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Grüner Spitzenkandidat für BerlinWerner Graf soll ins Rote Rathaus

Am Ende ging es ganz schnell. Werner Graf und Bettina Jarasch gehen für die Grünen in den Wahlkampf. An Nummer eins steht der Mann der Parteilinken.

Jarasch und Graf freuen sich 2021, dass die SPD mit ihnen regieren will. 2023 entschied sich die SPD 2023 für die CDU Foto: picture alliance/dpa | Philipp Znidar

Berlin taz | Als erste Partei in Berlin haben sich die Grünen festgelegt. Werner Graf und Bettina Jarasch sollen die Partei in den Wahlkampf für die nächste Abgeordnetenhauswahl im September 2026 führen. Das Entscheidende an der Meldung ist die Reihenfolge in der Namensnennung. Wenn es das Wahlergebnis zulässt, soll nicht Jarasch, sondern Graf ins Rote Rathaus ziehen. „Mit Werner Graf wollen wir der Stadt ein progressives Angebot machen“, teilen die beiden Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai mit.

Mit diesem Votum, über das zuerst der Tagesspiegel berichtet hatte, hat der Landesvorstand am Montagabend die Notbremse gezogen. Ursprünglich sollte die Reihenfolge nämlich andersherum lauten: Bettina Jarasch und Werner Graf. Doch dann hagelte es Kritik von der Parteilinken. Diese hat sich nun durchgesetzt. Allerdings nicht mit einer Frau an der Spitze, sondern mit Werner Graf, der zusammen mit Jarasch auch die Spitze der Fraktion im Abgeordnetenhaus bildet.

Ein „Power-Couple“ nennen Nina Stahr und Philmon Ghirmai das Spitzenduo Graf und Jarasch in einem Schreiben an die Parteimitglieder. Mit ihnen könne in Berlin wieder etwas bewegt und der Plan- und Perspektivlosigkeit der letzten Jahre ein Ende gesetzt werden. „Die beiden“, heißt es, „machen der Stadt ein kraftvolles Angebot, in dem die Zukunft Berlins und der Zusammenhalt in der Stadt im Mittelpunkt stehen.“

Auch Graf und Jarasch selbst haben sich inzwischen zu Wort gemeldet. Sie kritisieren vor allem die Politik des schwarz-roten Senats. „Ber­lin ist här­ter und auch dre­cki­ger gewor­den“, heißt es in ihrem Schreiben. „Doch die Lan­des­re­gie­rung aus CDU und SPD schaut dabei zu, wie sich die Lage immer wei­ter ver­schärft.“

Statt auf Zusam­men­halt, so Graf und Jarasch, set­zten CDU und SPD auf das „Recht des Stär­ke­ren“. „Sie strei­chen beim Sozia­len, las­sen die Mie­te­r*in­nen im Stich, zer­stö­ren Frei­räu­me für Kul­tur und Wis­sen­schaft. Und nicht nur das: Sie set­zen die Zukunft unse­rer Stadt aufs Spiel, wenn sie alles rück­ab­wi­ckeln, was mit Kli­ma­schutz und Ver­kehrs­wen­de zu tun hat.“

Linke Frauen hatten abgesagt

Dass mit Graf am Ende ein Mann das Rennen machte, geht auf die Absagen der parteilinken Kandidatinnen zurück. Zuerst erklärte die ehemalige Familienministerin Lisa Paus, dass sie für eine Kandidatur nicht zur Verfügung stehe. „Mein Platz ist im Bundestag, auch und gerade jetzt in der Opposition“, schrieb Paus in einem Brief, über den zuerst die taz berichtet hatte.

Später erklärte auch die ehemalige Fraktionsvorsitzende Antje Kapek ihren Rückzug. Auch der – ebenfalls dem linken Flügel zugehörige – ehemalige Landesvorsitzende und Finanzsenator Daniel Wesener hatte erklärt, nicht als Spitzenkandidat zur Verfügung zu stehen.

Formal abgesegnet soll die Personalie auf einem Landesparteitag im November. Zuvor soll es im Herbst eine Reihe von Veranstaltungen geben, auf denen die Mitglieder zu Wort kommen sollen. Darunter der Landesausschuss am 1. Oktober und die FLINTA-Vollversammlung am 11. Oktober 2025. Auch sollen „weitere digitale Gesprächsformate wie Themen-Salons und Zuhör-Veranstaltungen sowie Sprechstunden stattfinden, damit ein direkter Austausch mit den Kandidierenden möglich ist“, teilen Stahr und Ghirmai mit.

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1 Kommentar

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  • Die Grünen scheinen die Zeichen der Zeit nicht zu erkennen, denn die Linke geht in Berlin bei Umfragen auf 19 Prozent zu!

    Statt konsequent linke grüne Politik im Detail zu benennen, gibt es ein politisches Mischmasch mit Graf und Jarasch.

    "Arbeiterkind" Graf soll doch mal erklären, wie ein Arbeiter in einer Stadt wie Berlin über die Runden kommen soll.

    In Wahrheit ist diese Schicht bei den Grünen vollkommen abgeschrieben, sowohl Jarasch als auch Graf sind seit Jahren Berufspolitiker, denen street-credibilty vollkommen fehlt.

    Graf betont die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft, bleibt aber in seinem Manifest mit Jarasch vollkommen allgemein, passend dazu unsägliche PR-Fotos, aus denen nicht hervorgeht, was die beiden Spitzenpolitiker eigentlich antreibt.

    Wie wäre es mit folgender Ansage: wir Grüne werden die Bebauung des Tempelhofer Feldes mit Großdemos mit der Zivilgesellschaft verhindern, genau wie die wahnsinnige Gentrifizierung dieser Stadt abbauen, die wir teilweise mitzuverantworten haben. Z. B. in der grünen Parallelwelt am Prenzlauer Berg, in der vor allem eines zählt: genug Geld!