Grüne im Bundestagswahlkampf: Topthema Laubfrosch
Mit viel Aufwand lässt die Partei ihre Basis über „Schlüsselprojekte“ für eine künftige Regierung abstimmen. Doch was, wenn die Basis falsch entscheidet?
BERLIN taz | Die BAG Frieden ist im Moment ganz vorn. Die Arbeitsgruppe bei den Grünen, die für Außenpolitik zuständig ist, hat einen engagierten Aufruf verfasst, auf dem oben ein Bild von Margot Käßmann prangt. Zum Kern der Programmatik gehöre, „Politik nicht nur national, sondern global zu denken“, schreibt die Bundesarbeitsgemeinschaft. „Gebt Eure Stimme zur Verhinderung von Rüstungsgeschäften.“
Keine Rüstungsexporte zulasten von Menschenrechten. Die Parteibasis solle diese Idee aus dem Wahlprogramm zu einem Schlüsselprojekt der Grünen machen, fordern die Unterzeichner, darunter BAG-Sprecher Michael Kellner, Parteichefin Claudia Roth und Hans-Christian Ströbele. Mit Käßmann, der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, haben sie eine prominente Werbefigur gefunden. Gerade die Grünen müssten darauf achten, in einem innenpolitisch geprägten Wahlkampf auch „über den nationalen Tellerrand hinauszuschauen“, sagt Kellner.
Dieser Aktion werden in den nächsten Tagen viele weitere folgen. Im Moment tippen diverse Fachpolitiker Aufrufe, auch Gliederungen wie die Bundesarbeitsgemeinschaften werben eifrig für ihre Sache. Denn die Grünen haben einen basisdemokratischen Wettbewerb gestartet.
Die gut 60.000 Mitglieder sollen in den nächsten Wochen aus 58 Schlüsselprojekten 9 aussuchen, die sie für die wichtigsten halten. Die Rüstungsexporte stehen zur Wahl, die Energiewende natürlich, der Mindestlohn, aber auch exotischere Anliegen, etwa das, die Heimat von Storch und Laubfrosch zu schützen.
Den auserwählten Projekten winkt ein enormer Bedeutungszuwachs. Es gehe darum, „welche Projekte wir in einer Regierungsbeteiligung als Erstes anpacken wollen“, heißt es auf der Grünen-Homepage. Das ist ein großes Versprechen: Die Basis entscheidet also, welche Topthemen die Spitzenkandidaten Jürgen Trittin und Katrin Göring-Eckardt in einer Regierung mit der SPD sofort durchdrücken müssten.
Nur eine Schowveranstaltung?
„Der Mitgliederentscheid setzt den Weg fort, den wir mit der Urwahl angefangen haben“, sagt Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Und: „Das ist gelebte Basisdemokratie.“ Unumstritten war der Plan intern jedoch nicht. Die Idee für die Schlüsselprojekt-Wahl entstand parallel zur Urwahl der Spitzenkandidaten 2012.
Eine Partei, deren Mitglieder vor allem an Inhalten interessiert seien, dürfe Basisdemokratie nicht nur für Personalia nutzen, lautete damals das Argument. Kritiker warnten jedoch vor einer Showveranstaltung. Schließlich wählt die Basis lediglich aus Themen aus, die alle schon beschlossen sind. Mancher Stratege fürchtete zudem, die Basis könne seltsam gewichten. Was, wenn sie den Laubfrosch wichtig findet, die Energiewende aber nicht?
„Wenn das passiert, haben wir im Juni ein Problem“, sagt ein Insider. Manch Grüner erinnert sich an ein Szenario, das 1990 passierte, im Jahr der Einheit. Damals druckten die Grünen den Slogan „Alle reden von Deutschland. Wir reden vom Wetter“ auf ihre Plakate. Die Wähler straften die Ignoranz der West-Grünen gegenüber einer Wiedervereinigung böse ab.
Doch nun, da der Entscheid gestartet ist, wollen ihn selbst die Skeptiker nicht mehr kritisieren. Und die Befürworter teilen die Furcht vor einer irrationalen Basis sowieso nicht. „In jedem Wahlkampf ist notwendig, am Ende auf mehrere Projekte zuzuspitzen. Bisher taten dies die Führungsgremien“, sagt etwa Berlins Landeschef Daniel Wesener. „Die Auswahl übernimmt jetzt unsere – sehr vernunftbegabte – Basis. Das halte ich für eine gute und moderne Idee.“
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