Halbfinale Frankreich – Belgien: Nicht jedes Tor tut einem Spiel gut
Das erwartete Fußballfest blieb aus. Mit eher zynischem Fußball zieht Frankreich gegen Belgien ins Finale der WM ein.
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Aufrechter als die Belgier kann man sich nicht aus dem Rennen um den wichtigsten Pokal im Weltfußball verabschieden. Was der ewige Geheimfavorit so alles kann, das hat man in den vergangenen Jahren schon oft gehört. Gesehen hat man es zum ersten Mal bei diesem Turnier in Russland.
In den Ausscheidungsspielen haben sie konstant den attraktivsten, einfallsreichsten und flexibelsten Fußball gezeigt. Gegen Japan im Achtelfinale haben sie trotz eines 0:2-Rückstandes vorgeführt, wie man auch das Bollwerk einer tiefstehenden Abwehr auseinandernehmen kann, um die Partie dann mit dem schönsten Kontertor dieser WM zu entscheiden. Gegen Brasilien präsentierten sie sich als Defensivkünstler, die letztlich mit genial schnell vorgetragenen Gegenangriffen bestachen.
Sie spielten fast ein wenig französisch. Und gegen Frankreich selbst konnte man wieder auf das Team zählen, das über so viele Jahre die Erwartungen notorisch enttäuscht hatte. Warum es trotzdem nicht zum großen Glück gereicht hat? Vielleicht, meinte Trainer Roberto Martinez nach dem Spiel, habe im letzten gegnerischen Drittel der letzte präzise Pass gefehlt, um dann die Abwesenheit von etwas zu beklagen, was man eh kaum beeinflussen kann: „Es hat ein wenig das Glück gefehlt.“
Denn über seine Spieler wollte er sich eigentlich nicht beklagen. Im Grunde hob er hervor, hatten sie alles richtig gemacht. „Es war eine starke Vorstellung meines Teams.“ Sie hatten Frankreichs größte Stärke, die rasanten, auf den pfeilschnellen Kylian Mbappé ausgerichteten Gegenangriffe, unterbinden können, obwohl sich die Mannschaft von Didier Deschamps dafür tief fallen ließ und Belgien die Initiative überließ.
Ausgebuffte Verteidigungsarbeit
Vor allem in der ersten Halbzeit entwickelte sich aus dieser Ausgangssituation heraus ein hoch interessanter Wettbewerb der Ideen. Vornehmlich die wieder als Flügelspieler eingesetzten Kevin De Bruyne und Eden Hazard sorgten für einigen Wirbel und Gefahr im französischen Strafraum. Und bei den Franzosen ließen Benjamin Pavard und vor allem Olivier Giroud schön herausgespielte Möglichkeiten ungenutzt.
Die Möglichkeit eines Treffers stand in dieser intensiven Auseinandersetzung bis zur 51. Minute ständig im Raum. Paradoxerweise nahm dann der Kopfballtreffer von Samuel Umtiti ein wenig die Energie aus der Partie. Nicht jedes Tor muss einer Partie gut tun. Gegen die nun noch stärkere, ausgebuffte Verteidigungsarbeit der Franzosen kamen die Belgier nur noch selten an.
„Das Standardtor war entscheidend“, stellte Martinez fest, um damit zu Recht noch einmal den marginalen Unterschied zwischen diesen beiden Teams hervorzuheben. Dem Trainer ist vor der Zukunft nicht bange. Nach dem Turnier, sagte er, werde man sich wieder zusammenfinden müssen. Und es würden mit der Zeit gewiss neue Talente des belgischen Fußballs dazukommen. Die Altersstruktur der so überragenden belgischen Offensive ist mit De Bruyne (27) und Hazard (27) und Romelu Lukaku (25) immer noch sehr vielversprechend.
Nach dieser Weltmeisterschaft weiß man, dass man sich auf dieses Versprechen verlassen kann. Bei der nächsten Europameisterschaft ist diese Mannschaft gewiss kein Geheimfavorit mehr. Aber noch ist die WM nicht beendet. Am Samstag steht das Spiel um Platz drei in Sankt Petersburg an. Martinez sagte, natürlich sei es schwer, sich für dieses Spiel zu motivieren. Er gab jedoch zu bedenken: „Es passiert nicht oft, dass man Dritter einer Weltmeisterschaft werden kann. Das einzige Mal hatte Belgien diese Möglichkeit 1986, als man Vierter wurde.“ Einen historischen Erfolg können sie also sogar noch in dieser Woche der bitteren Niederlage erreichen.
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