Grüne und Union beraten über Koalition: Armin Laschets letzter Strohhalm
Ist eine Jamaika-Koalition möglich? CDU-Chef Laschet lockt die Grünen. Die Umworbenen geben sich nüchtern – und wollen erst mal in Gremien beraten.
Neben Laschet stehen CSU-Chef Markus Söder und die beiden Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck vor Mikrofonen in einer ehemaligen Industriehalle in Berlin-Schöneberg. Zweieinhalb Stunden haben die Sondierungsteams der drei Parteien geredet, um Schnittmengen für ein Bündnis aus Union, Grünen und FDP auszuloten. Dass diese Variante neben der Ampel unter Olaf Scholz noch im Raum steht, ist so etwas wie Laschets Lebensversicherung. Viele CDU-Granden würden ihn lieber heute als morgen absägen.
Laschet gibt sich demütig. „Die CDU hat diese Wahl nicht gewonnen“, betont er – und bedankt sich bei den Grünen für das „offene“ Gespräch. Es seien auch Gegensätze deutlich geworden, die aber überwindbar seien. Das müsse man vertiefen, „es würde lohnen“. Die Union sei bereit, weitere Gespräche zu führen. Der Druck auf Laschet ist immens. In der Union wird immer offener über eine Neuaufstellung diskutiert. „Dass im Wahlkampf Fehler passiert sind und unser Spitzenkandidat nicht richtig gezogen hat, kann niemand leugnen“, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Wochenende gesagt.
Markus Söder, der sonst keine Gelegenheit zur Stichelei auslässt, gibt sich in der Pressekonferenz konziliant – und lockt ebenfalls die Grünen. Er spricht von „sehr konstruktiven, auch sehr ehrlichen Gesprächen“, die vom Willen geprägt gewesen seien, eine gemeinsame Basis zu erkunden. Söder betont, dass man sich vor allem beim Klima gut angenähert habe. Bei einer Transformation für das Land und beim Ausgleich wirtschaftlicher und sozialer Interessen „haben wir viele Gemeinsamkeiten gefunden“. In anderen Punkten gebe es aber auch Gesprächsbedarf, etwa bei der Migration.
Verhaltene Reaktionen bei den Grünen
Söder verweist auf das Gespräch zwischen Union und FDP am Sonntag. Danach habe man gesagt, man habe Lust auf mehr. Das Gespräch mit den Grünen sei „genauso oder noch spannender“ gewesen, weil es für alle Beteiligten viel Denksport wäre, die Zukunft zu entwickeln. Das ist ein großes Kompliment aus dem Munde des Bayern.
Die so Umworbenen reagieren verhalten. Baerbock sagt nüchtern, man habe „konstruktiv und sachlich“ miteinander gesprochen, geprägt von Ernsthaftigkeit. Man habe über Differenzen in der Gesellschaftspolitik gesprochen, aber es gebe auch gemeinsame Anliegen, etwa die Modernisierung des Landes, die Digitalisierung oder die ökologische Transformation. Habeck fügt hinzu, dass das Gespräch von der Ausgangslage geprägt gewesen sei, dass die SPD vor der Union liege. Das kann man als Wink verstehen, wo die Präferenz der Grünen liegt.
Dann gibt er einen Hinweis darauf, wie es jetzt weitergeht. Die Grünen würden jetzt – ebenso wie die FDP – alle Gespräche in den Gremien bewerten. „Dafür werden wir uns dann heute und morgen Zeit nehmen.“ Baerbock sagt, dann werde man gemeinsam entscheiden, wie man weiter vorgehe. Das heißt: Dann werden sich wieder die Grünen mit der FDP verständigen. Sie hatten nach der Wahl darauf bestanden, sich zuerst als kleine Partner zu treffen, um dann später mit den Größeren zu reden.
Die neue Reihenfolge war auch eine Machtansage. In dem Dreierbündnis – egal, ob es die Ampel oder Jamaika wird – käme es aus ihrer Sicht auf Augenhöhe an. Unklar ist aber, ob Laschet noch die Autorität hat, Jamaika-Verhandlungen zu führen. Auf die Frage, ob es für die Grünen einen Unterschied mache, ob Laschet oder ein anderer Jamaika verhandle, sagte Habeck: „Wir gehen davon aus, dass Armin Laschet […] der gesetzte Kandidat der Union für das Kanzleramt in Deutschland ist.“
So klar hat das in der Union schon lange keiner mehr gesagt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Verkehrsvorbild in den USA
Ein Tempolimit ist möglich, zeigt New York City
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich