beschloss die innn.it-Mitgliederversammlung, dass man den Rechtsstreit nicht fortführen wird und auf die Gemeinnützigkeit verzichtet. Das BFH-Urteil kritisiert Hackmack als „Rückschritt für die Zivilgesellschaft“. Stephanie Handtmann von der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ sieht im BFH-Urteil einen Appell an den Gesetzgeber, das Gemeinnützigkeitsrecht zu reformieren.
Unter der aktuellen Bundesregierung dürfte sich aber wenig an den Neutralitätsanforderungen ändern. Schließlich hat die CDU/CSU-Bundestagsfraktion erst im Januar (damals noch in der Opposition) 551 Fragen gestellt, ob staatlich geförderte und gemeinnützige NGOs ausreichend neutral agieren.
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