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Gütertransport mit Elektro-LkwAutobahnen unter Strom

Das Bundesumweltministerium testet Oberleitungen für Lastwagen. So sollen Waren aus dem Ausland klimafreundlicher in Läden kommen.

Retro wird Zukunft: Lkw auf Autobahnen mit Oberleitung Foto: dpa

Berlin taz | Entlang der Autobahn werden Strommasten aufgestellt, über der rechten Fahrspur Leitungen gezogen. 600 Volt Spannung. Angekoppelt sind Laster, sie fahren elektrisch mit Ökostrom. Das soll die Zukunft sein. Besser: könnte sie sein.

Das Bundesumweltministerium baut jetzt zwei Teststrecken, die eine in Schleswig-Holstein zwischen Kreuz Lübeck und Reinfeld, die andere in Hessen zwischen Darmstadt und Frankfurter Flughafen, beide sechs Kilometer lang. Das knapp 29 Millionen Euro schwere Vorhaben soll zeigen, ob es sich lohnt, die Straßen zu elektrifizieren, damit Äpfel aus Neuseeland oder Computer aus Südkorea klimafreundlicher als bisher herangekarrt werden können.

Dahinter steckt die Angst vor einem verkehrspolitischen Desaster. Deutschland hat zugesagt, seine Wirtschaft bis zum Jahre 2050 klimaneutral umzubauen. Im Verkehr tut sich bislang aber „null“, sagte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium am Mittwoch, „1990 gingen auf das Konto des Verkehrssektors genauso viele Treibhausgase wie im vergangenen Jahr“. Die Verlagerung auf die Schiene hat die Regierung zwar immer propagiert, doch werden derzeit nur 18 Prozent der Güter per Bahn transportiert. Und das Umweltbundesamt hat errechnet, dass im besten Fall 30 Prozent erreichbar sind.

Die Bahn stößt offenbar an Grenzen. Flasbarth: „An der Elektrifizierung auf der Straße führt kein Weg vorbei“. Das sieht dann ähnlich aus wie bei den Oberleitungsbussen, die in manchen deutschen Städten unterwegs waren und es bis heute in der Schweiz sind. Vorteil neuer Technik: Das Kabelgewirr an Kreuzungen entfällt, weil nicht die ganze Strecke elektrifiziert werden muss.

Fährt der Laster 30 Kilometer am Draht, wird zugleich seine Batterie für eine Strecke von rund 80 Kilometern aufgeladen. Siemens erprobt solche Hybridfahrzeuge seit Jahren in der brandenburgischen Uckermark; in Schweden auch bereits im realen Verkehr. Für den Feldversuch in Deutschland konnten sich die Bundesländer mit „realen Lieferstrecken“ bewerben, neben Hessen und Schleswig-Holstein hatte aber nur Niedersachsen Interesse.

Deutschland verdrahten – ist das nicht doch ein bisschen ­verrückt? „Nein“, meint Wiebke Zimmer, Verkehrsexpertin am Ökoinstitut: „Es ist ein sehr energieeffizienter Weg, viel effi­zienter als Wasserstoff oder andere Kraftstofftechnologien.“ Aber: „Die Bahn bleibt immer noch besser.“

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12 Kommentare

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  • Oberleitungs-Widersprüche und sinnvolle Alternativen

     

    Klimafreundlich geht auch ohne Oberleitung, so propagieren sogar Bahnhersteller.

    In einer Veröffentlichung des Eisenbahnbundesamtes wird die Entwicklung oberleitungsfreier Antriebsformen empfohlen, da die Häufigkeit klimawandelbedingter Oberleitungsausfälle zunimmt. Der Fahrgast erlebt es täglich.

    Power to Liquid-Kraftstoffe auf Wind- und Solarstrombasis treiben rußfrei und klimaneutral herkömmliche Verbrennungsmotoren an.

    Ein Containermodul produziert jährlich 500.000 l PtL-Kraftstoff aus 1 MW el. Leistung.

    Natürlich kann man PtL kostengünstig(er) in Wüstenländern produzieren und anstelle von schmutzigem Öl per Tanker in kältere Länder wie Deutschland transportieren. Das erspart Rohstoffe für Solaranlagen, Stromspeicher und Stromtrassen.

    • @railfriend:

      D.h. wir machen aus 8.760 MWh elektrischer Energie 5.000 MWh chemische Energie in Form von PtL, um diese dann in Verbrennungsmotoren mit Wirkungsgrad von max. 50% wieder in mechanische Energie umzuwandlen. Somit bleiben von den 8.760 investierten MMh noch 2.500 MWh übrig. NAchdenken üder die Oberleitung ist vielleicht nicht schlecht.

      • @Alter Paul:

        Nachdenken über die Oberleitung:

        Auch das oberleitungsgespeiste Fahrzeug gibt weniger als 8760 MWh ab. Auch hierzu eine überschlägige Betrachtung der fallweise großen Energieverluste, die insbesondere bei zukünftig 100% EE-Versorgung auftreten:

        Wirkungsgrad(x) Umspannwerke und Stromtrassen (0,95), Stromspeicherung z.B. in Methan (0,7), Rückverstromung in Gaskraftwerk (0,5), Fahrzeugantrieb (0,85).

        Das sind rund 2500 MWh.

        Bei 50 % Direktstromversorgung und 50 % Speicherung/Rückverstromung bleiben noch rund 4800 MWh.

        PtL wurde hier konservativ mit 55 % Wirkungsgrad angesetzt, während das Unternehmen sunfire 70 % erzielt.

      • @Alter Paul:

        @Alter Paul

        Erneuerbare Energieträger sind klimaneutral. Daher bleibt auch der Einsatz dieser Energieträger unabhängig vom Wirkungsgrad klimaneutral. Entscheidend für den Einsatz sind die Kosten, nicht der Wirkungsgrad.

        Die Energiekosten eines Fahrzeugantriebes sind gleich, wenn PtL 1,30 €/ und Batterie- oder Oberleitungsstrom 0,25 €/kWh kostet.

        Warum: Weil PtL auf kostengünstigem Strom basiert (Abregel- und potentiell Wüstenstrom), während Batterie und Oberleitung in Deutschland mit EE einschließlich Stromspeicher/Rückverstromung und Stromtrassen auf teueren Strom angewiesen sind.

  • Mensch kann das Thema Gütertransport ja auch radikaler angehen:

    -was muss überhaupt produziert werden? Was nicht?

    -wie kann es produziert werden, um Transportwege zu vermeiden? Stichwort: Regional.

    -wie kann es ökologisch transportiert werden?

    -Ist das in diesem System überhaupt machbar/gewollt?

    ...

     

    "Das sieht dann ähnlich aus wie bei den Oberleitungsbussen, die in manchen deutschen Städten unterwegs waren und es bis heute in der Schweiz sind. Vorteil neuer Technik: Das Kabelgewirr an Kreuzungen entfällt, weil nicht die ganze Strecke elektrifiziert werden muss."

    Naja, einige Städte sind davon wieder abgekommen und richten wieder Straßenbahnen bzw. schnelle Stadtbahnen ein.

  • Wieso einfach, wenn es kompliziert geht! Es gibt noch immer Schienen. Statt das Gütertransport auf der Schiene besser auszubauen, denken die Politiker an die teuerste und sinnloseste Variante. Teuer, weil dafür die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden muss. Sinnlos, weil a) dafür spezielle elektrische LKW-Motoren entwickelt werden müssen b) weil die Speditionen solche LKWs noch gar nicht haben und die Regierung von allen Speditionen weltweit nicht verlangen kann, solche LKWs zu kaufen. Daher wäre ein Ausbau des Schienennetz, kosten günstiger und effektiver.

    • 6G
      61321 (Profil gelöscht)
      @mo papsin:

      Sie haben unser System immer noch nicht begriffen - das Aufwändige, das Teuerste, das Verrückteste ist es, was her muss, denn das allein ist es was Aufschwung und Wachstum verspricht.

       

      Was dabei auf der Strecke bleibt, Ressourcen, Landschaft, Vernunft, scheißegal.

      • @61321 (Profil gelöscht):

        Das ist jetzt aber etwas kurz gesprungen. Die Schiene ist voll. Der Ausbau der Schiene bedeutet neue Strecken zu bauen. Das heißt, man braucht Schienen und elektrische Oberleitung. Bei der Straße braucht man nur die elektrische Oberleitung.

         

        Und ganz nebenbei. Mir ist der Ausbau der Straße lieber. Den Autobahnen gehen kaum durch die Stadt (wenig Ausnahmen). Zugstercken gehen immer mitten durch Ortschaften durch, damit der Personenverkehr gut aufgenommen werden kann. Die Lärmbelastung ist bei der Schiene also viel größer. (Ich weiß wovon ich spreche, ich habe 100m von einem Bahnhof weg gewohnt. Die bremsenden Güterzüge haben mich regelmäßig aufgeweckt. Die Autobahn, die zwei Kilometer entfernt an dem Ort vorbei läuft, habe ich nachts nicht gehört).

        • @Strolch:

          Sie springen da aber auch etwas kurz. Es braucht ja nicht nur Oberleitungen sondern auch LKWs mit enstprechenden Antrieb. Dann muss das Ganze (Asphalt, Leitungen, LKWs...) zudem instand gehalten werden. Fraglich, ob das mit dem Schienensystem mithalten kann. Wie ja auch die Verkehrsexpertin angibt, bleibt die Bahn besser. Zumal die sich in Synergie mit dem ÖPNV/Fernverkehr nutzen ließe.

           

          Ähm, und dass Autobahnen weniger als Schienen durch die Stadt führen würden, bezweifel ich. Wobei es ja auch nicht bloß um die Stadt als besiedeltes Gebiet gehen sollte... Haben Sie da Hinweise?

          • @Uranus:

            @Uranus: Keine Ahnung, ob Sie meine Antwort noch lesen werden:

             

            Die Infrastruktur braucht man auch bei den Zügen. Bei mehr Verkehr brauche ich mehr Lokomotiven, Waggons, etc. Zunächst brauche ich aber neue Strecken und die zu finden, ist extrem schwer. Es kann ja in den seltensten Fällen einfach ein weiteres Gleis daneben gelegt werden.

             

            Ich wohne im Süden Deutschlands. Wenn ich Stuttgart - Singen, Stuttgart - München, Stuttgart - Karlsruhe, Stuttgart - Heilnbronn fahre, komme ich nicht durch eine Stadt. Auch durch Stuttgart führt keine Autobahn. Die Zugstrecken fahren hingegen durch nahezu alle Städte und Dörfer, die auf dem Weg liegen. Eine absoluten Beweis habe ich nicht. Nur meine eigene Beobachtung.

             

            Ein weiteres Argument für die elektrifizierung der Straße: Möglicherweise gibt es auch irgendwann Autos mit Oberleitung. Dies würde das leidliche Akkuproblem und damit auch die überhöhten Preise der Autos lösen. Allerdings - das muss ich einräumen - habe ich keine Ahnung, ob dies technisch möglich ist oder das Gewicht (des Stromabnehmers) für ein Auto viel zu hoch wäre.

  • Es ist so irre. Wir bauen den Rest unseres Landes mit "Infrastruktur" zu. Klimaneutral natürlich.

    • @Energiefuchs:

      Das "Zubauen" sollten wir vermeiden.

      Oberleitungen für LKW sind aber keine neuen Straßen, sondern nur Elektrifizierung der Bestehenden. Jedenfalls wird keine Kapazität für zusätzlichen Verkehr geschaffen. Güter auf die Schiene wäre noch besser, das geht aber in großém Umfang nur mit Neubaustrecken -

      die echt Landschaft verbrauchen (leider). Vielleicht doch besser den bestehenden Verkehr elektrifizieren als mehr Kapazität zu schaffen.