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Grüne und sichere HerkunftsstaatenBloß nicht festlegen

Bei der Diskussion um sichere Herkunftsländer würde die Parteispitze ein hehres Prinzip opfern – wenn sie im Gegenzug genug dafür bekäme.

„Das Thema hat einen hohen Symbolwert, auch für uns“, sagt Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Foto: dpa

Berlin taz | Mürvet Öztürks Sätze sind eine Ohrfeige für die Grünen, für ihren Landesverband sowieso, aber auch für die Bundespartei. „Für die Verschärfung des Asylrechts auf Kosten Schutzsuchender stehe ich nicht zur Verfügung“, schreibt die hessische Landtagsabgeordnete in einer Erklärung, die sie am Dienstag veröffentlichte. „In der Fraktion und Koalition sehe ich für mich keine Zukunft mehr, die Flüchtlings- und Integrationspolitik so zu gestalten, wie ich es seit Jahren politisch vertrete.“ Deshalb trete sie mit sofortiger Wirkung aus der Grünen-Fraktion aus.

Mürvet Öztürk, 43, ist eine Kennerin der Flüchtlings- und Migrationspolitik: Die Islamwissenschaftlerin ist seit 2001 bei den Grünen. Sie sitzt seit sieben Jahren im Hessischen Landtag und war dort die integrationspolitische Sprecherin der Fraktion. Ihr Austritt ist ein Seitenhieb auf die schwarz-grüne Koalition in dem Bundesland, die sie eher kritisch begleitet hatte.

Vor allem aber attackiert Öztürk den generellen Kurs der Grünen. Gegenüber dem Hessischen Rundfunk verwies sie auf die geplante Ausweitung der sogenannten sicheren Herkunftsstaaten. Die Große Koalition möchte auch Albanien, Kosovo und Montenegro für „sicher“ erklären, um Zuwanderungszahlen aus den Balkanstaaten zu senken.

Bei den Grünen ist das Instrument umstritten. Da die Ökopartei in neun Bundesländern mitregiert, könnte sie ein Gesetz im Bundesrat verhindern. Mürvet Öztürk vermutet offenbar, dass sich die Grünen gegen mehr sichere Herkunftsländer nicht wehren werden. Sie könnte mit ihrem Verdacht richtig liegen.

Reine Symbolpolitik von CDU, CSU und SPD

Die Berliner Grünen-Spitze fährt eine Doppelstrategie. Sie bemüht sich, die Beschlüsse der Koalition zur Flüchtlingspolitik zu kritisieren. Gleichzeitig vermeidet sie es aber tunlichst, rote Linien in den Verhandlungen zu ziehen. Dies lässt sich bei den sicheren Herkunftsländern gut beobachten. „Das Thema hat einen hohen Symbolwert, auch für uns“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Dienstag. „Ich glaube, dass diese Maßnahme keinen Effekt hat. Wirkungsvoller sind Aufklärungskampagnen vor Ort.“ Daneben brauche es besseren Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen aus den Westbalkanstaaten, damit sie nicht übers Asylrecht gehen müssten.

Ähnliche Aussagen hört man von allen grünen Spitzenleuten. Es wird betont, dass die Maßnahme reine Symbolpolitik von CDU, CSU und SPD sei, da sie zwar hartes Durchgreifen suggeriere, aber nicht zu sinkenden Flüchtlingszahlen führe. Gleichzeitig wird die Notwendigkeit des Arbeitsmarktzugangs hervorgehoben. Bekommen wir das eine, so kann man Göring-Eckardt und andere interpretieren, dann opfern wir eben das andere.

Die Grünen präsentieren sich ganz anders als noch vor einem Jahr. Als Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann damals im Alleingang einer Asylrechtsverschärfung und einer Ausweitung der sicheren Herkunftsländer zustimmte, ging ein Aufschrei durch die Partei. Auch Spitzenleute wie Fraktionschef Anton Hofreiter erklärten die Entscheidung damals für falsch.

Dieses Mal versuchen die Grünen, öffentlichen Streit zu vermeiden. Führungsleute in Bund und Ländern stimmen sich ständig ab und formulieren gemeinsame Positionen, zu denen zum Beispiel schnellere Asylverfahren und bessere Integrationskonzepte gehören. Fest steht schon jetzt: Die sicheren Herkunftsländer sind in dieser Gemengelage Verhandlungsmasse, mehr nicht.

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