„Guardian“-Affäre in Großbritannien: Europarat verlangt Erklärungen
Der Europarat fordert Aufklärung in der „Guardian“-Affäre. Unterdessen will die Zeitung ihre Arbeit stärker in die USA verlagern – um Druck aus London zu entgehen.
![](https://taz.de/picture/147502/14/guardian_affaere_europarat.jpg)
STRASSBURG/PARIS/LONDON dpa/ap | Der Europarat verlangt vom britischen Innenministerium Aufklärung über das Vorgehen gegen die Zeitung The Guardian. Der Generalsekretär der Organisation, Thorbjørn Jagland, bezieht sich dabei auf die vorübergehende Festnahme von David Miranda, Lebenspartner des Guardian-Journalisten Glenn Greenwald, und die Zerstörung von Festplatten der Zeitung unter Aufsicht von Regierungsbeamten.
Solche Maßnahmen könnten „eine potenziell abkühlende Wirkung auf die Meinungsfreiheit von Journalisten“ haben, schrieb Jagland am Mittwoch in einem Brief an die Regierung in London. Diese werde durch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte garantiert. Der Europarat will von Gründungsmitglied Großbritannien eine Stellungnahme zur Vereinbarkeit der Maßnahmen mit der Menschenrechtskonvention.
Auf den Datenträgern war Material gespeichert, das der Guardian vom US-Whistleblower Edward Snowden erhalten hatte. Wegen der Snowden-Enthüllungen durch Greenwald stehen die Geheimdienste der USA und Großbritanniens seit Wochen in der Kritik.
Die Formulierung „abkühlende Wirkung“ ist vom Europarat zuvor nur bei Vorgängen in der Türkei und Aserbaidschan benutzt worden, sagte Europaratsprecher Daniel Hoeltgen. „Es ist nur selten der Fall, dass wir Sorge über einen westlichen Staat ausdrücken“, erklärte er in einem Interview. Rhetorisch fragte er, wie die Reaktionen gewesen wären, wenn Miranda in Moskau festgehalten worden wäre oder Druck auf eine russische Zeitung ausgeübt worden wäre, ihre Festplatten zu zerstören.
„Wir müssen dieselben Richtlinien auf westliche Staaten anwenden – darunter auch die Gründungsmitglieder des Europarats wie Frankreich, Deutschland und Großbritannien“, sagte er weiter. „Es ist keine explizite, harte Kritik, aber eine Erinnerung, dass wir uns daran halten.“
will stärker aus den USA heraus arbeiten
The Guardian will künftig noch stärker als bisher aus den USA heraus arbeiten und damit dem Druck der Regierung in London entgehen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand in Amerika gegen den Guardian vorgehen wird“, sagte Chefredakteur Alan Rusbridger der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Donnerstag. „Ich will nicht selbstgefällig sein, aber es beruhigt mich mehr, aus Amerika zu berichten als aus dem Vereinigten Königreich.“ An den Inhalten der Zeitung werde sich nichts ändern: „Wir berichten einfach weiter.“
David Miranda, der Ehepartner des Guardian-Journalisten Glenn Greenwald, der unter Anti-Terrorgesetzen fast neun Stunden am Flughafen Heathrow festgehalten und verhört worden war, geht nun juristisch vor. Dem Brasilianer waren mehrere Speichermedien abgenommen worden. Eine Gerichtsverhandlung sollte noch am Donnerstag vor einem Gericht in London stattfinden.
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