Gülle im Grundwasser: Weniger Mist
In Niedersachsen dürfen Bauern in diesem Herbst übrig gebliebene Gülle nicht mehr auf den abgeernteten Feldern abladen.
Wenn der Herbst kommt und die Felder abgeerntet sind, braucht sie kein Bauer mehr zu düngen – eigentlich. Doch bisher legten einige niedersächsische Landwirte zu dieser Zeit erst richtig los. Vorgeblich, um das Verrotten des herumliegenden Strohs zu fördern, luden sie Jahr für Jahr auf leeren Feldern massenhaft Mist ab. Nämlich solchen, der in den großen Tierhaltungsbetrieben übrig war. „Entsorgung“, nennt das Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne). Mit einem Erlass hat er deshalb die diesjährige „Herbstdüngung“ eingeschränkt.
Niedersachsen bekommt durch seine industrielle Landwirtschaft ein Trinkwasserproblem. Besonders dort, wo Massentierhaltung und Gemüseanbau – vor allem der von Mais-Monokulturen – nah beieinander liegen, steigt laut Umweltministerium der Nitratgehalt im Grundwasser. Denn häufig wird hier mehr Gülle ausgebracht, als die Pflanzen aufnehmen können. Die Überschüsse versickern. Rund 60 Prozent der niedersächsischen Landesfläche wird landwirtschaftlich genutzt. Knapp die Hälfte davon galt im vergangenen Jahr als verseucht – von überdurchschnittlich viel Nitrat und Pestiziden.
Durch Meyers Erlass begehen Bauern, die leere Felder mit Kot besprühen, künftig eine Ordnungswidrigkeit. Außerdem können ihnen zur Strafe Subventionen gestrichen werden. Bereits sein Vorgänger im Amt, CDU-Agrarminister Gert Lindemann, hatte eine Meldepflicht für den Gülle-Handel eingeführt. Stallbetreibern, die nicht angeben, wohin ihr Mist verschwindet, droht seit einem Jahr ein Bußgeld von bis zu 15.000 Euro. Und auch die Herbstdüngung hatte die schwarz-gelbe Landesregierung bereits beschränkt.
Großmastindustrie und Biogasanlagen sind schuld an der Überdüngung der niedersächsischen Felder. Allein in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta gibt es nach Schätzung der Grünen jährlich 3,3 Millionen Tonnen mehr Gülle, als die Felder vor Ort aufnehmen können.
Der Mais-Anbau ist ein zusätzlicher Faktor. Denn Mais ist nitrat-unsensibel und verdeckt eine übermäßige Ausbringung von Salpeter.
Die Nitratkonzentration im Grundwasser des Bundeslandes liegen laut Umweltministerium an mehr als 30 Prozent der Messstellen über dem Frühwarnwert von 25 Milligramm pro Liter.
Das aktuelle Papier des Grünen-Ministers kritisiert die CDU-Fraktion daher als Kopie bereits vorhandener Regeln: Meyer schmücke sich „mit fremden Federn“, kritisiert deren Agrarpolitiker Helmut Damman-Tamke.
Ministeriumssprecher Klaus Jongebloed weist diesen Vorwurf zurück: Bei der neuen Richtlinie handele es sich um eine „Konkretisierung“ der bestehenden Regeln. Meyer habe es den Behörden nun erst ermöglicht, Verstöße zu ahnden.
Trotzdem ist der Minister dem Ziel, das er schon als Oppositionspolitiker formuliert hat, damit noch nicht näher gekommen: Um Überdüngung überhaupt zu bemerken, fordert er ein Kontrollsystem für Landwirte. Seinen Vorschlag eines sogenannten Düngekatasters, mit dem die Einhaltung der Gülle-Regeln flächendeckend überwacht werden soll, hat er im Februar in den rot-grünen Koalitionsvertrag geschrieben. Im nächsten Jahr soll das Kataster kommen, hat Meyer angekündigt – auch wenn es die Landwirtschaftslobbyisten vom Landvolk Niedersachsen als Bürokratiemonster ablehnen.
Der Agrarexperte Eckehard Niemann von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft hält das Instrument dennoch für unvermeidbar, um den Gülle-Handel zu begrenzen. Er glaubt, dass auch der jüngste Erlass zur Herbstdüngung einen „deutlichen Effekt haben wird“.
Das Schlupfloch, überschüssige Gülle auf Maisfeldern unterzubringen, die ein bisschen mehr Dünger als nötig abkönnen, bleibe den schwarzen Schafen unter den Mastbetrieben jedoch erhalten, sagt Niemann – eben solange, bis der Minister ausreichende Kontrollen und Strafen schaffe. Diese träfen dann auch die Betreiber der Biogasanlagen. Denn die Gärreste, die hier abfallen, zusammen mit Klärschlamm, Kunstdünger und einer unbekannten Menge Gülle, die aus den Niederlanden nach Niedersachsen kommt, belasten die Felder zusätzlich – und mit ihnen das Trinkwasser.
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