piwik no script img

Grüne WechselNach oben gefeuert

Parteilinke bedauern Rücktritt des parlamentarischen Geschäftsführers und freuen sich auf den Ratzmann-Nachrücker: Er kommt aus ihrer Hochburg.

Berlin im Rücken: Ratzmann geht Bild: dpa

Volker Ratzmann verlässt die Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus, und Pirat Fabio Reinhardt fühlt sich dadurch an Baden-Württembergs Ex-Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) erinnert: "Nach oben gefeuert wie Oettinger", twitterte Reinhardt, nachdem Ratzmann am Freitag mitgeteilt hatte, dass er künftig für Baden-Württembergs Landesregierung arbeiten wird. Was der Vergleich meint: Oettinger war 2010 als EU-Kommissar nach Brüssel weggelobt worden, nachdem er in der Heimat in der Kritik stand.

Kritik hatte auch Ratzmann einstecken müssen: Vor allem Parteilinke kreideten ihm den enttäuschenden Ausgang der Abgeordnetenhauswahl 2011 an. Nur knapp schaffte Ratzmann die Wiederwahl zum Fraktionsvorsitzenden, trat aber wegen des eskalierenden Flügelstreits zwischen Linken und Realos drei Wochen später zurück. Nun legt er auch sein Abgeordnetenmandat nieder, nach elf Jahren: 2001 war Ratzmann erstmals ins Landesparlament eingezogen, zuletzt zweimal per Direktmandat im Wahlkreis Prenzlauer Berg Südwest. Im März wird er seinen neuen Posten in der Berliner Vertretung Baden-Württembergs antreten. Er fungiert als verlängerter Arm von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Berlin, zuständig für bundespolitische Fragen. Sein neues Büro im Botschaftsviertel liegt keine zwei Kilometer vom Abgeordnetenhaus entfernt.

Auch der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Heiko Thomas, legte sein Amt nieder: "aus persönlichen Gründen". Thomas war im Sommer 2011 als Wahlkampfmanager eingesprungen und hatte zuletzt versucht, zwischen den Lagern zu vermitteln. "Die verfahrene Situation in der Fraktion" vermutete der Parteilinke Dirk Behrendt hinter dem Rücktritt. Thomas' Schritt mache "nachdenklich", sagte Behrendts Flügel-Kollegin Canan Bayram. Thomas bleibt allerdings Abgeordneter und gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion.

Dort wird er bald auf ein neues Mitglied treffen: Für Ratzmann rückt der 40-jährige Bola Olalowo ins Abgeordnetenhaus nach. Mit ihm zieht ausgerechnet ein Mitglied des Kreisverbandes Friedrichshain-Kreuzberg in die Fraktion: dort liegt Behrendts und Bayrams politische Heimat, von dort kam die schärfste Kritik an Ratzmann. "Ich freue mich auf Olalowo, denn er ist ein guter Fachpolitiker, der auf die neue Aufgabe brennt", sagte Bayram der taz. Olalowo war 1992 aus Stuttgart nach Berlin gezogen, hat an der FU Volkswirtschaftslehre studiert und arbeitet derzeit im Brandenburgischen Wissenschaftsministerium. Der taz sagte Olalowo, er stehe für eine Investitionspolitik, die Arbeitsplätze schaffe, dabei aber Nachhaltigkeit und Soziales berücksichtige: "Es kann nicht sein, dass wir bei der A 100 viel Geld für ein paar unnötige Kilometer Beton ausgeben."

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • AH
    Andi H

    Das hier ist ein weiterer ganz "normaler" Vorgang.Denn wenn die alten Freunde es nicht mehr bringen suchen sich Unfähige immer neue Gönner.Für sie soll es ja weiterhin"Aufwärts"gehen.

    Das alles kann man im Buch "DAS PETER-PRINZIP DIE HIERARCHIE DER UNFÄHIGEN" nachlesen.

  • E
    egon

    Herr Ratzmann ist doch sowieso eher schwarz statt grün. - Da ist er in den Diensten von Herrn Kretschmann genau richtig.

     

    Allerdings wundere ich mich wie Politiker, ebenso wie Wirtschaftsleute, trotz sichtbarer Misserfolge in ihrer Arbeit so oft "nach oben fallen".

     

    Woanders verlieren die Leute stattdessen ganz schnell ihre Arbeit.