Grüner Spitzenkandidat zur Bayern-Wahl: „Gegenmodell zu anderen Parteien“
Ludwig Hartmann, Grünen-Chef in Bayern, ist grundsätzlich gesprächsbereit – außer für die AfD. Auch eine Viererkoalition unter Grünen-Führung sei möglich.
taz: Herr Hartmann, erstmals sehen Umfragen nun eine rechnerische Möglichkeit für eine Viererkoalition gegen die CSU. Wie hoch sind die Chancen dafür?
Ludwig Hartmann: Das ist wirklich Kaffeesatzleserei, was da wie nach der Wahl sein könnte. Ich bin ein Freund von stabilen Regierungsverhältnissen. Und natürlich wollen wir Verantwortung übernehmen, aber wir wollen vor allem unsere Inhalte umsetzen. Schauen Sie sich beispielsweise mal die SPD an: Mit der teilen wir ja wirklich viel – etwa in der gesamten Flüchtlingspolitik oder bei den Themen sozialer Zusammenhalt und Wohnen. Aber gerade bei Umweltthemen trennt uns oft sehr viel. Bei unserem Volksbegehren gegen die Betonflut in Bayern, da war die SPD auf der anderen Seite.
Und mit den anderen beiden theoretischen Koalitionspartnern, der FDP und den Freien Wählern, wäre die Schnittmenge doch bestimmt nicht größer?
Genau. Wir Grüne sind in vielen Bereichen das Gegenmodell zu den anderen Parteien. Wir warten jetzt bis zum Sonntag, und dann werden wir sehen, welche Optionen es für die demokratischen Parteien gibt. Wir sind grundsätzlich gesprächsbereit, nur nicht mit der AfD. Die AfD ist für mich kein politischer Mitbewerber, sondern ein Gegner, der ein anderes Land will und den wir bekämpfen.
Aber welche Konstellation würden Sie sich denn wünschen?
Wir machen keinen Bündniswahlkampf. Ich kämpfe für ein starkes grünes Ergebnis. Wir wollen zweitstärkste Kraft werden. Je schlechter die CSU abschneidet, desto besser für eine ökologische und gerechte Politik in Bayern. Je schlechter die AfD abschneidet, desto besser für die Demokratie. Und nach der Wahl ist es zunächst an der stärksten Fraktion, einen Vorschlag zur Regierungsbildung zu machen.
Ludwig Hartmann, 40, ist zusammen mit Katharina Schulze Spitzenkandidat der Grünen.
Vor zehn Jahren gab es ja schon mal die Möglichkeit für eine Viererkoalition. Woran ist das gescheitert?
Ich habe das nur am Rande mitbekommen, weil ich da gerade ganz neu im Landtag war. Offenbar hat die CSU damals sehr lange gebraucht, die Frage nach dem möglichen Ministerpräsidenten zu klären. Und dadurch wurde die verbleibende Sondierungszeit besonders kurz. Letztendlich war es dann die Entscheidung der FDP, ein Bündnis mit der CSU einzugehen. Wohl bekommen ist es ihr nicht.
Für Sie könnte es in einer schwarz-grünen Koalition natürlich auch schwierig werden. Die Grüne Jugend hat sich gerade klar gegen Schwarz-Grün positioniert.
Dass die Grüne Jugend skeptisch ist, kann ich nachvollziehen. Ich merke aber im Land eine Stimmung, dass die Menschen nicht nur wollen, dass wir Grüne den Finger in die Wunde legen, sondern die wollen uns gestalten sehen. Wir hatten jetzt gerade einen Kleinen Parteitag, und auch bei den eigenen Leuten habe ich diese Stimmung gespürt.
Im Vergleich zu Schwarz-Grün hätte eine Viererkoalition für Sie persönlich natürlich einen besonderen Charme: Die Grünen wären Seniorpartner, und Sie könnten in die Staatskanzlei einziehen.
Glauben Sie mir: Die Frage nach einem Ministerpräsidenten Hartmann stellt sich für mich gerade nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen