piwik no script img

Grüne stimmen Koalitionsvertrag zuSozialistische Ergebnisse in Berlin

Auch die Berliner Grünen votieren für den rot-grün-roten Koalitionsvertrag. Mit 96,4 Prozent fällt die Mehrheit noch größer aus als bei der SPD.

Sie hat gut Lachen: Bettina Jarasch auf dem Grünen-Parteitag, im Hintergrund Daniel Wesener Foto: dpa

Berlin taz | Es ist 14.13 Uhr am Sonntag, als der rot-grün-rote Koalitionsvertrag seine vorletzte Hürde nimmt. Und die 140 Delegierten beim Grünen-Landesparteitag sorgen für eine satte Mehrheit: 96,4 Prozent stimmen für jene rund 150 Seiten, die die grünen Verhandler unter Führung von Bettina Jarasch binnen knapp fünf Wochen festgehalten haben. Gerade mal drei Gegenstimmen gibt es und zwei Enthaltungen.

Etwas dezenter fällt die Unterstützung für das grüne Senatstrio aus Daniel Wesener (Finanzen), Ulrike Gote (Gesundheit und Wissenschaft) und Bettina Jarasch (Verkehr, Umwelt, Klima- und Tierschutz) aus: In einer zweiten Abstimmung votierten 86,9 Prozent mit Ja.

Überschäumender Jubel bleibt im Tagungssaal im Hotel Estrel in Neukölln allerdings aus. Das liegt nicht nur daran, dass der Parteitag weitgehend online abläuft; in dem Saal, der sonst für Parteitage bis zu 300 Delegierten fasst, sitzen nur rund 60 Menschen mit Masken. Es war eben ziemlich klar, dass die Grünen von ihrer künftigen Regierungsbeteiligung ziemlich begeistert sein würden – spätestens seit dem kleinen, gleichfalls online abgehaltenen, Parteitag vor eineinhalb Wochen.

Da überschlug sich die Mehrheit der Redner auf den Computerbildschirm schier vor Begeisterung und Lob für Jarasch und ihre Co-Verhandler. Vor allem, dass die Grünen erstmals das Finanzressort leiten werden, werteten viele als großen Erfolg. Auch an diesem Sonntag lässt sich die dreistündige Aneinanderreihung der Redebeiträge nicht wirklich eine Debatte nennen.

Die neuen Landeschefs

Neben der Abstimmung über den Koalitionsvertrag stand am Sonntag beim Grünen-Landesparteitag auch die Neuwahl des Landesvorstands an. Das war nötig, weil die seit fünf Jahren amtierende und bis Ende 2022 gewählte derzeitigen Doppelspitze aus Nina Stahr und Werner Graf aus Satzungsgründen nicht weiter machen durfte: Beide haben am 26. September Parlamentsmandate gewonnen, Stahr im Bundestag, Graf im Abgeordnetenhaus, was bei den Grünen nicht mit einem Parteivorsitz vereinbar ist.

Für die Nachfolge kandidierten Anja Engelmohr, Susanne Mertens und Philmon Ghirmai. Ghirmai, der erster nicht-weißer Landesvorsitzender der Berlin Grünen wäre, galt für einen Platz in den Doppelspitze gesetzt, während für den zweiten ein Duell der beiden Frauen erwartet wurde. (sta)

Es ist trotz der wenigen Menschen vor Ort ein Tag alter und neuer Gesichter. Im Foyer etwa ist Jarasch allein mit Ulrike Gote zu sehen, der designierten, aus Kassel weggelotsten künftigen grünen Gesundheitssenatorin. Jarasch kennt sie über das gemeinsame Thema Religionspolitik schon seit Jahren. Mit dabei ist auch Ramona Pop, die noch amtierende Wirtschaftssenatorin und langjährige Fraktionschefin. Sie wird wie mehrere andere (vorerst) ausscheidende Abgeordnete mit warmen Worten verabschiedet.

Als Senatorin verabschiedet sich zudem Regine Günther. Sie musste manche Kritik für ihre Leitung des Verkehrsressorts einstecken; außerhalb, aber auch innerhalb der Grünen. Auch mit ihr steht Gote zusammen, nun an der Garderobe: Ulrike Gote ist jetzt in Günthers Rolle vor fünf Jahren; sie wird neu in den Berliner Landesverband stoßen. Anders als Günther, die anfangs parteilos war, ist Gote allerdings seit Jahrzehnten Grünen-Mitglied.

Fast alle führenden Kräfte werben aus dem Saal hinaus an die heimischen Computerbildschirme intensiv für ein „Ja“ zum Koalitionsvertrag. Nicht dass sie um zu wenig Rückhalt fürchten wie mancher in der Führung der Linkspartei, bei der das Ergebnis eines Mitgliederentscheids sechs Tage später vorliegen soll. Aber es würde sich natürlich gut machen, jene 91,5 Prozent zu übertreffen, mit denen ein SPD-Parteitag vor einer Woche grünes Licht für die Koalition gab. So nennt der scheidende Parteichef Werner Graf den Vertrag im Pandemiesprech „einen Booster für Berlin“.

„Kein Wünsch-Dir-was“

Daniel Wesener, der bisherige parlamentarische Geschäftsführer, der in seiner neuen Rolle als designierter Finanzsenator elegant wie selten in Jacket und weißem Hemd am Rednerpult steht, lobt die Ehrlichkeit des Vertrags: „Das ist kein Wünsch-Dir-was“. Ein bisschen mahnend hört er sich an, als er sagt: Das sei ein guter Koalitionsvertrag, „aber es kommt auf die Umsetzung ein.“

Bettina Jarasch schließlich, die mutmaßliche künftige Chefin des Senatsressorts für Verkehr und Umwelt, sieht die Grünen und sich selbst am Ende einer einjährigen Reise: Die Partei hatte sie knapp ein Jahr zuvor gleichfalls im Estrel zur Spitzenkandidatin für die Abgeordnetenhauswahl gemacht. Jarasch räumt ein, dass diese Reise nun nicht im Roten Rathaus geendet hat, aus dem die Partei ein grünes machen wollte. Doch sie fügt hinzu: „Jetzt noch nicht.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Wann kommt die U-und S-Bahnfahrt für 1 Euro pro Tag?



    Labern kann jeder - machen!!!!



    Auch die Parkhäuser müssen billiger werden. Ansonsten sind die Straßen weiter zugeparkt.



    Und vielleicht mal das Laub wegfahren, dass in Bergen immer noch an den Straßen liegt. Muss man das zuständige Amt am Ohr ziehen und dahin führen, wo die Sauerei offensichtlich ist?