Grüner Umweltexperte über Wassernot: „Wasser ist noch wichtiger als Gas“
Es könnte eng werden mit der Berliner Wasserversorgung, sagt Benedikt Lux (Grüne). Das Land brauche deswegen die Möglichkeit, Wasser zu rationieren.
taz: Herr Lux, als Grünen müssen wir Sie in diesen Zeiten einfach fragen, wie lange Sie duschen.
Benedikt Lux: Sehr kurz, deutlich unter fünf Minuten – aber manchmal zweimal am Tag, denn Sport muss sein.
Liegt das, gemessen am Habeck’schen Anspruch, noch im grünen Bereich?
Immerhin haben wir zu Hause einen strombetriebenen Durchlauferhitzer.
Da geht es um den Energieträger, mit dem wir das Wasser erhitzen – aber angesichts der herrschenden Dürre in der Region wird auch das Wasser selbst zum Thema.
Ja, wir müssen schauen, dass wir uns weiterhin selbst versorgen können, denn der Wasserverbrauch in Berlin nimmt seit einigen Jahren wieder zu. Es ist eine Besonderheit, dass wir unser Trinkwasser komplett in Berlin gewinnen. Viele andere Städte transportieren ihr Wasser über lange Distanzen heran, Stuttgart zum Beispiel aus dem Bodensee. Aus Gründen des Klimaschutzes und der Unabhängigkeit wäre es keine gute Idee, Wasser künftig per Rohrleitung heranzuschaffen.
Viel von unserem Trinkwasser wird im Uferbereich der Spree gewonnen, die für Nachschub sorgt. Jetzt geht in Brandenburg die Braunkohle-Ära zu Ende, und durch die Flutung der Tagebaue droht Berlin, dass bald zu wenig Wasser ankommt.
Richtig. Es kann sein, dass dann kurzfristig zu wenig Wasser in die Spree nachfließt. Die große Unbekannte ist: Wie schnell bildet sich das Grundwasser in Brandenburg nach? Das wird gerade untersucht, darauf muss Berlin dann reagieren.
Berlin und Brandenburg werden das Wassermanagement in der Region immer stärker gemeinsam betreiben müssen. Haben Sie den Eindruck, dass beide an einem Strang ziehen?
Benedikt Lux, 41, ist Sprecher für Umwelt- und Verbraucherschutzpolitik der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Zuvor war er lange für Innen- und Sicherheitspolitik zuständig.
Die Zusammenarbeit muss verstärkt werden, übrigens auch mit Sachsen – wobei Brandenburg jetzt schon viel tut, um die Spree sauber zu halten. Vorschreiben können wir Brandenburg natürlich nicht, was es zu tun hat.
Was kann es denn tun?
Aus ökologischer Sicht ist es zum Beispiel sinnvoll, mehrere kleinere Seen anzulegen, statt den riesigen „Ostsee“ bei Cottbus. Die verdunsten weniger Wasser und sind besser für den Artenschutz. Berlin beteiligt sich schon mit mehreren Millionen Euro etwa am Bau von Rückhaltebecken. Aber wir können auch selbst noch sehr viel tun: Flächen entsiegeln, Kreisläufe schaffen, bei denen etwa Duschwasser noch mal für die Toilettenspülung verwendet wird, Fassaden und Dächer begrünen.
Das Wort einsparen fiel jetzt nicht.
Es ist immer sinnvoll, achtsam mit Wasser umzugehen. Natürlich ist es nicht gut, in der Mittagssonne den Rasen zu sprengen oder bei anhaltender Trockenheit den Pool zu füllen. Allerdings können wir als Land Berlin nur appellieren. Eine gesetzliche Befugnis, etwa Rationierungen anzuordnen, haben wir im Gegensatz zu anderen Bundesländern nicht.
Wäre es gut, wenn Berlin das könnte?
Ja, für Wasserverbräuche, die objektiv verzichtbar sind. Wir müssen in Notsituationen Dinge wie das Rasensprengen, Autowäsche oder das Befüllen eines Pools verbieten können.
Ein Anreiz für eine vernünftigere Wassernutzung wäre ein höherer Preis ab einer bestimmten Menge. Nach Auskunft der Wasserbetriebe ist eine solche Gebührengestaltung zur Lenkung des Verbrauchs rechtlich nicht möglich.
Erst kürzlich hat der einstige Bundesminister Jens Spahn genau das für Energie gefordert – früher hätten die Leute bei solchen Vorschlägen „Sozialismus“ geschrien, heute wirkt das einfach nur vernünftig. Ich denke, die Entwicklung wird dahin gehen, dass man einen Grundverbrauch definiert und alles darüber teurer wird. Das werden die Grünen sicher nicht morgen ins Abgeordnetenhaus einbringen. Aber es liegt auf der Hand. Wir brauchen Anreize für einen Verbrauch im sinnvollen und angemessenen Rahmen.
Welche Verbräuche sind sinnvoll?
Kochen, duschen, Trinkwasser, Toiletten, Waschmaschine.
Zweimal duschen pro Tag?
Ja, da muss ich auch noch mal rechnen (lacht).
Kommen solche Sparaufrufe nicht viel zu spät? Dass wir eine Klimakrise haben, ist ja schon länger bekannt.
Sicher. Wasser ist sogar noch wichtiger als Gas, noch elementarer. Deswegen muss man vorbeugen, die Achtsamkeit schärfen, Maßnahmen vorbereiten. Aber in Berlin mussten wir uns bis vor einigen Jahren tatsächlich keine Sorgen machen. Erst seitdem sehen wir langfristig sinkende Wasserstände.
Vom Wasser zu den Gewässern: Anfang des Jahres haben Sie die grüne Senatsumweltverwaltung gefragt, ob Berlin bis 2027 die EU-Wasserrahmenrichtlinie erfüllen wird, nach der alle Gewässer einen „guten ökologischen Zustand“ aufweisen sollen. Diese Deadline war schon eine Verlängerung, ursprünglich galt mal 2015. Die Antwort der Umweltverwaltung: Schaffen wir wohl nicht. Was läuft da falsch?
Strukturell haben die Bezirke für die Gewässerpflege zu wenig Mittel und Personal. Deshalb werden viel zu wenige Gewässer renaturiert. Bei der Panke wird das beispielsweise getan, aber die rund 400 Kleingewässer Berlins sind in einem miesen Zustand. Viele trocknen aus, sind verschlammt oder zugewachsen. Für deren Pflege müssten die Wasserbetriebe und andere Unternehmen, die das können, dauerhaft in die Pflicht genommen werden.
Sind die Wasserbetriebe dazu finanziell in der Lage?
Die Wasserbetriebe, die ja vor knapp zehn Jahren rekommunalisiert wurden, bringen jährlich über 100 Millionen Euro in die Landeskasse – und sie haben hohe Rücklagen. Ich will natürlich, dass das Geld für gesunde Gewässer ausgegeben wird.
Derzeit fließt der Überschuss pauschal in den Landeshaushalt.
Das kritisieren wir Grüne schon lange. Übrigens: Kaum auszudenken, wenn die Wasserbetriebe heute noch privat wären. Dann wären sie wahrscheinlich bei den Gebühren nicht so zurückhaltend und würden gleichzeitig ihre Gewinne aus der Stadt abziehen.
Im Koalitionsvertrag hat sich Rot-Grün-Rot darauf verständigt, dass bis 2030 für jede neu versiegelte Fläche eine gleich große entsiegelt wird. Eigentlich müsste ja netto mehr entsiegelt werden.
Aus ökologischer Sicht absolut. Aber unter den gegebenen Umständen ist schon der Status quo ein ambitioniertes Ziel. Schließlich sollen bis 2026 allein 100.000 Wohnungen gebaut werden. Aber Ende dieses Sommers wird abgerechnet: Da erscheint der neue Umweltatlas, der auch eine Bilanz der Ver- und Entsiegelung ziehen wird. Ich vermute, wir werden deutlich im Minus sein, auch wenn wir anfangen, mehr Flächen zu entsiegeln.
Um welche Dimensionen geht es da?
Wir hatten von 2011 bis 2016 rund 700 Hektar zusätzliche Versiegelung – also knapp 1.000 Fußballfelder. Für die Zeit danach gehe ich eher von 1.000 bis 1.500 Hektar zusätzlich aus. Sollte das so sein, muss sich Rot-Grün-Rot auf einen verbindlichen Weg einigen, wie wir das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel einer Netto-null-Versiegelung für 2030 erreichen. Das ist sehr ambitioniert, aber wichtig für die Stadt. Notfalls über ein Gesetz, etwa mit verpflichtender Fassaden- und Dachbegrünung auch im Bestand, nicht mehr nur beim Neubau, und mit mehr Anreizen für die Entsiegelung von Flächen.
In diesen Tagen sind die Sommerbäder voll. Kann sich Berlin seine Bäder eigentlich noch leisten?
Die gehören in der Stadt dazu, und es gibt Bezirke wie Marzahn-Hellersdorf ohne eigenes Freibad, das geht nicht. Also da muss man schon auch an die ganze Stadt denken und von Anfang an ökologisch bauen.
Das war jetzt keine klare Antwort …
Bäder gehören für mich zu einer erweiterten Grundversorgung. Es geht darum, dass die Politik ungefähr das aktuelle Angebot halten kann und nach Möglichkeit in manchen Gebieten erweitert, wenn auch nicht mit oberster Priorität. Wir haben ja noch die Badestellen an unseren Seen, und ich rufe immer dazu auf, die zu nutzen – auch wenn da mal ein Riesenwels rauskommt. Ich persönlich bin auch ein großer Freund des Flussbads an der Museuminsel.
Kommt das denn nun? Zuletzt hieß es, die Kosten dafür würden über 100 Millionen Euro betragen – recht viel für eine weitere Badestelle.
Die 100 Millionen Euro geistern immer wieder durch die Presse – einen Beleg habe ich dafür bislang nicht gesehen. Ich hoffe sehr, dass das Flussbad kommt, und meine Prognose ist: Es wird voraussichtlich deutlich unter den bisher berechneten knapp 70 Millionen Euro kosten. Aber selbst 70 Millionen wären über viele Jahre gerechnet eine darstellbare Summe dafür, dass man der Stadt etwas zurückgibt. Da bin ich Überzeugungstäter. Für mich ist das Flussbad vor allem eine Antwort auf die Frage, wem die Stadt gehört. Die Leute, die es verhindern wollen, sagen doch: Durch die Spree soll lieber Scheiße schwimmen als Touristen. Ich finde, es gibt kaum was Geileres in der Stadt, als in einem der zentralen Spreekanäle kostenlos schwimmen zu können.
Hätte es auch einen ökologischen Effekt?
Ja. Durch die nötigen Filter wird das Wasser sauberer, das hat dann einen positiven Effekt auf den folgenden Flusslauf.
Warum dürfen die Ausflugsschiffe auf Spree und Havel eigentlich noch mit Diesel fahren?
… und die wenigstens davon mit Filter! Ich würde das sofort ändern. Aber es ist eine Bundeswasserstraße, also müssen wir schauen, wie wir als Land Druck machen können, etwa über die Steggenehmigungen oder die Förderung von Elektroschiffen. Die großen Reedereien haben ein viel zu geringes Interesse an der Umstellung. Hamburg steigt bis 2030 aus der Diesel-Passagierschifffahrt aus. Das sollte Berlin auch tun.
Der Weg über die Steggenehmigung klingt doch recht einfach: Wer mit Diesel fährt, kriegt keine.
Es gibt Hinweise darauf, dass sich das Land bei diesen Verträgen sehr lange gebunden hat.
Herr Lux, Sie waren viele Jahre lang innenpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion: Was ist der grundsätzliche Unterschied zwischen Innen- und Umweltpolitik?
In der Umweltpolitik sind die Linien länger, sie ist weniger tagesaktuell. Und man kann radikaler sein als Grüner.
Weil das allgemein erwartet wird?
Vielleicht auch, weil Umweltpolitik elementarer, grundlegender, ist. Als Innenpolitiker wird man gefragt: Was sagen Sie zur brennenden Mülltonne in diesem oder jenem Bezirk? So was gibt es für mich jetzt nicht mehr. Ich freue mich, dass ich nach all den Jahren als Innenpolitiker jetzt mit der Umweltpolitik eine neue Sprache lernen darf.
Lange Linien gibt es aber auch in der Innenpolitik. Etwa beim Polizeibeauftragten, der nach 25 Jahren Debatte im August endlich seine Arbeit aufnimmt.
Es ist schlimm, dass das eine lange Linie ist.
Und bei der Ökologie ließen sich manche Linien verkürzen. Gerade läuft das Volksbegehren „Berlin klimaneutral 2030“, das die Klimaziele des Landes deutlich zuspitzen will.
Absolut. Andererseits haben Umwelt- und Innenpolitik auch Ähnlichkeiten: Letztlich geht es um den Ausgleich von Sicherheit und Freiheit. In der Innenpolitik würde ich eher sagen: Freiheit zuerst, in der Umweltpolitik schützen wir die Freiheit und Sicherheit vor allem der zukünftigen Generationen.
Das klingt jetzt, als gäbe es ein absolutes, anerkanntes Ziel in der Umweltpolitik.
Ich sage das natürlich als Grüner. In der Innenpolitik sind wir es, die aktuelle staatliche Eingriffe kritisch hinterfragen, etwa Alkoholverbote in Parks. Bei der ökologischen Frage müssen wir Mehrheiten für eine viel eindeutigere Haltung gewinnen. Es geht darum, die Grundlagen unseres Lebens zu sichern. Und das wird weder mit unbegrenztem Rasen auf der Autobahn noch unbegrenztem Rasensprengen auf Dauer gut gehen.
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