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Grüne in Nordrhein-WestfalenVolker Beck im Abseits

Auf ihrem Landesparteitag haben die Grünen in Nordrhein-Westfalen das Spitzenpersonal für die Bundestagswahl 2017 gewählt. Einer ist nicht dabei.

Hat schlechte Aussichten auf den Wiedereinzug ins Parlament: Volker Beck Foto: dpa

Oberhausen/Berlin dpa | Deutlicher kann eine Klatsche kaum ausfallen. Bei ihrem Landesparteitag in Oberhausen ließen die nordrhein-westfälischen Grünen ihren umstrittenen Parteifreund Volker Beck fallen. 22 Jahre sitzt der Kölner bereits im Bundestag und wollte nächstes Jahr in die Verlängerung. Doch da spielte sein Landesverband nicht mit: In einer Kampfkandidatur gegen den renommierten Grünen-Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff stattete die Basis Becks Herausforderer am Freitagabend mit fast dreimal so vielen Stimmen aus.

In Berlin hatten die meisten Parteifreunde bereits damit gerechnet, dass Beck es nicht wieder auf einen der vorderen Listenplätze schaffen werde. „Alle erkennen seine enorme Lebensleistung an“ – so oder so ähnlich äußerten sich im Vorfeld viele Grüne – Parteilinke wie Realos. Ein bisschen klang das schon nach Abschiedsrede.

„Ihr wisst, ich bin manchmal eine Nervensäge, aber ich brenne für die Sache und ich gehe auch dahin, wo es wehtut“, hatte Beck in seiner Kandidatenrede in Oberhausen für sich geworben. „Ich möchte mit meiner Hartnäckigkeit und Ungeduld, aber auch mit meinen Fehlern um Euer Vertrauen bitten.“ Doch davon hatte der streitbare Kölner offensichtlich schon zuviel verspielt.

Seine Angreifbarkeit in der Aufarbeitung der Pädophilie-Debatte aus den frühen Jahren der Grünen hat viele in der Partei verärgert. Dann kam im März noch ein Drogenfund hinzu. Klare Distanzierungen, Entschuldigungen und wegen „geringer Schuld“ beendete Verfahren konnten die Negativ-Schlagzeilen nicht vergessen machen.

Sein eigener Kölner Kreisverband hob nicht Beck auf den Schild, sondern unterstützte die Spitzenkandidatur des jungen NRW-Landeschefs Sven Lehmann. Der 36-jährige Kölner landete am Ende zwar auch nicht auf dem erwünschten Platz 2, immerhin aber auf einem sicheren Platz 4. Offenbar wünschen sich viele in der Partei auch einen Generationswechsel.

Auf Platz 1 der Landesliste wählte der mitgliederstärkste Grünen-Landesverband mit über 92 Prozent Zustimmung Britta Haßelmann, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Eine Gegenkandidatin hatte die 54-Jährige nicht. Auf Platz 2 setzte sich der stellvertretende Vorsitzende, der Klima- und Verkehrsexperte der Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, in einer Kampfkandidatur gegen Lehmann durch. Auf Platz 3 landete Katja Dörner.

„Aufgeben ist nicht mein Ding“

Dabei gibt es durchaus einflussreiche gesellschaftliche Kräfte, die große Stücke auf Beck halten. Zu senen prominenten Unterstützern zählen Gewerkschaftsboss Frank Bsirske und der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster.

Beck hatte – wenigstens nach außen – nie ein Problem damit, mit seinem Einsatz für Minderheiten zu nerven – den politischen Gegner oder die eigenen Reihen. In seinem Bewerbungsschreiben an den Parteitag formulierte er das als eigene Stärke: „Ihr kennt mich: Einknicken und Aufgeben ist nicht mein Ding.“

Inhaltlich geben ihm die Grünen uneingeschränkt Recht, wenn er unermüdlich gegen Diskriminierung, für die Ehe für alle oder die Entschädigung der Opfer des „Schwulenparagrafen“ 175 kämpft. Trotzdem verdreht der eine oder andere schon mal die Augen, wenn er auf Beck angesprochen wird und murmelt etwas von „Moralkeule“. Auch mit seinen offenen Auseinandersetzungen mit den Realos der Partei hat Beck sich nicht überall Freunde gemacht. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann mahnte jüngst auf dem Parteitag in Münster, es mit der „Political Correctness“ nicht zu übertreiben.

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9 Kommentare

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  • Ein Schelm, der sich was dabei denkt, warum ausgerechnet Beck mit Drogen erwischt wurde, obwohl nachweislich mehrere Abgeordnete konsumieren.

     

    Bei Sebastian Edathy war es ähnlich, doch Beck dafür verantwortlich zu machen, geht zu weit. Edathy kommt von der SPD und zudem aus Niedersachsen. Ihm war nicht zu helfen, egal ob die Vorwürfe zutreffen oder böse Kampagne waren.

     

    Immer wieder trifft es ausgerechnet diejenigen, die etwas bewegen. Bei Hermann Scheer wagt man nicht einmal, die offizielle Todesursache anzuzweifeln. Bei Gert Bastian bleibt man auch bei der einfachsten Lösung. Nur bei Alexander Litwinenko ist man zu einem anderen Ergebnis gekommen. Allerdings nur wegen besonders engagierter Ermittler und auch hier nur Dank glücklicher Zufälle. Die Verantwortlichen bestreiten trotzdem. Bei Kennedy war es ja auch ein Einzeltäter.

  • Sesselkleber!

  • Sein Drogenkonsum ist mir egal. Er wird mir wegen seiner reaktionären Haltung zu PID und Sterbehilfe im Gedächtnis bleiben. Politiker wie er und Göring-Eckardt machen die Grünen unwählbar.

  • Volker Beck hat seine politischen Verdienste. Ein guter Zeitpunkt um sich aus der Politik zurück zu ziehen. Die Grünen befinden sich auf dem Weg eine neue Hilfstruppe der CDU/CSU zu werden. Zu groß sind die kleinbürgerlichen Gemeinsamkeiten und viel zu lange ist der pubertäre Furor dieser Ökopartei in "Altersmilde" versandet.

     

    Es sind halt die "verlorenen Söhne und Töchter" der einst gehassten CDU-Eltern in deren Hafen man sich jetzt in so harten Zeiten, wo der Wohlstand zu schwinden droht, gern rettet.

     

    Doch Vorsicht, es könnte ungemütlich werden, denn wenn schwarz-grün zum Regieren nicht ausreicht, müssen die Grünen mit einer weiteren Partei koalieren , die als ökologisches Aushängeschild nur eine Störchin besitzt.

     

    Die SPD wird als 1.Mai-Folkore-Partei wohl noch hin und wieder aus der Bedeutungslosigkeit auftauchen. Die Linke gibt dann den Mahner und Meckerer im Nachtwächter- und Sergeantenstaat wie vor 150 Jahren. Ein Volker Beck mag sich dann eine Nachtmütze aufsetzen und mit dem Darmol-Lämpchen nachts den Abort aufsuchen.

  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Mal eine begrüßenswerte Entscheidung.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    22 Jahre im Bundestag sind genug. Die Grünen hatten mal die Forderung nach Mandatsrotation im Programm. Das ist im Grunde eine gute und richtige Idee, man vermeidet Berufspolitiker, die bald keinen Bezug mehr zur Wirklichkeit außerhalb des Parlamentes haben. Sie sollten das schleunigst wieder einführen.

  • Wir aber können mit Fug&Recht sagen -

    Wir haben ihn noch gekannt!

  • Würde Beck die eigenen moralischen Maßstäbe an sich selbst legen, hätte er gar nicht kandidiert. Seine eigene sexuelle Orientierung ist das ein, seine minderheitenorientierte Sexualmoral das andere. Das mögen viele Grüne noch gut finden.

     

    Aber die Cristal-Geschichte ist eine ganz andere Nummer. Hier macht er akzeptierend den Weg für eine Droge frei, die in ihr zerstörerisches Potenzial noch gar nicht in der Gesellschaft entfaltet hat. Das war nicht nur so ein "Ausrutscher". Das ist eine "Schuld", die Herr Beck nicht mit einem Bundestagsmandat sondern ganz anders abarbeiten sollte. Vielleicht findet er jetzt ja die Zeit dafür. Erst danach wird er wieder wählbar sein.

  • Was Volker Beck 1988 schrieb: "Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustandes ihrer globalen Kriminalisierung dringend erforderlich." ist auf der gleichen Ebene zu sehen wie die Berichte von Daniel Cohn Bendit aus dem Kindergarten.

    Die Ansichten zu dieser Thematik haben sich verändert und man neigt nicht dazu alte Parteigenossen für das was sie damals von sich gegeben haben, pauschal zu verurteilen. Die "Lebensleistung" ist halt maßgebend. Volker und der rote Dany haben zu der unvergleichtlich Hexenjagt gegen Sebastian Edathy nix gesagt. Wie dieser Mann durch die Medien gehetzt und von allen auf moralisch hohem Ross fallen gelassen wurde ist an Unanständigkeit nicht zu überbieten.