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Grünen-Parteitag in FürstenwaldeDie Hoffnung lebendig halten

Die außerparlamentarischen Brandenburger Grünen halten sich für kaum verzichtbar – und müssen wohl doch noch vier Jahre auf eine Landtagswahl warten.

Grünen-Bundeschef Banaszak, der jüngst ein Regionalbüro in Brandenburg eröffnete, war Gastredner beim Parteitag in Fürstenwalde Foto: Britta Pedersen/dpa

Aus Fürstenwalde

Stefan Alberti

Grauer Himmel, Regen, regulär noch knapp vier Jahre bis zur nächsten Landtagswahl und dann auch noch binnen sechs Monaten zum zweiten Mal auf Vorstandssuche. Es kann für eine Oppositionspartei durchaus bessere Umstände für einen Parteitag geben. Doch genau diese begleiten am Samstag in Fürstenwalde das Treffen der Brandenburger Grünen, die vor rund 14 Monaten aus dem Landtag geflogen sind und seit Ende 2024 auch nicht mehr mitregieren.

„Wir werden eine richtig starke außerparlamentarische Opposition machen, und zwar ab morgen“, hatte an jenem Septemberabend der Wahlniederlage 2024 der damalige Spitzenkandidat Benjamin Raschke versprochen. Daran arbeitet sich die Partei seither ab, und dafür hat sie in diesem November prominente Unterstützung bekommen. Denn Grünen-Bundeschef Felix Banaszak, früher Parteivorsitzender in Nordrhein-Westfalen und dort auch in den Bundestag gewählt, hat zu Monatsbeginn ein Regionalbüro in Brandenburg an der Havel eröffnet. Das ist von der Berliner Zentrale der Bundespartei mit knapp 60 Kilometer nach Westen nur unwesentlich weiter weg als Fürstenwalde nach Osten.

Bis zu dreimal im Quartal will er dort sein, hat Banaszak angekündigt. Auch eine Büroleiterin soll ansprechbar sein, die er mit nach Fürstenwalde gebracht hat, wo er an diesem Morgen der Gastredner ist. „Mein Zweitlandesverband“, sagt er dort über Brandenburg. Nach ein paar grundsätzlichen Worten, Kritik am Bundeskanzler und der schwarz-roten Koalition wird er landespolitisch und kommt auf das im Land in diesen Tagen dominierende Thema: die Krise beim Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und damit in der Koalition mit der SPD von Ministerpräsident Dietmar Woidke. „Ich habe gehört, bei eurer Landesregierung läuft es nicht so gut“, sagt Banaszak unter stürmischem Applaus. „Und ich habe gehört, ihr habt die Kraft, ihr habt die Entschlossenheit, eure Rolle anzunehmen, egal was die da machen.“

Das ist die Vorlage für den Chef des Landesverbands, Clemens Rostock, die Grünen als Regierungsalternative anzupreisen. Denn die sind nach dem Wahldesaster vor 14 Monaten gegen den Trend deutlich gewachsen, um rund ein Drittel von rund 3.000 auf knapp 4.000 – was nicht mehr weit weg ist von den landesweit 5.500 Menschen mit SPD-Parteibuch. Laut Rostock hat seine Partei auf Social-Media-Kanälen mehr Verbreitung als SPD und CDU zusammen. Inhaltlich habe man fünf Jahre lang in der rot-schwarz-grünen Regierung geliefert, der Kenia-Koalition. „Und wir liefern auch in der Apo.“

Jüngste Umfrage gibt den Grünen nur 4 Prozent

Das klingt nach Aufbruch und Rückhalt. Es passt aber nicht zur zwar zwei Monate alten, aber immer noch jüngsten Umfrage zu den Brandenburger Parteien. Da stehen die Grünen trotz Mitgliederwachstums und Medienreichweite weiter so schlecht da wie bei der Landtagswahl: bei 4 Prozent. Käme es wegen der aktuellen Verwerfungen beim BSW zu einer Neuwahl, würde das den Grünen wegen der 5-Prozent-Hürde trotzdem nicht in den Landtag zurückhelfen. Landeschef Rostock hält das nicht ab, sich eine Neuwahl zu wünschen, falls ein unsicherer Zustand in der SPD-BSW-Koalition anhält: „Dann sollen die Menschen in diesem Land auch die Chance haben, neu zu wählen.“

Dass es dazu kommt, gilt aktuell als sehr unwahrscheinlich. Denn falls die aktuelle Koalition wegen des Zwists im BSW platzt, dürfte sich im Landtag absehbar eine um jüngst aus dem BSW ausgetretene Abgeordnete verstärktes rot-schwarzes Bündnis finden. Inoffiziell gibt es das im aktuellen Fall bereits: Die CDU will nächsten Mittwoch wie die SPD für die neuen Rundfunkstaatsverträge stimmen. Die BSW-Fraktion hat hingegen beschlossen, das nicht zu tun.

Bei den rund 140 Grünen-Delegierten im Saal des Fürstenwalder Bürgerzentrums ist viel davon zu hören, dass man in der Landespolitik und bei vielen Themen fehle. Man beklagt Fehlentwicklungen, vor allem beim Umweltschutz und beim Rechtsextremismus, kann sie nicht verstehen, mag sie nicht verstehen. Denn, so ist man im Saal überzeugt, mit ihnen, den Grünen, lasse sich das alles lösen. Wieso also sitzen sie hier als außerparlamentarische Opposition? Eine Rednerin beschreibt es so: Man habe im Wahlkampf zugehört – „aber uns wurde nicht geglaubt, dass wir zuhören“.

Nicht im Saal ist das prominenteste Mitglied des Landesverbands, Ex-Außenministerin Annalena Baerbock, nun Präsidentin der UN-Generalversammlung. Dabei ist sie mittelbar dafür verantwortlich, dass ihre Partei an diesem Samstag zum zweiten Mal in diesem Jahr eine neue Vorsitzende wählen muss. Denn weil Baerbock Ende Juni ihr Bundestagsmandat niederlegte und nach New York umzog, rückte über die Landesliste Andrea Lübcke für sie nach. Die war im März erst mit Rostock zusammen zur Vorsitzenden der Brandenburger Grünen gewählt worden. Als Bundestagsabgeordnete aber konnte sie nicht im Parteiamt bleiben – die Grünen-Satzung schließt beides zusammen aus.

Zwei Bewerbungen für den Landesvorsitz

Die Neuwahl im Frühjahr war nötig geworden, weil das vorige Führungsduo als Konsequenz aus der Landtagswahlniederlage schon Ende 2024 seinen Rückzug angekündigt hatte. Um Lübckes Nachfolge bewerben sich am Samstag zwei Frauen, die zuvor außerhalb der Partei unbekannt waren. Dabei setzt sich die 37-jährige Juliana Meyer aus dem Kreisverband Cottbus mit rund 55 zu 41 Prozent gegen Svenja Künstler aus dem Kreisverband Potsdam-Mittelmark durch. Sie bildet nun mit Clemens Rostock die Doppelspitze des Landesverbands.

Im Saal gibt es danach trotz aller vom Rednerpult gehörten Betrübtheit über gegenwärtige politische Entwicklungen in der Mittagspause viele freudige Gesichter. Man ist merklich froh, unter so vielen Gleichgesinnten zu sein. Denn der von Rostock und anderen betonte Mitgliederzuwachs hat wenig daran geändert, dass die Partei im Land sehr unterschiedlich vertreten ist. Auf den über 2.200 Quadratkilometern des gastgebenden Kreisverbands Oder-Spree hat sie 155 Mitglieder – in Potsdam sind es hingegen bei etwa gleicher Einwohnerzahl auf einem Zwölftel der Fläche fast 1.000 Mitglieder.

Draußen vor dem Bürgerzentrum ist der Himmel derweil immer noch grau, es regnet fortwährend. Und die nächste Landtagswahl ist auch mit neuem Vorstand mutmaßlich immer noch fast vier Jahre weit weg.

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1 Kommentar

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  • Die Grünen werden nur noch von ihren Stammwählern gewählt und werden bundesweit nicht als Volkspartei wahrgenommen. Ich denke die Grünen werden nicht mehr zu altem Glanz zurückfinden.