HSV trennt sich von Trainer Tim Walter: Volkstribun am Ende
Nach dem wilden 3:4 gegen Hannover 96 war der bei Team und Publikum beliebte Fußballtrainer nicht mehr zu halten. Zunächst übernimmt sein Assistent.
Drei Tage später hat Sportvorstand Jonas Boldt jenen Trainer beurlaubt, den er trotz seiner schon bei Holstein Kiel und dem VfB Stuttgart deutlich gewordenen taktischen Defizite geholt und dann sehr lange gestützt hatte – nicht zuletzt, weil eine Entlassung auch Boldts Scheitern bedeutet hätte.
Schon zu Saisonbeginn war es eher überraschend, dass Walter einen dritten Anlauf zum Wiederaufstieg in die Fußball-Bundesliga nehmen durfte. Schon zweimal war seinem HSV auf der Zielgeraden die Puste ausgegangen. Doch Walter hielt fast trotzig an seinem Spektakel-Fußball fest, der zwar immer unterhaltsam, aber selten souverän war.
Walter ließ immer wieder praktisch ohne Absicherung angreifen und verschliss so reihenweise Innenverteidiger, die bei Rettungsaktionen oft Foul spielen mussten, sich Sperren einhandelten, aus dem Spielrhythmus gerieten und irgendwann völlig verunsichert waren.
Manchmal haftete Walter etwas Messianisches an
Dennoch hatte Walter bis zuletzt den Rückhalt seiner Mannschaft, die er nach Rückschlägen zu motivieren verstand und nach Niederlagen meist wortgewaltig verteidigte. Manchmal haftete ihm schon fast etwas Messianisches an, wenn er seine Jünger um sich scharte, sie mit glühendem Blick beschwor; wenn er, ganz Volkstribun, gestenreich das Publikum aufpeitschte – um dann unbeirrt, ja stur weiter Walter-Fußball spielen zu lassen.
Vielleicht kommt die Beurlaubung des 48-jährigen Badeners gerade noch rechtzeitig. Auf Platz drei ist der Aufstieg noch zu schaffen. Erstaunlich ist, dass der HSV nach zweieinhalb Jahren Dauer-Trainerdebatte keinen gestandenen Nachfolger parathat. Zunächst übernimmt der bisherige Assistent Merlin Polzin (33), laut Boldt „aus voller Überzeugung“, denn der sei „ein großes Trainertalent“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos