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Grünen-Militärexperte Nachtweih"Die Taliban nicht frontal angreifen"

Der Krieg in Afghanistan ist mit Militär nicht zu gewinnen. Benötigt werden ziviler Aufbau und eine defensivere militärische Taktik, so der grüne Militärexperte Winfried Nachtwei.

Für den Isaf-Einsatz, gegen Tornados: Winfried Nachtwei Bild: die grünen
Interview von Katharina Koufen

taz: Herr Nachtwei, Sie touren wegen der Afghanistan-Debatte durch grüne Kreisverbände. Welchen Einwand hören Sie am häufigsten?

Winfried Nachtwei: Dass die Staatengemeinschaft sich in Afghanistan übernimmt.

Was antworten Sie dann?

Dass das multilaterale Projekt "Statebuilding Afghanistan" so notwendig wie in diesem Umfang wohl einmalig ist. Und dass man nüchtern feststellen muss: Die Staatengemeinschaft ist an diese Aufgabe mit erheblichen Illusionen drangegangen.

Im Interview2Inews: 

Winfried ("Winni") Nachtweih , 61, sitzt für die Grünen im Verteidigungsausschuss des Bundestages. Der Geschichtslehrer war seit 2004 fünfmal in Afghanistan. Er unterstützt den Isaf-Einsatz der Bundeswehr, der dem Wiederaufbau dient, hat aber gegen die Aufklärungsflüge der Tornados gestimmt. Zudem fordert er, die "Operation Enduring Freedom" in Afghanistan zu beenden - also den "Krieg gegen den Terror".

Viele wollen wissen: Wie lange soll der Einsatz der Bundeswehr noch dauern?

Ein Zeitraum von zehn Jahren oder mehr ist sicher nicht unrealistisch. Auf der anderen Seite bezweifle ich, dass sowohl die afghanische Seite als auch die truppenstellenden Gesellschaften zehn Jahre verkraften können. Von daher müssen wir die Unterstützung beschleunigen. Als Vergleich fällt häufig Nachkriegsdeutschland. Da waren die Rahmenbedingungen aber sehr viel günstiger. Uns droht in Afghanistan die Zeit wegzulaufen.

Also wollen Sie das Engagement verstärken?

Richtig. Aber die Frage ist: In welchem Bereich? Da ist entscheidend - übrigens auch nach Meinung der meisten Militärs -, dass der zivile Wiederaufbau einer viel stärkeren Unterstützung bedarf. Mehr Soldaten brauchen wir aber nicht - wir müssen nur diejenigen, die schon dort sind, besser einsetzen.

Auch nicht im Süden Afghanistans, wo der Einfluss der Taliban wächst?

Im Süden muss man sich erst mal fragen: Was will man überhaupt wie erreichen? Bisher wird fälschlicherweise geglaubt, man könne das Problem mit den Taliban militärisch lösen, durch offensive Operationen. In diese Logik würde es passen, mehr Soldaten in den Süden zu schicken, aber ich glaube, das würde die Gewaltspirale weiterdrehen.

Was wäre der richtige Weg?

Der Weg der Niederländer scheint erfolgreicher zu sein: in den Provinzen gezielt nach Chancenpotenzialen suchen, diese absichern, dort gezielt Aufbau betreiben und auf Angriffe der Taliban lediglich reagieren. Nach der Devise - die Taliban überflüssig machen, aber nicht frontal angreifen.

Die Mehrheit der Deutschen ist für den Abzug aus Afghanistan. Spielt das auf politischer Ebene keine Rolle?

Das wird in der Tat zu wenig ernst genommen.

Wieso?

Die Regierung tut zu wenig, um der Bevölkerung glaubwürdig zu vermitteln, warum der Afghanistan-Einsatz für die Bundesrepublik Sinn macht. Sie müsste klarmachen: Deutschland hat ein Interesse daran, dass Afghanistan nicht wieder zum Rückzugsgebiet für terroristische Kämpfer wird.

Wieso sind die Deutschen skeptischer als andere Gesellschaften?

Angesichts der deutschen Geschichte halte ich die Distanz gegenüber einem Militäreinsatz - und damit verbunden eine geringe Opferbereitschaft - erst mal für einen ausdrücklichen zivilisatorischen Fortschritt.

Es fällt auf, dass die deutsche Bevölkerung in der Afghanistan-Frage eine pazifistischere Haltung vertritt als die Grünen

Ja, ich spüre zugleich eine Grundströmung von "Raushalten" in der Bevölkerung. Das ist die Einstellung, dass wir mit dem, was da draußen passiert, wenig zu tun haben. Das bedeutet letztlich den Rückzug aus der Staatengemeinschaft - und das kommt für uns Grüne natürlich nicht in Frage.

Warum unterstützt bei den Grünen fast niemand mehr die Forderung nach einem sofortigen Rückzug?

Weil das fatale Folgen hätte: Die schnelle Talibanisierung im Süden, das Risiko von Bürgerkrieg in anderen Regionen, wo einzelne Warlords ja immer noch sehr aktiv sind, und schließlich würde es den moderaten Kräften, die ja unsere ersten Verbündeten sind, am schnellsten an den Kragen gehen.

Immer mehr Sozialdemokraten fordern den Rückzug aus der Anti-Terror-Mission OEF und bieten als Verhandlungsmasse die Aufstockung des Soldatenkontingents unter Isaf. Ist das sinnvoll?

Nein. Was man durch einen Ausstieg aus OEF an Stirnrunzeln in Washington erzeugen würde, das kann man mit ein bisschen Selbstbewusstsein gut aushalten. Soldaten dürfen kein Tauschobjekt sein.

Der grüne Ex-Außenminister Joschka Fischer findet aber, die Deutschen machten sich lächerlich, wenn sie sich im Süden nicht engagierten.

Joschka Fischer scheint das von einer Bündnis-Ebene aus zu beurteilen. Das ist ja auch eine plausible Ex-Außenminister-Perspektive. Dabei wird aber die Perspektive der Afghanen außer Acht gelassen - und die lehnen den Antiterrorkrieg im Süden größtenteils ab.

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