Grüner Umbau und Armut: Geld gibt's für Klimaschutz genug
Investitionen in grüne Techniken sind nicht nur bezahlbar, sondern auch die klügere ökonomische Wahl. Sie können sogar soziale Spannungen verringern.
BERLIN taz | Die drei häufigsten Argumente gegen Klimaschutz lauten: „Geht nicht“; „Viel zu teuer“ und „Die Armen zahlen die Zeche“. Gegenpositionen kommen jetzt von drei neuen Studien. Demnach sind Investitionen in grüne Techniken nicht nur bezahlbar, sondern auch die klügere ökonomische Wahl – und wenn sie richtig angelegt sind, können sie soziale Spannungen verringern.
Denn Geld ist da, findet eine Studie von britischen, deutschen und US-amerikanischen Instituten, die in Science erschienen ist. Die Forscher schreiben: Schon ein kleiner Teil der angekündigten Hilfsprogramme für die „Green Recovery“ auf der ganzen Welt würde reichen, das globale Energiesystem bis 2050 auf Klimaneutralität umzustellen.
Wenn über die nächsten fünf Jahre jeweils etwa 10 Prozent der angekündigten 12 Billionen Dollar in Wind- und Solarstrom, in Effizienz und Elektromobilität flössen, wäre die globale Energiewende finanziert. Dafür sollten umweltschädliche Subventionen und Finanzhilfen für Kohlekraftwerke wegfallen. Allerdings müssten arme Länder wie Indien einen höheren Anteil ihrer Coronahilfen in die saubere Wirtschaft stecken als etwa Europa.
Ein solcher Grünschwenk bei den Investitionen wäre kein Öko-Wunschdenken, sondern knallhart kalkuliert, meint eine andere Untersuchung, die am Montag präsentiert wird. Sie wurde von der „We mean Business“-Koalition und der Uni Cambridge in Auftrag gegeben.
Grünes Programm bringt mehr Wirtschaftsleistung
Fazit: Ein grünes Konjunkturprogramm mit Konzentration auf Ökostrom, neue Stromnetze, Effizienz, Aufforstung und einer Abwrackprämie mit Zuschüssen für E-Autos würde etwa in Deutschland mehr Wirtschaftsleistung und Beschäftigung bringen als ein „dreckiges“ Paket. Bis 2023 könnten damit die Emissionen um 12 Prozent dauerhaft gesenkt werden.
Der grüne Umbau muss schließlich auch nicht auf Kosten der Ärmsten passieren – sofern die Politik intelligente Regeln erlässt. Das steht in einer Überblicksstudie des Mercator Institut MCC. Darin werden Fallbeispiele aus der ganzen Welt analysiert, wo etwa Einspeisetarife für Ökostrom, höhere Spritsteuern, CO2-Preise oder der Bau von Staudämmen soziale Folgen haben.
Fazit: Wenn die Maßnahmen „nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht sind“, lassen sich zusätzliche Vorteile zeigen. Wo nicht, sind solche Öko-Maßnahmen allerdings ein gefundenes Fressen für die Gegner des Klimaschutzes.
Leser*innenkommentare
Manuel Bonik
Ich tu mir immer schwerer, Windenergie und E-Autos als umweltfreundlich zu begreifen, allein schon, was die Rohstoffe und die Umstände ihrer Gewinnung angeht. Wenn da so getan wird, als seien solche Technologien immer nur lieb und 100prozentig sauber, wittere ich Geldinteressen dahinter. Dass z.B. für Windenergie Wälder plattgemacht werden, kommt mir nicht so naturfreundlich vor. Ein übles aktuelles Beispiel ist etwa der Reinhardswald in Hessen, wo jetzt übrigens grüne (!) Minister gerade die Naturschutzstandards abgesenkt haben; immerhin kann man daran mal gut erkennen, dass Klimaschutz und Naturschutz nicht dasselbe sind.
Ein bisschen kenne ich auch die Situation in Finnland: Da hat "grüner" Bergbau in Talvivaara zu etlichen umgekippten Seen geführt und wird das vermutlich auch weiterhin tun. Und mitten in intakten Wäldern stellen deutsche Firmen Windparks auf, direkt neben Nationalparks.
Immer gerne versprochen werden bei solchen Aktionen Jobs. Real gehen da Jobs verloren, etwa im Tourismus.
Ach ja, hoffentlich klappt es bald mit der Kernfusion. Windkraft kann nur eine Übergangstechnologie sein, auch wenn deren Profiteure das vielleicht nicht gerne hören.
Markus Koch
Ich glaube die meisten Zahlenspiele heute berücksichtigen nicht, dass wir eigentlich ein Kipppunkt Szenario vor uns haben, in 15, besser (im Sinne von vorsichtshalber) in 10 Jahren schon, welches uns sämtliche "Gashebel" und Ruder aus der Hand nehmen könnte.
Ich glaube auch, dass wir dem Postwachstumsansatz, oder auch der Idee einer radikalen, staatlich gelenkten und die Bürger mitnehmenden Reduktion des Wirtschaftsoutputs insgesamt (verbunden mit dem aktuell ja verknüpften CO2 Inputs, bzw. atmosphärischen Outputs) viel mehr Raum geben sollten. Jetzt, heute, hier. Gerade auch in den Medien.
Die Sprache (Medien- wie Politik-Sprech sozusagen) sollte klar machen, dass wir zunächst alles/vieles auf Halt bringen müssen, und alles vom 1,5° Ziel her neu aufstellen und organisieren. In einem "gewaltigen" gemeinsamen Kraftakt der ganzen Bevölkerung.
Das Kipppunkte Dilemma muss jedem klar gemacht werden... und die extrem ungünstigen Folgen, sollten wir diese globalen Kipppunkte überschreiten.
Ich mache mir hier große Sorgen, dass wir vor lauter Kompensationsprogramme und Effizienzsteigerung(shoffnungen) die wahre zahlenmäßige Faktenlage aus den Augen verlieren.
Kristina
Wenn ich den Artikel lese denke ich an die Argumente der Grünen von vor 10 Jahren. Da wurden uns auch blühende Landschaften versprochen. Studien belegten wie toll alles wird. Zuerst ist die Solarwirtschaft gestorben jetzt steckt die Windkraft industrie in der Krise. Man kann ja gern dran glaubenden man sich dann besser fühlt.
meerwind7
12% wäre aber ziemlich wenig: "Bis 2023 könnten damit die Emissionen um 12 Prozent dauerhaft gesenkt werden."
Allein mit der Einführung eines CO2-Preises von 180 €/t (mit gewissen Anpassungen) können vergleichbare Reduktionen sofort ab Einführung erreicht werden, siehe foes.de/publikatio..._EBP_CO2-Preis.pdf . In den nächsten Jahren würden weitere Reduktionen folgen.