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Gutachten zum KopftuchverbotMit Kopftuch programmieren

Ein Gutachten empfiehlt, dass das Tragen eines Kopftuchs kein Kündigungsgrund sein darf. Ob der EuGH dieser Position folgt, ist noch unklar.

Ein Kopftuch am Arbeitsplatz ist kein Kündigungsgrund, urteilt Generalanwältin Sharpston Foto: Imago/Karo

KARLSRUHE taz | Private Arbeitgeber dürfen ihren Beschäftigten nicht pauschal das Tragen eines muslimischen Kopftuchs verbieten. Zu diesem Schluss kommt Generalanwältin Eleanor Sharpston in einem Verfahren am Europäischen Gerichtshof (EuGH). Der Fall hat Bedeutung auch für die Rechtslage in Deutschland.

Ausgelöst hat den Rechtsstreit die französische Softwaredesignerin Asma Bougnaoui. Sie war im Sommer 2008 von dem großen IT-Beratungsunternehmen Micropole als Projektingenieurin eingestellt worden. Doch schon ein Jahr später wurde sie wieder entlassen.

Ein Kunde in Toulouse hatte sich beschwert, dass Bougnaoui ihn mit einem islamischen Kopftuch aufgesucht hatte. Als die Frau sich weigerte, auf das Kopftuch zu verzichten, beendete Micropole das Arbeitsverhältnis. Dagegen klagte Bougnaoui, sie fühlte sich diskriminiert. Und da das Antidiskriminierungsrecht auf EU-Vorgaben beruht, landete der Fall beim EuGH in Luxemburg.

Generalanwältin Sharpston legte jetzt ihr Gutachten vor, das das EuGH-Urteil vorbereitet. Sie kam zum Schluss, dass Bougnaoui wegen ihrer Religion diskriminiert wurde und dies auch nicht zu rechtfertigen war. Der Verzicht auf ein Kopftuch sei für eine Softwaredesignerin keine „berufliche Anforderung“. Dass der Arbeitgeber Ärger mit Kunden bekommt und deshalb finanzielle Nachteile haben könnte, führe nicht dazu, dass die Diskriminierung einer Beschäftigten erlaubt ist.

Urteil erst in einigen Monaten

Ob der EuGH dieser Position folgt, ist völlig offen. Denn vor wenigen Wochen hatte eine andere Generalanwältin in einem ähnlichen Fall eine weniger tolerante Haltung empfohlen. Wenn ein Unternehmen ein generelles Konzept der „Neutralität“ verfolge, so Generalanwältin Juliane Kokott, könne es von Beschäftigten auch den Verzicht auf ein muslimisches Kopftuch verlangen. Am Arbeitsplatz könne „eine gewisse Zurückhaltung“ in religiösen Dingen verlangt werden. Über beide Fälle wird der EuGH erst in einigen Monaten urteilen.

In Deutschland ist bisher ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 2002 maßgeblich. Danach durfte eine Parfümerie-Verkäuferin aus Schlüchtern (Hessen) nicht wegen ihres Kopftuchs entlassen werden. Nur wenn es zu „nicht hinnehmbaren Störungen“ kommt, wäre eine Kündigung möglich. Die von dem damaligen Arbeitgeber geltend gemachte bloße Angst vor Umsatzeinbußen genüge nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat das Urteil ein Jahr später bestätigt.

Beim Kopftuch für Lehrerinnen – im Staatsdienst – erlaubte Karlsruhe zunächst pauschale Verbote, revidierte diese Haltung jedoch im März 2015. Seitdem kann eine Lehrerin wegen ihres Kopftuchs nur entlassen werden, wenn es zu „substanziellen“ Konflikten kommt.

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12 Kommentare

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  • übrigens ... http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=181584&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

    dem sich auch entnehmen läßt, dass es sich nicht um ein gutachten, sondern um die schlußanträge der generalanwältin Eleanor Sharpston handelt

    und nun viel spaß beim selbst-lesen!

  • Wo bleibt die freiheitlich-demokratische Grundordnung? Es wird niemand gezwungen, ein islamisches Kopftuch zu tragen und niemand wird damit geboren.

     

    Wer es dennoch trägt, darf die Freiheit der anderen dadurch nicht beschneiden, nämlich, Verträge auch kündigen zu dürfen!

     

    Jeder ist seines Glückes Schmied, Liebe und Verträge kann man Ende nicht erzwingen. Wer andere verärgert, muss auch mit den Konsequenzen leben. Ich halte dieses Abschieben von Eigenverantwortung in einem Rechtsstaat für absolut fatal!

  • Der GG-Artikel zur Religionsfreiheit wird regelmäßig und auch im Artikel und in den Kommentaren falsch verstanden. Bitte lesen: GG Art. 3, Abs.3.!

     

    Religionsfreiheit bedeutet auch Freiheit von Religion. D.h. wenn ich keine Religion in meinem Leben haben möchte, kann ich sie verweigern. Auch hier gilt: Freiheit ist die Freiheit des Anderen. Möchte ein Unternehmer keine Angestellten, die Ihre Religion ständig vor sich her tragen, kann er sie kündigen, denn er muss genau das in SEINEM Unternehmen nicht akzeptieren. Der Arbeitnehmer ist dabei nicht in seiner Religionsfreiheit eingeschränkt, denn er kann ja seine Lebensweise wo anders vollführen. Es zwingt ihn ja keiner bei diesem Arbeitgeber zu arbeiten.

     

    Wird der AG gezwungen, die extensive Religionsausübung des AN zu akzeptieren, wird seine Freiheit ohne Religion in seinem Lebensbereich (sein Unternehmen) zu leben, unverhältnismäßig beschränkt. Das ist ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 3 GG und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz Art. 3 Abs.1 GG.

     

    Die Bevorzugung von Moslems ist deshalb GG-widrig.

    • @Nickname23:

      Es geht aber um Arbeitsrecht.

      Für eine Kündigung muss ein zwingender Grund vorliegen, weshalb der AN aus unternehmerischer Sicht (ein Unternehmen hat nie ein Religionszugehörigkeit, kann also auch keine Religionen ablehnen) nicht tragbar sein muss.

      Ein Kopftuch schränkt die Leistungen, die der AN bringt in keiner Weise ein, ein Verbot ist also vollkommener Blödsinn.

    • @Nickname23:

      schöner hätte das ayatollah Khomeini auch nicht sagen können.

      • @christine rölke-sommer:

        Guten Tag Frau Rölke-Sommer, ich versteh einfach nicht, was Sie wollen? Wo kommt jetzt der Khomeini her?

        Schönen Abend.

  • Ein "generelles Konzept der Neutralität" sollte eigentlich bedeuten, dass der Arbeitgeber der/dem Angestellte/n keine Vorschriften hinsichtlich religiös konnotierter Bekleidung macht.

     

    Wenn der Arbeitgeber bestimmte Kleidungsstücke oder -arten untersagt, dann handelt er nicht mehr "neutral" sondern wertend. Und er greift in die Persönlichkeitsrechte ein.

     

    Vielleicht sollte es zu den natürlichen Aufgaben der Unternehmen gehören, tolerantes Verhalten zu fördern, anstelle intolerante Einstellungen - unter Umständen sogar in "vorauseilendem Gehorsam" - zu belohnen. Denn derjenige, der heute noch eine Frau wegen einem Kopftuch ablehnt, der lehnt sie morgen schon vielleicht deswegen ab, weil sie eine Frau ist.

    • @cursed with a brain:

      "Denn derjenige, der heute noch eine Frau wegen einem Kopftuch ablehnt, der lehnt sie morgen schon vielleicht deswegen ab, weil sie eine Frau ist."

      Nein

      Der Satz wird heissen: .... der lehnt sie morgen schon vielleicht deswegen ab, weil sie eine Muslima ist.

       

      Die ganze Diskussion um diese Frage hat doch die Konsequenz, daß man sich garantiert Ärger ins Haus holt wenn man Muslims einstellt. Im Endeffekt kann man eine Diskrimierung dieser Gruppe dann niemanden mehr vorwerfen.

      • @Werner W.:

        na klasse!

        wenn wer wünscht, sich aus gründen von anderen zu unterscheiden, sind alle, welche dies wünschen, selbst dran schuld, wenn sie diskriminiert=ausgegrenzt+herabgesetzt werden.

        SO hatte ich mir das reich der freiheit schon immer vorgestellt!

         

        und da dies nicht fehlen darf: https://nomensiteblog.wordpress.com/2016/07/14/the-dividing-line-about-sheitels-and-judaism/

        schließlich könnte ganz schnell der tag kommen, an dem "man sich garantiert Ärger ins Haus holt wenn man [Jüdinnen] einstellt.

  • 3G
    34998 (Profil gelöscht)

    Das ist ne klare Kiste, ohne Debatte. Ob Jesuslatschen oder Kopftuch - religiös bedingt rumlaufen darfste, wie Du willst, auch bei der Arbeit. Wenn König Kunde deinen Auftritt nicht goutiert, und Du Dich sperrig zeigst, weil Dir Deine äußeren religiösen Attribute so wertvoll sind - dann ist das das Problem des Chefs...der (und andere Chefs) wird sich nur für die Zukunft möglicherweise seinen Teil denken und das Denken dann in ökonomisches Handeln umsetzen...und bei gleicher oder sogar besserer Qualifikation eben problemvermeidend einstellen. Was schon sehr sehr schade, aber eben doch auch nicht ganz unverständlich ist.

    Merke: Was dem Einzelnen an religiöser Individualität gut tut, muss (s)einer Gruppe nicht unbedingt gut tun.

  • 8G
    86548 (Profil gelöscht)

    Das Urteil ist juristisch sicherlich richtig; die Folge wird aber sein, dass viele Unternehmen es vermeiden werden, Muslima einzustellen. Das ist zwar diskriminierend, aber der Beweis dürfte schwer fallen.

  • Drittwirkung der Grundrechte auch bei Religionsfreiheit

    Im Arbeitsrecht - wie die Linie BAG/Karlsruhe geht -

    Sehe nicht - wie der EuGH daran in allgemeinen Beschäftigungsverhältnissen vorbeikommen will; &

    "Neutralität" als Firmenkonzept -

    Läßt an sattsam bekannte "Tendenzbetriebe" denken!