Italiens Erfolge in der Champions League: Schwere Wiedergeburt

Drei italienische Clubs stehen im Viertelfinale der Königsklasse. Der AC Mailand und der SSC Neapel treffen aufeinander. Ist die Serie A so stark?

Rafael Leao jubelt mit Handkuss

Rafael Leao vom AC Mailand jubelt über einen Treffer gegen den SSC Neapel in der Liga Foto: Alessandro Garofalo/dpa

Gleich drei Vertreter der Serie A stehen im Viertelfinale der Champions League. Mindestens einer von ihnen wird es sogar ins Halbfinale schaffen. Grund ist das direkte Aufeinandertreffen vom SSC Neapel und dem AC Mailand am Mittwochabend. Alle drei Teams – das dritte ist Inter Mailand – gehen allerdings auch im Krisenmodus in diese international entscheidende Saisonphase. Der Calcio spielt wieder einmal verrückt.

Carlo Ancelotti freut sich schon auf eine Wiederbegegnung an historischer Stätte. Es wäre schön, ließ der Trainer von Real Madrid verlauten, wenn er das Finale der Cham­pions League in diesem Jahr in Istanbul gegen­ seinen alten Klub AC Mailand bestreiten könnte. Denn beiden böte es Gelegenheit, eine alte Schmach auszuwetzen.

2005 verlor der AC Mailand, damals trainiert von Ancelotti, nach 3:0-Führung noch sensationell gegen den FC Liverpool – die einzige Finalniederlage in der Königsklasse, die der frühere Bayerncoach hinnehmen musste.

Dass jetzt ein im Ausland tätiger italienischer Trainer von einem Champions-League-Finale mit einem italienischen Gegner träumen darf, ist eine dicke Überraschung. Denn lange ist es her, dass es ein Vertreter der Serie A ins Finale schaffte. 2017 war Juventus Turin chancenlos gegen Real. Die letzte Halbfinalbeteiligung ist fünf Jahre her: 2018 flog der AS Rom gegen Liverpool raus.

Zum Siegen verdammt

Jetzt aber ist rein rechnerisch sogar eine Finalbeteiligung wahrscheinlich. Setzt sich Inter Mailand gegen Benfica Lissabon durch, kann im Halbfinale der Gegner nur Neapel oder Lokal­rivale AC Mailand heißen. Vieles deutet daraufhin. Am Dienstagabend konnte Inter sehr effizient das Hinspiel bei Benfica für sich entscheiden (2:0). Im Rückspiel dürften sie ähnlich defensiv und ergebnisorientiert auftreten.

Das sorgt für Begeisterung in Italien. Der Corriere della Sera sah Inter bereits favorisiert gegen Benfica und Neapel gegen den AC Mailand. Das war allerdings vor der herben 0:4-Schlappe, die sich die Süditaliener zuletzt in der Meisterschaft zuzogen.

Da brillierten vor allem Rafael Leao und Brahim Diaz. Die Offensivtalente des AC Mailand sind aber auch die Sorgenkinder. Jeder herausragenden Leistung folgt prompt eine seelenlose.

Genau deshalb liegt Mailand in der Serie A 22 Zähler hinter Tabellenführer Neapel. Dort brillieren besonders Kvisha Kvaratskhelia – wegen seiner exzellenten Technik gern „Kvaradona“ genannt – und der gereifte Torjäger Victor Osimhen. Beim 0:4 legte Milans Coach Stefano Pioli jedoch den Mittelfeldmotor Napolis still. Der Slowake Stanislaw Lobotka und der Pole Piotr Zieliński hatten kaum Entfaltungsspielraum. Pioli weiß also, wie man Europas derzeit aufregendste Mannschaft ins Straucheln bringt.

Die hat sich von dem Schock noch nicht erholt. Beim folgenden 2:1-Pflichtsieg gegen Neuling Lecce profitierte der Tabellenführer von einem Eigentor. Milan kam nur zu einem 0:0 gegen Empoli – Stimmungsdämpfer auf beiden Seiten.

Größer noch ist die Krise bei Inter. Nach nur einem Punkt aus den letzten drei Spielen wackelt der Stuhl von Trainer Simone Inzaghi. Die gute Ausgangssituation der italienischen Teams in der Serie A erweist sich auf einmal als Bürde.

Alle drei sind zum Siegen verdammt: Inter, damit der Coach überhaupt noch weitermachen darf. Milan, damit die Achterbahnfahrt im Saisonverlauf eine Spur von Sinn bekommt. Neapel, damit die fast schon sichere Meisterschaft durch ein Stolpern gegen die Ligarivalen nicht noch aus den Händen gleitet.

Von einem Comeback der Serie A wagt daher niemand zu sprechen. Der ökonomische Abstand zur Premier League ist weiterhin groß. Wer als Spieler herausragt in der Serie A, wird flugs weggekauft. Die Entwicklung einheimischer Talente stagniert ohnehin. Weil die Serie-Klubs lieber auf – wahlweise – billigere, erfahrenere, robustere oder mehr versprechende Profis aus dem Ausland setzen, besucht Nationalcoach Roberto Mancini derzeit mehr die Plätze der unteren Ligen zur Sichtung von Kandidaten für die Squadra Azzurra.

Die drei italienischen Teams im Halbfinale der Champions League sind eher ein Zufall und mitnichten das Zeichen einer Wiedergeburt. Neu allerdings ist, dass der Süden den Norden dominiert. Napoli ist den Mailänder Teams und auch Branchenkönig Juventus spielerisch eindeutig überlegen. Sogar die römischen Vereine Lazio und AS haben die Konkurrenz aus Mailand und Turin überholt.

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