Haltung des Bundespräsidenten zur Ukraine: Steinmeiers späte Einsicht

Auslöschung und Vernichtung sind nach wie vor Moskaus Programm. Auch der Bundespräsident hat nun verstanden, dass nur Solidarität der Ukraine hilft.

Der Bundespräsident geht über ein Flugfeld, er ist im Profil zu sehen

Ein gedanklicher Richtungswechsel bei Frank-Walter Steinmeier? Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Es ist noch gar nicht solange her, dass Frank-Walter Steinmeier in der Ukraine eine persona non grata war und sich vom ehemaligen Kyjiwer Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, ob allzu großer Nähe zu Russland öffentlich und ganz undiplomatisch maßregeln lassen musste.

Doch nun, nach über neun Monaten Krieg und einer Vor-Ort­-Begehung nebst Besuch im Luftschutzkeller, ist auch der Bundespräsident offensichtlich zu weiteren Einsichten gelangt. Man habe es nicht nur mit einem militärisch geführten Angriffskrieg gegen die ukrainische Armee zu tun. Vielmehr seien Russlands systematische Zerstörungen der Gas- und Strominfrastruktur vor allem ein Angriff auf die Zivilbevölkerung und damit Teil der Kriegsstrategie, sagte Steinmeier vor wenigen Tagen der Deutschen Welle. Ein Waffenstillstand zum jetzigen Zeitpunkt sei keine Option, da er Russlands Grenzverletzung, die Missachtung des Völkerrechtes und den Landraub auch noch absegnen würde.

Diese Aussage ist zutreffend, aber sie ist eben nur ein Stück der Wahrheit. Eine Landnahme auf der Krim und in der Ostukraine – eine klare Verletzung des Völkerrechts – lagen bereits 2014 vor. Das ist auch eine der Erklärungen dafür, dass das, von einigen immer noch gepriesene, Minsk II-Abkommen inklusive Steinmeiers Kompromissformel seinerzeit nicht den erhofften Erfolg brachte. Und der Krieg gegen die Zivilbevölkerung tobt bereits seit dem 24. Februar 2022 und nicht erst seit Moskaus perfiden gezielten Angriffen auf die kritische Infrastruktur, die die Ukrai­ne­r*in­nen jetzt auch noch durch Hunger und Kälte töten sollen.

Auslöschung und Vernichtung – das war und ist nach wie vor Moskaus Programm. Um Verhandlungen geht es Moskau nicht und wenn doch, dann allenfalls zu seinen Bedingungen. Wenn Steinmeier – und andere – jetzt von Solidarität sprechen, so kann das nur eins bedeuten: Die Ukraine noch stärker als bisher zu unterstützen mit allem, was geht – finanziell, humanitär und militärisch. Dazu gehört auch, sich so schnell wie möglich auf die Aufnahme weiterer Flüchtlinge vorzubereiten. Angesicht des beginnenden Winters ist das auch ein Kampf gegen die Zeit. Und die läuft ab.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

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