Grundsteuer vorm BVerfG: Nicht mehr zeitgemäß
Die Grundstückswerte, die zur Orientierung für die Grundsteuer dienen, sind alt. Dass das geändert werden muss, ist in Karlsruhe fast nicht die Frage.
Von der Grundsteuer ist jeder betroffen: Eigentümer, die ihr Grundstück selbst nutzen, aber auch Mieter, weil Grundsteuer-Zahlungen als Nebenkosten umgelegt werden können.
Derzeit wird sie in drei Schritten berechnet. Zunächst wird festgelegt, was das Grundstück wert ist. In Westdeutschland liegen der Berechnung Einheitswerte von 1964 zugrunde, im Osten stammen die Werte sogar von 1935. Sie werden mit einer Steuermesszahl multipliziert, die sich nach der Art der Bebauung bestimmt. Im Osten ist die Messzahl höher als im Westen. Im dritten Schritt wird dieser Betrag wiederum mit einem Hebesatz multipliziert, den die örtliche Kommune festlegt. Die Hebesätze unterscheiden sich stark und liegen zwischen 90 und 950 Prozent.
Verfassungsrechtlich umstritten ist nur der erste Schritt, die Nutzung der uralten Einheitswerte. Der Bundesfinanzhof (das höchste deutsche Finanzgericht) hält das für verfassungswidrig und hat Karlsruhe um Prüfung gebeten. Schließlich konnte sich der Wert von zwei Grundstücken, die 1964 gleich teuer waren, in den nachfolgenden Jahrzehnten ganz unterschiedlich entwickeln – je nach Lage. Das eine Dorf blieb vielleicht ländlich, das andere wurde in die Stadt eingemeindet, weshalb dann die Grundstückpreise explodierten.
Wie relevant die Lage eines Grundstücks ist, zeigt auch das Beispiel Berlin. Grundstücke in Mauernähe waren 1964 nicht viel wert, sind heute aber Filetstücke in der Innenstadt. Diese Wertverzerrung führe zu fast schon willkürlich ungleicher Besteuerung, so der Bundesfinanzhof.
Dagegen ist es rechtlich kein Problem, dass die alten Werte heute viel zu niedrig sind. Denn bei der Grundsteuer geht es nicht um eine Ungleichbehandlung mit Bargeld, Schmuck und anderem Vermögen, wie bei der Erbschaftsteuer. Dort wurden die alten Werte schon 1995 von Karlsruhe gekippt.
Gewaltiger Aufwand für Kommunen
In der Verhandlung am Dienstag hielt nur die Bundesregierung die Orientierung an den alten Werten noch für zulässig. Die Wertverzerrung sei nicht schlimm, weil es ja um eher geringe Summen gehe. Nur 0,5 Prozent des Haushaltseinkommens fließe im Schnitt in die Grundsteuer, rechnete Finanzstaatssekretär Michael Meister (CDU) vor. Dagegen wäre der Aufwand für die Kommunen gewaltig, wenn sie den Wert von 36 Millionen Grundstücken neu bestimmen müssten.
Die Richter ließen aber keinen Zweifel daran, dass sie das Bewertungsgesetz kippen werden. „Ab 1964 sollte alle sechs Jahre der Wert neu bestimmt werden“, erinnerte Ferdinand Kirchhof, der Vorsitzende des Ersten Senats. „Und 53 Jahre später ist das immer noch nicht gelungen.“ Diskutiert wurde in Karlsruhe fast nur darüber, wie lange der Gesetzgeber Zeit für eine Reform bekommt.
Bund und Länder forderten eine Frist von mindestens zehn Jahren. Zunächst müsse das Bewertungsgesetz geändert werden. Dann müsse die Wertermittlung automatisiert werden. Die Katasterämter könnten die Größe der Grundstücke zuliefern, die Grundbuchämter die Eigentümer melden und von den bundesweit rund 1.000 Gutachterausschüssen für Bodenrichtwerte kämen die Informationen zur Wertentwicklung. Diese EDV-Reform dauere allein sechs Jahre. Und dann müssten überall die Steuermesszahlen und Hebesätze neu angepasst werden, denn die Reform soll unter dem Strich aufkommensneutral sein.
Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
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