Höhere Mieten nach Grundsteuerreform: Die Angst vor dem Mietpreisturbo

Hamburgs Finanzsenator will die vom Bundesrat beschlossene Grundsteuerreform nicht: Sie treibe Mieten in die Höhe und lasse sich vom Land nicht ausgleichen.

Eine Hauswand mit Balkonen. Auf einem Balkon stehen Tische, ein anderer ist mit einem Sichtschutz umhüllt.

Die Mieten für diese Hamburger Wohnungen könnten noch teuerer werden Foto: dpa

HAMBURG taz | Es ist so ziemlich das Gegenteil einer Mietpreisbremse: 104 Euro pro Monat mehr für eine 44-Quadratmeter-Wohnung in Eimsbüttel, 206 Euro für 80 Quadratmeter in Altona. Mit solcherlei erschreckenden Beispielen hat Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) versucht deutlich zu machen, warum Hamburg gegen einen Gesetzentwurf des Bundesrats zur Reform der Grundsteuer gestimmt hat.

Dass die Grundsteuer reformiert werden muss, hat das Bundesverfassungsgericht am Dienstag angedeutet. Denn der Bund und die Länder haben die Einheitswerte, auf deren Basis die Grundsteuer berechnet wird, in Westdeutschland seit 1964 nicht mehr angepasst. Ganz egal, wie sich eine Gegend seither entwickelt hat: Es gelten die Werte von damals.

Weil sich das Urteil schon länger abzeichnet, hat der Bundesrat Ende 2016 eine Anpassung beschlossen, die aber noch durch den Bundestag muss. Wer die Reform nicht wolle, müsse „den Hausbesitzern in den weniger gefragten Vierteln erklären, warum sie weiterhin Jahr für Jahr die Steuer für Hausbesitzer in den besseren Vierteln mitzahlen sollen“, warb der damalige niedersächsische Finanzminister Peter-Jürgen Schneider (SPD) für den Gesetzentwurf.

Dieses Argument hat jedoch eine Kehrseite, denn in vielen Vierteln Hamburgs haben sich die Bodenpreise vervielfacht. „Legt man die heutigen Bodenwerte und das bestehende System von Messzahlen und Hebesätzen zugrunde, würde sich die Grundsteuer in bestimmten Lagen Hamburgs um das 40-fache erhöhen“, sagt Finanzsenator Tschentscher. Im Durchschnitt stiege sie um das Zehnfache. Wohnungseigentümer würden so zu „Mietern des Staates“, warnt die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Jennyfer Dutschke.

Die Formel lautet: Einheitswert mal Grundsteuermessbetrag mal Hebesatz. Grundlage sind Einheitswerte, die sich im Westen auf 1964 beziehen und im Osten auf 1935.

Die Steuermesszahl sorgt dafür, dass die Art der Grundstücksnutzung in die Besteuerung einfließt. Sie bewegt sich im einstelligen Promillebreich.

Der Hebesatz wird von den Kommunen festgelegt. Er liegt zwischen 90 und 950 Prozent.

Doch der Anstieg beträfe nicht nur Leute, die im eigenen Heim wohnen, sondern vor allem auch die Mieter, denn die Grundsteuer kann auf die Mieter umgelegt werden. Der Vorschlag des Bundes würde alle Bemühungen, die Bau- und Wohnkosten zu reduzieren, „auf einen Schlag vergebens“ machen, warnt der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), in dem die Genossenschaften und die öffentlichen Unternehmen organisiert sind.

Hamburg wäre nicht in der Lage, seine Bürger vor den drastischen Auswirkungen einer solchen Reform zu schützen, warnt Tschentscher. Verändern kann der Stadtstaat, der zugleich Kommune ist, den Hebesatz, mit dem der Einheitswert multipliziert wird, woraus sich die Höhe der Grundsteuer ergibt. Allerdings sei Hamburgs Handlungsspielraum hier begrenzt, sagt Christopher Harms, der Sprecher der Finanzbehörde.

„Um die starke Wertsteigerung im Vergleich zu anderen Gemeinden in Deutschland auszugleichen, müsste Hamburg den Hebesatz überdurchschnittlich senken“, sagt Harms. Beim Länderfinanzausgleich würden Hamburg aber Grundsteuereinnahmen zugeordnet, die sich aus einem bundesweit durchschnittlichen Hebesatz ergeben. Als Folge müsste Hamburg einen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich in den Länderfinanzausgleich einzahlen.

Ausgleich über den Hebesatz kaum praktikabel

Abgesehen davon wäre ein Ausgleich über den Hebesatz kaum praktikabel. „Sie bräuchten für eine Stadt wie Hamburg eine Vielzahl unterschiedlicher Hebesätze“, sagt Harms. Denn die Grundstückswerte variierten schon von Quartier zu Quartier stark.

Um diese Klippen zu umschiffen, schlägt Tschentscher vor, den Bodenwert bei der Ermittlung der Grundsteuer außen vor zu lassen und sich lediglich an den Flächen des Grundstücks und der darauf stehenden Gebäude zu orientieren.

Der Naturschutzbund und einige Gemeinden hingegen wollen sich nur am Bodenwert orientieren – unabhängig von der Bebauung. Damit würde die Steuer steigen, wenn eine Brache als Bauland ausgewiesen wird. Es wäre weniger lohnend, Brachen unbebaut zu lassen.

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