Grüner Wahlkampf: Künast schmeckt noch
Trotz sinkender Umfragewerte bleibt an der Basis Kritik an der Spitzenkandidatin aus. Künast schwört ihre Partei darauf ein, als "Spielführer" anders denken zu müssen.
Wider alle sinkenden Umfragewerte hält die grüne Spitzenkandidatin Renate Künast daran fest, die Abgeordnetenhauswahl am 18. September gewinnen zu können. "Wir waren weder trunken, als wir noch vor der SPD lagen, noch sind wir jetzt unsicher, da wir hinten liegen", sagte Künast am Montagabend beim Grünen-Kreisverband in Mitte. Die Grünen hatten im Herbst 2010 in Umfragen 30 Prozent erreicht und lagen teilweise 8 Prozentpunkte vor der SPD. Seit Künasts Nominierung als Kandidatin für den Posten der Regierenden Bürgermeisterin Anfang November sind die Werte jedoch stetig gesunken. In der jüngsten Umfrage erreichten die Grünen nur noch 24 Prozent, die SPD hingegen lag bei 28.
Die Partei aber scheint der Vorgabe von Künast zu entsprechen und den Negativtrend bislang auszuhalten. Zwar gibt es schon seit Wochen immer mal wieder den einen oder anderen, der von ungenannten Parteifreunden viel harsche Kritik an Künast gehört haben will, öffentlich jedoch ist das Bild ein anderes. Am Montagabend, zum Start einer Tour durch alle Grünen-Kreisverbände, gab es aus dem Kreis der rund 80 Teilnehmer im Rathaus Tiergarten niemanden, der Künast öffentlich für den Negativtrend verantwortlich machte. Dabei saßen dort durchaus nicht nur Delegierte und Mandatsträger, die etwas zu verlieren hätten und sich es deshalb mit ihrer Partei nicht vergrätzen können und wollen.
Viel ließ sich schon an der ersten von knapp einem Dutzend Wortmeldungen ablesen. Da sollte Künast nicht etwa die schlechter gewordenen Umfragewerte erklären oder angeblich mangelnde Kommunikation mit der Abgeordnetenhausfraktion oder Bezirksstadträten - nein, eine Parteifreundin will von ihr vielmehr detailliert wissen, wie die von den Grünen geplante Sanierung öffentlicher Gebäude zu bezahlen sei.
So geht es weiter mit konkreten Fragen nach Regierungshandeln. Bis Künast schließlich sagt: "Ich habe das Gefühl, ich bin schon vereidigt" - die Parteifreunde würden so fragen, als ob sie schon Regierende Bürgermeisterin sei.
Auch wenn öffentliche Kritik ausbleibt: Künast baut vor und schwört ihre Parteifreunde mehr denn je darauf ein, dass die bislang einmalige Chance der Regierungsübernahme - noch nie haben die Grünen in Deutschland einen Ministerpräsidenten gestellt - auch Umdenken erfordert. Ein Entwurf des Wahlprogramms soll in gut zwei Wochen vorliegen, beschlossen wird es Anfang März bei einem Landesparteitag. Künast führt ein neues Bild ein, spricht vom Spielführer. Das zu sein - sprich Chef in einer Koalition - sei etwas anderes als Mitspieler, also kleiner Partner im Senat. "Spielführer ist eine qualitativ andere Rolle", sagt sie und erneuert ihre Forderung an die Partei, Verantwortung für die ganze Stadt zu übernehmen.
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