Berlins Grüne wählen Parteiführung: Alles neu an der Doppelspitze

Die Grünen wählen Susanne Mertens und Philmon Ghirmai auf einem Parteitag zur neuen Doppelspitze. Zuvor hatten sie dem Koalitionsvertrag zugestimmt​.

Zwei Menschen mit Blumen sitzen auf Stühlen

Die neue Doppelspitze der Berliner Grünen am Sonntag nach der Wahl Foto: dpa

BERLIN taz | Die Berliner Grünen haben zum ersten Mal in ihrer 43-jährigen Geschichte einen nichtweißen Vorsitzenden. Ein Landesparteitag, der zuvor mit 96,4 Prozent dem rot-grün-roten Koalitionsvertrag zugestimmt hatte, wählte den bisherigen Neuköllner Kreischef Philmon Ghirmai (37) ohne Gegenkandidaten mit 94 Prozent der Stimmen.

Zu seiner Co-Chefin bestimmten die Delegierten Susanne Mertens (53). Sie setzte sich deutlich mit 102 zu 40 Stimmen gegen Anja Engelmohr (42) durch. Offiziell ist die Abstimmung nur ein „Meinungsbild“; entscheidend ist der Ausgang einer Urnenwahl, bei der die Delegierten in zwei Wahllokalen bis Montagmittag ihre Stimme schriftlich abgeben können.

Die Doppelspitze ist damit wie bei ihren Vorgängern Nina Stahr und Werner Graf doppelt quotiert: Sie besteht aus je einer Frau und einem Mann, zudem ist sowohl das linke wie das Realo-Lager vertreten. Als Neuköllner kommt Ghirmai wie der Kreuzberger Graf aus einem starken linken Kreisverband. Mertens hingegen, Reala wie Stahr, verhandelte in Steglitz-Zehlendorf erfolgreich über eine Ampel mit SPD und FDP, die am Mittwoch erstmals im Südwesten der Stadt eine Grüne zur Bezirksbürgermeisterin gemacht hat.

Theoretisch hätten die Grünen dort auch mit der Linkspartei eine wenn auch knappe Mehrheit gehabt; sie entschieden sich aber anders als auf Landesebene für die FDP. „Was nicht ist, kann ja noch werden“, sagte am Mittwoch am Rande der Bürgermeisterinnenwahl FDP-Kreischef Sebastian Czaja, der mit Mertens die Ampel im Bezirk verhandelte. Auch Mertens' Vorgängerin Stahr sowie die Vorvorgängerin Irma Franke-Dressler kamen aus Zehlendorf und waren dort gleichfalls Fraktionsvorsitzende.

Philmon Ghirmai

„Die Partei ist nicht die Pressesprecherin der Regierung – sie ist knallgrün, und so wird sie diese Regierung auch begleiten.“

Engelmohr, die 2016 als Beisitzerin in den Landesvorstand gekommen war, verwies in ihrer Rede auf ihre jahrezehntelange Mitgliedschaft bei den Grünen – Mertens hingegen kam erst vor 14 Jahren über die Schulpolitik zur Partei. Während Engelmohr in ihrem politischen Schwerpunkt Klimapolitik in den vergangenen Jahren auch beruflich tätig war, etwa als Referentin des Staatssekretärs in der auch für Energie zuständigen Senatsverwaltung, leitet Mertens als gelernte Bankkauffrau und BWLerin seit Jahren ihre eigene Versicherungsfirma. Die Tätigkeit in dieser Branche – die im zuvor vorliegenden Bewerbungsschreiben nicht ausdrücklich auftauchte – meinten offenbar einige, gegen sie verwenden zu können: Zwei Fragen nach ihrer Rede drängten sie, sämtliche beruflichen Stationen offenzulegen.

Ghirmai machte in seiner Bewerbungsrede klar, dass die grünen Senatsmitglieder zwar die Unterstützung des Landesverbands haben werden, aber nicht per se und ohne Nachfrage: „Die Partei ist nicht die Pressesprecherin der Regierung – sie ist knallgrün, und so wird sie diese Regierung auch begleiten.“ Ghirmai ist in Tübingen geboren, promovierter Historiker und war bislang im Abgeordentenhaus für die beiden Parlamentarier Daniel Wesener und Sebastian Walter tätig.

Die vorgezogene Neuwahl bei den Grünen war nötig geworden, weil die bisherige Doppelspitze vorzeitig aufhören musste: Nina Stahr und Werner Graf hatten bei den Wahlen am 26. September Mandate im Bundestag beziehungsweise im Abgeordnetenhaus gewonnen. Mandat und Parteivorsitz zusammen lässt die Satzung der Berliner Grünen aber nicht zu, weshalb die Nachfolge zu klären war.

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