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Grünes Sofortprogramm, knapp gefaßt

Auch die Grünen haben sich Gedanken gemacht, was in den ersten 100 Tagen der Macht zu tun ist. Die Themen Mineralölsteuer und Außenpolitik kommen in dem dünnen, dreiseitigen Papier allerdings nicht vor  ■ Von Bettina Gaus

Die politischen Ziele von Bündnis 90/Die Grünen lassen sich immer knapper zusammenfassen: Umfaßte das erste Wahlprogramm noch mehr als 80 Seiten, so war das Kurzprogramm für die nächsten vier Jahre bereits auf einen Umfang von 13 Seiten zusammengeschrumpft. Das Sofortprogramm, das die Partei gestern in Bonn für den Fall einer Regierungsbeteiligung vorstellte, bringt es auf wenig mehr als drei Seiten. Da muß natürlich einiges unerwähnt bleiben.

„Steht die Forderung nach einer Erhöhung der Mineralölsteuer bei Ihnen inzwischen auf dem Index?“ fragte ein Journalist nach der ersten Lektüre ratlos und erkundigte sich außerdem, ob Außenpolitik denn für die Grünen überhaupt kein Thema mehr sei. Zu diesem Bereich findet sich nämlich in dem neuen Papier kein Wort. Vorstandssprecher Jürgen Trittin antwortete knapp, doch, natürlich fände Außenpolitik statt. Er verwies darauf, daß Deutschland im nächsten Jahr die Ratspräsidentschaft in der EU übernehme und daß ein neuer Anlauf für eine europäische Beschäftigungspolitik gefunden werden müsse. Überrascht zeigte sich Trittin über Zeitungsmeldungen, denen zufolge sich die Grünen „vier Wochen vor der Bundestagswahl“ von der Forderung nach einem NATO-Austritt „verabschiedet“ hätten. Die Partei sei seit Jahren gegen einen deutschen Sonderweg.

Trittins Kollegin Gunda Röstel ließ sich im Zusammenhang mit dem Thema Mineralölsteuererhöhung nicht aus der Reserve locken. Zu einer Gestaltung der Benzinpreise mochte sie sich nicht konkret äußern: „Wir werden heute hier nicht in Preisverhandlungen treten.“ Eine „schrittweise Energiebesteuerung“ sei geplant.

Bereiche, die bei Bündnis 90/Die Grünen intern umstritten sind, werden in dem Sofortprogramm ebenso sorgfältig umgangen wie jene Reizworte, die vor einigen Monaten zu einem steilen Absturz der Partei in der Wählergunst geführt hatten. Unter den Plänen, die übriggeblieben sind, finden sich neben anderen die Forderungen nach einer Anerkennung der doppelten Staatsbürgerschaft, einer Wiedereinführung der privaten Vermögenssteuer, einer humanen Drogenpolitik und einem Arbeitsförderungs-Reformgesetz, das den Benachteiligungen von Frauen auf dem Arbeitsmarkt entgegenwirken soll.

An erster Stelle des Programms steht der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, der mit einem „Bündnis für Arbeit“ begonnen werden soll. Beteiligt werden sollen daran auch Arbeitsloseninitiativen und Sozialverbände. Die Grünen wollen mit einer Neufassung des Arbeitszeitgesetzes die Höchstarbeitszeiten reduzieren sowie Überstunden abbauen und Teilzeitarbeit fördern. Flankiert werden soll das Bündnis für Arbeit von einer Steuerreform, die vor allem die unteren und mittleren Einkommen entlastet. Das Kindergeld wollen die Grünen auf 300 Mark erhöhen.

Der Einstieg in die ökologisch- soziale Steuerreform ist Punkt vier des Sofortprogramms. Arbeit müsse billiger und Energie teurer werden, heißt es in dem Papier: „Mit den Einnahmen aus der Ökosteuer wollen wir die Beiträge zu den Sozialversicherungen senken.“ Den Ausstieg aus der Atomenergie wollen die Grünen „sofort angehen“. Alle „zur Verfügung stehenden Mittel“ sollen genutzt werden, um die Atomkraftwerke „schnellstmöglich“ abzuschalten. Streit mit dem möglichen Koalitionspartner SPD wollen Bündnis 90/Die Grünen derzeit offenbar vermeiden.

Vorstandssprecher Trittin erklärte, zum Teile gebe es im Sofortprogramm seiner Partei „Übereinstimmung“ mit dem SPD-Programm, zum Teil schließe es „Lücken“, die bei der SPD bestünden. Der SPD-Vorsitzende Oskar Lafontaine hielt sich seinerseits gestern ebenfalls mit Kritik zurück. Kein Koalitionspartner seiner Partei sei „unproblematisch.“ Im übrigen kenne er das Programm der Grünen noch nicht im einzelnen.

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