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Hafenprivatisierung in HamburgKritik, die ins Leere geht

André Zuschlag
Kommentar von André Zuschlag

Kurz vor der Entscheidung über den Teilverkauf des Hamburger Hafens kritisiert die SPD-Basis ihre Spitze. Inhaltlich richtig, kommt das viel zu spät.

Sie unternahmen viel dagegen: Demonstration der Hafenarbeiter gegen den MSC-Deal im Juni 2024 Foto: Markus Scholz/dpa

N a, da sind sie ja aufgewacht! Nun gibt es in der Hamburger SPD doch noch ein Aufmucken gegen den umstrittenen Hafen-Deal mit der Reederei MSC: In einem offenen Brief fordern mehrere Dutzend Sozis von ihren Genoss:innen, die in der Hamburgischen Bürgerschaft sitzen, dass die den Teilverkauf des Hafens bei den anstehenden Abstimmungen ablehnen mögen.

Der Hafen als Teil der kritischen Infrastruktur gehöre unter demokratische Kontrolle und habe den wirtschaftlichen Interessen aller zu dienen und nicht dem Gewinninteresse einzelner Konzerne, mahnen die Ge­nos­s:in­nen von der Basis. Ja, es gehe jetzt um „die Verwirklichung sozialdemokratischer Grundsätze und eine historische Entscheidung für die Stadt“.

Das sind natürlich angemessen große Worte für die anstehende Entscheidung: Die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) betreibt drei der vier Terminals im größten deutschen Hafen und ist bislang, trotz einer ersten Teilprivatisierung, de facto unter ausschließlich städtischer Kontrolle. Diese Macht will sich der SPD-geführte Senat künftig mit der weltgrößten Container-Reederei MSC teilen. Sie soll 49,9 Prozent der Anteile bekommen, ordentlich Kapital und Containerladung einbringen, um so den kriselnden Hafenstandort Hamburg zu retten. Mindestens 40 Jahre lang soll der Vertrag laufen.

Die im offenen Brief geäußerte Kritik ist inhaltlich natürlich völlig richtig: Etwa, dass die bislang ziemlich guten Arbeitsbedingungen im Hafen künftig schlechter werden und dass MSC als deutlich finanzkräftigerer Partner in dieser Beziehung einzig auf eigene Vorteile schauen wird.

Nur eine Simulation von Politik

Nur: Wie ernst kann so ein Aufbegehren gemeint sein, wenn es dafür ein knappes Jahr braucht? Ganze elfeinhalb Monate ist die Ankündigung des Deals her. Sicher, überrumpelt wurden von der eilig am frühen Morgen einberufenen Pressekonferenz damals alle, als da plötzlich die drei führenden Hamburger Ge­nos­s:in­nen – Bürgermeister Peter Tschen­tscher, Wirtschaftssenatorin und Landes-SPD-Chefin Melanie Leonhard sowie Finanzsenator Andreas Dressel – mit dem MSC-Vorstandschef Søren Toft in der Mitte standen und die zuvor klammheimlich ausgehandelte Kooperation präsentierten.

Die Ha­fen­ar­bei­te­r:in­nen hatten schnell kapiert, dass sie etwas dagegen unternehmen müssen – es folgten Demonstrationen und sogar wilde Streiks.

Dass nicht unmittelbar Beteiligte ein wenig länger brauchen, um sich ein Urteil zu bilden, ist dagegen zwar nachvollziehbar. Nur gab es seither zig Gelegenheiten, sich in den Diskurs einzumischen – es gab öffentliche Anhörungen, es gab Parlamentsdebatten, es gab Zeitfenster, um für einen Meinungsumschwung zu sorgen. All diese Gelegenheiten wurden von den SPD-Kritiker:innen schweigend ausgelassen. Jetzt ist es hingegen zu spät, denn außer den zwei, drei SPD-Abgeordneten, die ihre Skepsis am Plan von Tschen­tscher, Leonhard und Dressel schon geäußert hatten, wird niemand mehr umfallen.

Weil also die nun organisierte SPD-interne Kritik erst aufkam, da es zu spät ist, drängt sich der Eindruck auf: Dieser offene Brief ist – leider – nur eine Simulation von Politik. Man wollte die Sache halt noch mal kritisieren und alle mitbekommen lassen, dass es in der SPD noch Leute auf der Seite der (Hafen-)Arbeiter:innen gibt. Doch den ernsthaften Willen, die nötigen Ent­schei­de­r:in­nen davon zu überzeugen, gibt es nicht.

Jetzt, da die in wenigen Tagen anstehende Entscheidung zur weiteren Privatisierung des Hafens praktisch schon gefallen ist, ist dieser offene Brief auch keine Konfrontation mit der eigenen Parteispitze mehr, eben weil er keine Reaktion erfordert. Die Chance wurde vertan – mit negativen Folgen für mindestens die nächsten 40 Jahre.

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André Zuschlag
Redakteur taz nord
Jahrgang 1991, hat Politik und Geschichte in Göttingen, Bologna und Hamburg studiert. Von 2020 bis August 2022 Volontär der taz nord in Hamburg, seither dort Redakteur und Chef vom Dienst. Schreibt meist über Politik und Soziales in Hamburg und Norddeutschland.
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6 Kommentare

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  • Letztlich kann die FHH die nötigen Mittel zur Modernisierung des Hafens auf Jahrzehnte nicht aufbringen. Der Bund macht sich hier einen schlanken Fuß, die SPD verhindert den Ausbau der Bahnanbindung und die Elbe will sich partout nicht vertiefen lassen.

    Rotterdam und Antwerpen freuen sich, wenn der städtische Hamburger Hafen zu einem drittklassigen Museum der Arbeit verkommt.

  • Danke für den Artikel und die Info zu Demo; ich bin dabei!

  • MSC hat gerade versucht, den Betriebsratsvorsitzenden zu kündigen. MSC kann für diese Regierung kein Partner sein.



    Dazu muss das Unternehmen sich korrekt verhalten. Das tut es aber nicht. Die Aussagen des Anwalts von MSC vor Gericht sagen ganz klar, dass es ein Unternehmen ist, das rabiat gegen Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften vorgeht.

    Dazu ist noch zweifelhaft, ob MSC am Ende wirklich die Versprechen einhält. Der Senat setzt viel Vertrauen in Ankündigungen.

  • Die SPD in Hamburg war schon immer die CSU der Sozialdemokratie. Insofern also kein Wunder, dass man faktisch den Hafen an ein gewerkschaftsfeindliches Unternehmen verkauft. Und die Grünen? Gottchen gegen diese öko simulierenden Neoliberalen ist ja Lindner linksrafikal.

  • Eine Aktionswoche (u. a. von verdi) macht gegen den Megadeal mobil:

    notruf-040.de/akti...st-31-august-2024/

    Unter anderem berichten Arbeiter der Hafens Piräus über die schlechten Arbeitsbedingungen unter MSC.







    Doch das interessiert den Hamburger Senat nicht, auch nicht die vehemente Kritik von CDU, Linken und AFD.



    Und die Grünen? Haben sich sich mit den Hafenarbeitern getroffen, um zu zeigen, dass sie nicht nur eine Partei der Akademiker, sondern auch der Arbeiter sind? Bei der Lesung in der Hamburger Bürgerschaft fehlten viele grüne Abgeordnete. Was für eine Scheinpolitik!

    Während in den USA Parteien die Interessen der Großkonzerne regulieren, macht die SPD mit dem Großdeal mit einem gewerkschaftsfeindlichen Megakonzern das genaue Gegenteil, wissend, dass eine MSC-Tochter in Hamburg laut verdi Union Busting betreibt, weil der Betriebratsvorsitzende aus nichtigen Gründen gekündigt wurde.



    Der Ausverkauf der Arbeiterinteressen zahlt längst schon bei AFD ein, in Hessen wurde die AFD von 40 Prozent der Arbeiter gewählt. SPD, ade!!!

    Und am 31.08. um 14:00 Uhr gibt es eine große Demonstration gegen den MSC-Deal.

  • taz: *Die Hafenarbeiter:innen hatten schnell kapiert, dass sie etwas dagegen unternehmen müssen – es folgten Demonstrationen und sogar wilde Streiks.*

    'Schnell' war aber wohl nicht 'schnell' genug. Die SPD bastelt aber fleißig weiter daran, auch noch ihre letzten Wähler zu vergraulen. Ein paar Millionen Hartz4/Bürgergeldempfänger hat die SPD ja schon vor vielen Jahren als Wähler verloren, und jetzt möchte man die kleinen (Noch)-Arbeitnehmer wohl auch noch verscheuchen. Und die Grünen machen bei dem 'Ausverkauf des Hamburger Hafens' tatsächlich mit. Die Grünen bekommen zwar immer noch keinen Umwelt- und Klimaschutz auf die Beine gestellt, aber sich am Sonntagmorgen gemeinsam mit der SPD auf den Hamburger Fischmarkt zu stellen und den Hamburger Hafen stückweise an den Meistbietenden zu verramschen, da haben diese "grünen" Politiker merkwürdigerweise keine Probleme mit.