Halbfinale der Champions League: Nachvollziehbare Erregung
Inter und der AC Mailand wechseln munter die Besitzer. Nun geht es endlich wieder um großen Sport – um den Einzug ins Champions-League-Finale.
Dass ein Mailänder Verein dort die Hauptrolle spielen kann, ist lange her. 2010 erreichte Inter das Finale und gewann den Pott gegen völlig konsternierte Bayern. Beim AC Mailand datiert die letzte Finalteilnahme – ebenfalls mit einem Sieg gekrönt – gar auf 2007. Beim Triumph der Rossoneri war Paolo Maldini noch Kapitän. Jetzt ist der 54-jährige Technischer Direktor. Inter wurde durch Kapitän Javier Zanetti durch die Unwägbarkeiten der Champions League gelotst. Inzwischen ist der 49-jährige Argentinier Vizepräsident bei Inter.
Die beiden Personalien zeigen nicht nur, dass Kontinuität in der Führungsspitze Sinn ergeben kann, gerade angesichts der teilweise turbulenten Besitzerwechsel beider Vereine. Inter wurde zweimal verkauft in den letzten zehn Jahren – und könnte wegen Finanzproblemen der Besitzerfamilie Zhang im heimischen China noch in diesem Jahr erneut über die Ladentheke gehen.
Milan wurde in der letzten Dekade sogar dreimal abgegeben. Zunächst von Silvio Berlusconi an den chinesischen Unternehmer Yonghong Li. Dem nahm wegen nicht abgelöster Kredite der Investmentfonds Elliott den Klub ab und verkaufte ihn selbst weiter an den italo-amerikanischen Finanzier Gerry Cardinale. Der Deal wird allerdings von italienischen Staatsanwälten überprüft. Es gab sogar Razzien in den luxemburgischen Filialen von Elliott. Es geht also ziemlich turbulent zu, hinter den Kulissen.
Angegraute Triumphe
Die Personalien Maldini und Zanetti deuten aber vor allem an, wie lange europäische Fußballtriumphe der Klubs aus der Modehauptstadt Mailand schon her sind. Damals bezahlten die einheimischen Milliardäre Silvio Berlusconi (bei Milan) und Massimo Moratti (Inter) die fetten Spesen.
Angesichts der arg angegrauten Triumphe ist die gegenwärtige Erregung völlig nachvollziehbar. Die Fans des AC Mailand wollten mit der Demonstration ihre Spieler aufrichten. Denn in den letzten Wochen lief es gar nicht mehr rund beim Meister der Vorsaison. Die Generalprobe für das Champions-League-Halbfinale ging mit einem 0:2 gegen Abstiegskandidat La Spezia völlig in die Hose. Auch das Halbfinalhinspiel gegen die Cousins von der anderen Stadthälfte war ja mit 0:2 verloren.
„Pioli is on Fire“, sangen Fans und Spieler noch beim Titelgewinn vor Jahresfrist. Jetzt scheint nur noch Asche übrig. Und Stefano Pioli, der Erfolgscoach des letzten Jahres, fabriziert nur hohle Standardsätze. „Uns mangelt es an Kontinuität“, klagte er.
„Big Rom“ endlich wieder groß
Bei Inter herrscht hingegen vollkommen andere Stimmung. Gut, auch dort ist Kontinuität ein Fremdwort. Aber im Auf und Ab der aktuellen Saison ist gerade mal eine Hochphase an der Reihe. Das liegt vor allem daran, dass Mittelstürmer Romelu Lukaku sich endlich wieder in den Brecher verwandelt hat, der er in der letzten Meistersaison der Nerazzurri vor zwei Jahren war.
Genau zu seinem 30. Geburtstag schoss er am Samstag Sassuolo Calcio mit zwei Treffern beim 4:2 fast im Alleingang ab. Es waren erst die Treffer sieben und acht in der laufenden Meisterschaft. In seinen früheren Spielzeiten bei Inter war er auf 23 und 24 Treffer gekommen.
Aber „Big Rom“, wie sie ihn hier nennen, ist wenigstens zum richtigen Zeitpunkt wieder da. Mit fünf Siegen in Folge in der Serie A ist die Qualifikation für die Champions League im nächsten Jahr wieder in Reichweite gerückt. In der Coppa Italia winkt Ende Mai das Endspiel. Und dann ist ja noch das Extra in Istanbul.
Der Stadtrivale hingegen ist in der Serie A auf Platz 5 abgerutscht und im nationalen Pokal gar nicht mehr dabei. Das Finale in Istanbul wird fast schon zur letzten Chance. Die Rossoneri gehen mit dem Rücken an der Wand ins Halbfinalrückspiel. Auch deshalb kamen die Fans zuhauf nach Milanello. Die Spieler nahmen es dankbar an und stimmten sogar in einige der Gesänge ein. Mal sehen, wer am Dienstag besser singt in San Siro, der sogenannten „Scala des Calcio“.
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