Grüner Pfeil für Hamburgs Radverkehr: Nicht um die Ecke gedacht
Als Radfahrer bei Rot an der Ampel rechts abbiegen? Laut Straßenverkehrsordnung geht das: mit Zusatzschild. Hamburg tut sich beim Genehmigen schwer.
Wer Hamburgs Verkehrszeichen zählen will, braucht Zeit. Sie stehen dicht an dicht. Ein komplexer Blechwald mit viel Hinter-, Neben- und Übereinander. Sämtliche Exemplare des Zeichens 721 zu zählen, geht allerdings schnell – wenn man weiß, wo das „Grünpfeilschild mit Beschränkung auf den Radverkehr“ zu finden ist. Bisher steht es nur in zwei Straßen.
Zeichen 721, seit 2021 Teil der Straßenverkehrsordnung (StVO), erlaubt Radfahrern das Rechtsabbiegen trotz roter Ampel. Hamburg steht dabei allerdings auf der Bremse. Es sei „erstaunlich, wie beharrlich Hamburg gute Lösungen für Radfahrende einfach ignoriert“, sagt Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Fraktion der Linken in der Hamburgischen Bürgerschaft.
Anfang Juli beißt sie mit ihrer Kleinen Anfrage „Grüner Pfeil und andere Verbesserungen für Radfahrende“ beim Senat auf Granit. Auf ihre Frage, wie viele Pfeile es gibt, bekommt sie zu lesen: „Statistische Daten im Sinne der Fragestellung werden von der Polizei nicht erhoben.“ Für die Beantwortung sei „eine manuelle Auswertung sämtlicher Straßenakten bei den örtlichen Straßenverkehrsbehörden der Polizei erforderlich“. Dazu fehle die Zeit.
Sudmann lässt nicht locker. Mitte Juli schiebt sie die Kleine Anfrage „Grüner Pfeil für Radfahrende“ nach, demonstrativ verwundert, „dass die Anordnungen von Verkehrszeichen nur handschriftlich archiviert werden“. Die Antwort fällt ähnlich aus wie zwei Wochen zuvor: Über 8.000 analog geführte Akten müssten „händisch ausgewertet werden, da diese nicht nach Jahren oder Stichworten auszuwerten sind“. Aber dann kann der Senat doch schreiben: „Für zwei Straßen“ sei „nach den Erinnerungen der Mitarbeiter VD 5“ eine Anordnung erfolgt. Bei VD 5 handelt es sich um die zentrale Straßenverkehrsbehörde der Verkehrsdirektion der Polizei.
Viele Hürden fürs Verfahren
Dass sich der innovative Pfeil, deutschlandweit in Pilotversuchen als positiv evaluiert, in Hamburg aber so rar macht, kann auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Hamburg (ADFC) nicht verstehen. „Entgegen ihren Versprechungen, die StVO-Änderung umzusetzen“, habe die Stadt „tatsächlich auch unserer Kenntnis nach nur zwei dieser Verkehrszeichen angeordnet“, bestätigt ADFC-Sprecher Dirk Lau der taz. „Das ist sehr enttäuschend, denn der grüne Pfeil erhöht die Verkehrssicherheit und den Fahrkomfort für Radfahrende auf relativ unkomplizierte Weise.“ Wartezeiten werden so vermieden.
Dass die Stadt solche Verbesserungen „nur sehr zaghaft bis gar nicht“ umsetze, liege „vor allem am Widerstand der SPD-geführten Innenbehörde“. Sie zeige „kein Interesse an solchen Neuerungen im Sinne einer notwendigen Verkehrswende“, sondern hänge „noch ganz im autogerechten Denken des letzten Jahrhunderts fest“.
Katrin Brardt, Sprecherin der Innenbehörde, verweist auf Anfrage der taz auf die „Hamburger Richtlinien zur Anordnung von Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen“ von Mitte Juli 2022. Da steht zwar, bei Um- und Neuplanungen sei „der Einsatz des Grünpfeils für den Radverkehr stets zu prüfen“. Doch dann folgt eine lange Liste von Ausschließungsgründen, mit viel „darf nicht“ und „sollte nicht“. Auch der Radverkehr selbst kann hier gegen den Pfeil sprechen, etwa wenn bei hohem Radverkehrsaufkommen „der Anteil des geradeaus fahrenden Radverkehrs den Anteil des nach rechts abbiegenden Radverkehrs erheblich übersteigt und die Verkehrsfläche ein sicheres Überholen des wartenden Radverkehrs nicht gewährleistet“. Viele Hürden. Hohe Hürden.
„Aktuell laufen an zehn Straßenkreuzungen Prüfverfahren zur Anordnung“, sagt Brardt. Die Hälfte davon hat der ADFC beantragt. Es wird sich zeigen, ob und wann hier das Neue über das Alte siegt.
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