Hackaday-Treffen in Berlin: Technologische Ermächtigung

Für Tipps aus der Maker- und Hackerszene muss man nicht unbedingt Computer programmieren können. Ein Marmeladenglas abwaschen reicht manchmal auch.

Nicht nur für coole Kids in Hoodies: Beim Hackaday liegen Lötkolben für alle bereit Foto: mauro1969/imago

BERLIN taz | Ha­cke­r:in sein ist leicht. Weiche ein Marmeladenglas ein, spül es aus, entferne das Etikett und benutze es als Trinkglas. Der Begriff “Hacken“ steht für kreativen Umgang mit Technologie, also auch Marmeladenglas-Technologie und nicht nur für coole Kids in Hoodies, die in fremde Computer einbrechen. Die aus dem DIY („do it yourself“) erwachsene Make-Bewegung hat ihren Namen vom englischen Wort für „machen“ oder „schaffen“. Die Übergänge zwischen Hacken und Maken sind fließend, beide vereint neben der Kreativität der Drang nach Offenheit, freier Zugänglichkeit, Diversität, Wissensaustausch und Wiederverwendbarkeit.

Es gibt eine lebendige Lifehack-Kultur auf Tiktok, wo lebensvereinfachende Tricks wie das Basteln von Handyhaltern aus Trinkflaschen ausgetauscht werden, mittlerweile existieren neben zahllosen Youtube-Kanälen und Webseiten in vielen Städten jeder Größe Repair-Cafés, in denen Menschen sich gegenseitig beibringen, wie man Dinge repariert, statt sie wegzuschmeißen, es gibt Make- und Hackerspaces, in denen Wissen und Werkzeug bereitgestellt werden, Einplatinen-Experimentiercomputer finden reißenden Absatz. Eine stetig wachsende Gemeinschaft nutzt die Möglichkeiten zur technologischen Ermächtigung und ist damit längst zu einem wichtigen politischen, kulturellen und kommerziellen Faktor der Informationsgesellschaft geworden.

Hackaday ist seit 18 Jahren ein internationaler Blog in englischer Sprache, sein Thema ist das Hacken von Hardware. Die Beiträge beschreiben die verschiedensten Projekte; Vögel-Füttermaschinen, einen Windkanal aus Pappe für das Testen von Papierflugzeugen, Prototypen für die Reduzierung von Weltraummüll bis zum Google-befreiten Selbstbauhandy.

Daneben stehen aber auch kritische Texte etwa zu künstlicher Intelligenz oder dem neu von der Europäischen Kommission angenommenen Vorschlag zum „Recht aufs Reparieren“. Seit 2004 bietet Hackaday zusätzlich eine Plattform, auf der über hunderttausend Menschen ihre Bauanleitungen, -pläne und Material öffentlich machen. Im Schnitt alle zwei Jahre findet ein Treffen irgendwo auf der Welt statt, in diesem Jahr in Berlin in den Räumen des „MotionLab“.

Hackaday ist ein Blog zum Thema Hardware-Hacking. Er entstand 2004 als Web-Magazin des kommerziellen US-amerikanischen Blog-Netzwerks Engadget. Heute schreiben circa 20 freie Mitarbeiter-:in­nen Beiträge, die von vier Redakteur-:in­nen redigiert werden. Es erscheinen acht Beiträge täglich, alle zwei Jahre gibt es große Treffen. hackaday.com.

Aufkleber und hackbare Gadgets

Dort angekommen erwartet den Besucher beim Check-in eine Tragetasche gefüllt mit T-Shirt, Aufklebern und ein paar hackbaren Gadgets. Das Erstaunlichste darunter ist gleichzeitig das Namensschild des Besuchers: Eine Platine mit einem 4-Bit-Retro-Computer darauf. Die Besucherschaft ist bunt gemischt. Weiße Cis-Männer sind nach wie vor weit in der Überzahl, aber es gibt eben nicht nur sie. Lebendiges Gewusel und Gespräche überall, die Tische sind fast alle mit Laptops, Platinen und Lötkolben belegt, freie Plätze sind Mangelware, es ist nicht mehr viel Platz im Hackerspace. Schon nach kurzer Zeit erwachen die Leuchtdioden auf den Namensschildern der schnellsten Hacker- und Ma­ke­r:in­nen zum Leben.

Das Tagesprogramm besteht aus Vorträgen und zwei Workshops: einem, in dem man lernt, wie man einen Chip entwirft, und einem anderen, in dem Roboter gebaut werden. Hier nur ein paar der zahlreichen Vorträge: Jiska Classen redet über kabellose Sicherheit und wie man sie knacken kann. James Burton darüber, wie es ist, ein Vollzeit-Youtuber zu sein und wie man dazu wird. Auf die Frage, ob er seine Inhalte denn statt auf Youtube auch auf alternativen, nicht datenkapitalistischen Plattformen veröffentlichen würde, antwortet er „klar, wenn ich dort das gleiche Geld verdiene“, was deutlich macht, dass Alternativen wie Peertube so lange unattraktiv für hauptberufliche Inhaltanbieter sein werden, wie sie ihnen keine Möglichkeiten zur Monetarisierung ihrer Arbeit bieten.

Ali Shtarbanov stellt eine Plattform vor, mit der man pneumatische Experimente mit Luft und Wasser realisieren kann. Die Dateien für den Selbstbau sind frei im Internet zu haben. Die Künstlerin und Technologin Astrid Bin zeigt ihre „vulkanische Harfe“, deren Klänge durch die Gefühle des Musikers beeinflusst werden.

Bleeptrack redet über ihre generative Kunst, besonders schön das „Plant Human Interface“, das sie in Zusammenarbeit mit der LoRaWan-Gruppe aus dem Ulmer Verschwörhaus geschaffen hat. Es verbindet über eine Sensorik die Zustände von Pflanzen mit den Interaktionen des Betrachters.

Zwischendurch gibt es zahlreiche offene 7-minütige „Lightning Talks“. Unter anderem stellt sich der Berliner Hack+Makespace xHain vor, den man immer montags besuchen kann, transrescue.org rettet trans Personen, die in Gefahr sind, an sichere Orte und bietet an, Jobs zu vermitteln, eine Person aus dem Publikum hält eine Rede, in der sie die anwesenden Ma­ke­r:in­nen bittet, Geräte zu schaffen, kleine Begleiter, die auf ih­re:n Be­sit­ze­r:in aufpassen, denen man jeden Aspekt des eigenen Lebens an- und mehr vertrauen kann als einem Handy. Und es gibt einen Vortrag über einen neuen Marktplatz für Maker:innen, auf dem sie ihre Erzeugnisse verkaufen können, das ist insofern interessant, als dass die Firma Supplyframe, der der Hackaday-Blog gehört und die ihrerseits 2021 von Siemens gekauft wurde, selbst einen eigenen solchen Marktplatz besitzt.

Stärker als auf vergleichbaren, weniger gut gesponserten Veranstaltungen treten auf dem Hackaday die Widersprüche paritätischer Technologiearbeit zutage. Idealistisch prekär arbeitende Menschen und Organisationen auf der einen, technophile gutsituierte Freigeister und Kommerzialisierung auf der anderen Seite. Darauf angesprochen sagt Elliot Williams, der seit 2012 Chefredakteur von Hackaday ist, dass die großen Firmen sich dabei überschlagen, einen Fuß in den Maker:innen-Markt zu kommen. Er sieht die vornehmlich über Anzeigen finanzierte Arbeit des Blogs aber als Dienst an der Community und in der Wissensvermittlung.

Am Ende ist der Hackaday ein Ort der Inspiration, der einmütigen Zusammenarbeit und des wilden, offenen und persönlichen Austauschs. Man spürt, wie sehr seine Besucher:innen, die die letzten Jahre noch mehr als sonst an ihre Endgeräte gefesselt waren, das genießen.

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