Grüne Woche demaskieren!: „Bessere Tierhaltung ist keine Lösung“
Sandra Franz, Aktivistin vom Bündnis „Grüne Woche demaskieren!“ über Massentierhaltung, getötete Kälber und Straßentheater.
taz: Frau Franz, Sie fordern angesichts der Missstände in Landwirtschaft und Ernährungsindustrie einen radikalen Wandel der Gesellschaft. Wie wollen Sie diesen Umbruch bei der Übermacht von Konzernen und Lobbyisten erreichen?
Sandra Franz: Wir versuchen einen Beitrag zu leisten für den gesellschaftlichen Wandel, also dass mehr Menschen bewusst wird, was für krasse Dinge abgehen, die einfach nicht hinnehmbar sind. Wenn da eine Stimme immer lauter wird und mehr Leute dagegen aufstehen, dass die Tierindustrie systematisch Gewalt anwendet, dass Landwirtschaft so, wie sie heutzutage praktiziert wird, unsere Umwelt zerstört. Ich glaube schon, dass das einen langfristigen Effekt auf die Politik hat. Protest ist die einzige Möglichkeit, etwas zu verändern, das beinhaltet auch Aufklärung.
Ist Ihr Protest nur Veganern vorbehalten, oder dürfen auch Fleischesser mitmachen?
Ehrlich gesagt gehe ich nicht davon aus, dass es Fleisch essende Menschen gibt, die an unseren Protesten teilnehmen wollen würden. Das macht man ja aus einer bestimmten Überzeugung heraus. Von daher weiß ich nicht, ob das überhaupt ein realistisches Szenario ist. Wenn sich jemand an unseren Protesten beteiligen möchte, sollte die Person keine Werbung für „Biofleisch“ machen, weil das ganz klar gegen unsere Prinzipien geht.
Am heutigen Samstag findet aus Anlass der Grünen Woche – wie schon im letzten Jahr – eine Demonstration mit dem Motto „Wir haben es satt“ statt. Die Organisatoren rufen dazu auf, sich für eine ökologisch nachhaltige Landwirtschaft einzusetzen. Es wird auch ein Tierbefreiungsblock von „Grüne Woche demaskieren!“ daran teilnehmen.
Derweil präsentieren sich rund 1.600 Aussteller aus über 60 Ländern bis 24. Januar auf dem Messegelände unterm Funkturm zu Themen der Ernährungs- und Landwirtschaft sowie des Gartenbaus. Russland, einer der größten Aussteller, bleibt der Messe diesmal fern. Es werden rund 400.000 Besucher erwartet – die Grüne Woche ist somit die weltgrößte Messe ihrer Art. (nch)
Sie sind von Ihren Positionen sehr überzeugt. Ist das nicht ein Hindernis, um Normalos wie zum Beispiel Biofleischesser zu erreichen?
Es ist sehr wichtig, einen klaren Standpunkt zu haben, nur so schafft man es, die Menschen zum Nachdenken zu bringen. Auf manche mag das abschreckend wirken, aber viele werden auch zum Nachdenken angeregt. Die einzelnen Menschen, die Fleisch essen, sind nicht per se unsere Gegner, wir suchen gezielt die Diskussion und machen Aufklärungsarbeit. Dafür braucht es schon eine klare Position.
Grüne Woche demaskieren! ist ein Bündnis von Tierrechts- und TierbefreiungsaktivistInnen. Es nimmt seit 2014 die Internationale Grüne Woche zum Anlass, um gegen die zerstörerischen Umweltfolgen sowie die Ausbeutung und Unterdrückung von Menschen und Tieren in der "kapitalistisch organisierten Landwirtschaft" zu protestieren, Widerstand zu leisten und für solidarische und ernsthaft nachhaltige Arten des (Land-)Wirtschaftens einzutreten. Gleichzeitig will Grüne Woche demaskieren! der "Propagandamaschinerie der Grünen Woche" etwas entgegensetzen und den Messeablauf bewusst stören. (nch)
Was halten Sie vom am Donnerstag erfolgreich zu Ende gegangenen Brandenburger Volksbegehren gegen Massentierhaltung? Ist das ein Schritt in die richtige Richtung?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Zum einen ist es natürlich positiv, dass Tierhaltung stärker thematisiert wird, mehr in den Medien zu finden ist. Dass es auch ein breites Bündnis gibt, das politische Forderungen aufstellt, ist wichtig. Die Gefahr besteht zum anderen darin, wenn kommuniziert wird, dass bessere Tierhaltung die Lösung ist. Dass Menschen nicht weiter denken und Leute mit besserem Gewissen in ihr Schnitzel beißen – das sehen wir sehr kritisch. Doch ich freue mich, dass das Thema überhaupt präsent ist.
35, aktiv in der Tierbefreiungsbewegung. Mitglied beim „Bündnis Grüne Woche demaskieren!“, Pressesprecherin von Animal Rights Watch e. V. sowie Mitglied der Gruppe Tierfabriken-Widerstand.
Auf welche Aktionen Ihrerseits können sich die Besucher der Grünen Woche einstellen?
Wir werden dieses Jahr selbst keine Infostände auf der Grünen Woche haben, aber Animal Rights Watch wird wahrscheinlich an den beiden Messewochenenden am Osteingang mit einem Infostand vertreten sein, und die Berliner Tierbefreiungsaktion wird auch etwas unternehmen. Wir sind nicht die Einzigen, die dort protestieren. Wir versuchen den Bündnischarakter in die Tat umzusetzen und haben versucht, andere Gruppen mit ins Boot zu holen. Auch Einzelpersonen unterstützen unsere Proteste.
Kein Infostand – aber es wird doch Proteste geben?
Na ja, etwas Kleines machen wir schon, wir veranstalten am 20. und 23. Januar vor dem Messe-Osteingang Straßentheater. Es werden kurze Stücke aufgeführt, die zum Beispiel die Tötung männlicher Kälber in der Milchindustrie thematisieren. Damit sollen die Leute zum Nachdenken angeregt werden, die in der Schlange am Eingang stehen.
Gab es Reaktionen des Veranstalters auf Ihre Aktionen?
Von der Grünen Woche selbst haben wir noch nichts gehört. Ich kann mir schon vorstellen, dass wir die Veranstalter geärgert haben, gerade mit den Aktionen auf dem Gelände. Wenn man es ganz realistisch betrachtet, muss man sich im Klaren sein, dass es sich um eine riesige Messe handelt. Und wir machen ein, zwei Aktionen, die schon bemerkt werden, aber das sind halt nur kleine Nadelstiche, die wir setzen.
Was erhoffen Sie sich denn für die weitere Entwicklung Ihrer Initiative?
Es wäre natürlich gut für unsere Gruppe, wenn mehr Menschen dazustoßen, aber der Hauptfokus liegt darin, das Thema Tierrechte zu verbreiten und Besucher der Grünen Messe zum Umdenken zu bewegen.
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